Stormarner Tageblatt 21.04.2018
Können die das? Die Spitzenbewerber zur Kommunalwahl sollen unter der Regie von Oldesloer Landfrauen überraschend ein Drei-Gänge-Menü für Gäste kochen
Bad Oldesloe Am 6. Mai ist Kommunalwahl. Knapp 20 000 Oldesloer können darüber entscheiden, wie die 27 Plätze in der Stadtverordnetenversammlung für die nächsten fünf Jahre besetzt werden sollen. Acht Parteien beziehungsweise Gruppierungen treten in der Kreisstadt an – so viele wie noch nie. Und wen soll man wählen? Die Stadt ist zugepflastert mit mehr oder weniger sinnigen Plakaten – doch die haben nur begrenzte Aussagekraft, denn jeder weiß doch, welche Halbwertszeit Wahlversprechen nach Auszählung der Stimmen haben.
Das Stormarner Tageblatt hat die Spitzenkandidaten der Parteien deshalb zu einem etwas anderen Test eingeladen. Können sie sich spontan auf eine unbekannte Situation einstellen? Sind sie teamfähig? Haben sie noch Realitätsbezug? Kommen sie mit Technik klar? Wie sieht es mit der Feinmotorik aus? All das sind Fähigkeiten, die ein Kommunalpolitiker haben sollte. Sechs der acht Kandidaten lassen sich darauf ein. Ohne vorher zu wissen, was auf sie zukommt, sollen sie unter der Regie und den strengen Augen Oldesloer Landfrauen ein Drei-Gänge-Menü zaubern.
„Wer hat denn schon mal gekocht?“, will Vorsitzende Jutta Behnk wissen. Als alle Hände hochgehen, grient sie und denkt sich ihren Teil. Mit sicherem Händchen stellt sie die Kochteams zusammen: CDU und Linke sind für die Vorsuppe zuständig, SPD und FBO bereiten Nachtisch und Salatbeilage zu, während Familienpartei und Grüne für den Hauptgang verantwortlich sind. Ohne die Kandidaten zu kennen, hat Jutta Behnk politisch hochbrisante Koalitionen angeordnet – in der Stadtverordnetenversammlung geht das eher selten bis gar nicht gut.
Auf dem Speiseplan stehen Spargelcreme-Suppe mit Hackbällchen, Schweinefilet mit Champignons in Käse-Rahm-Sauce dazu Kartoffel-Sellerie-Stampf und als Dessert Welfenspeise. An die Arbeitsplätze, fertig los. Die Uhr tickt! In zweieinhalb Stunden kommen Gäste, die die Teilnehmer einladen durften. „Bevor wir loslegen: Hände waschen!“, beordert „Feldwebel“ Behnk die Köche zum Waschbecken.
„Wir sind nicht ganz lebensunfähig“, stapelt Tom Winter (Familienpartei) über seine Qualitäten am Herd tief. Er kommt zwar im Laufe des Nachmittags arg ins Schwitzen, aber der Mann steht nicht zum ersten Mal am Herd. Hildegard Pontow (CDU) jubiliert: „Was besseres hätte mir gar nicht passieren können.“ Sie versteht was vom Kochen. Deshalb lässt sie sich durchaus auf eine Auseinandersetzung mit Jutta Behnk ein. „Die Suppe wird mit einer Mehlschwitze gemacht!“, setzt sie sich am Ende durch: „Das schmeckt einfach besser.“
Der stumpfe Sparschäler aus dem Fundus der Schulküche bereitet ihr am Spargel sichtlich Mühe. Sie wechselt kurzerhand zum einfachen Küchenmesser. Kurzer Realitäts-Check: Was kostet deutscher Spargel aktuell? 16 Euro tippt Hildegard Pontow, Tom Winter schätzt 17 und räumt ein: „Für den ersten diese Saison habe ich schon 20 Euro bezahlt.“ Konkret war der Kilopreis 14,99.
Hinten in der letzten Reihe haben sich zwei gefunden. „Wir sind sicher nicht die besten, aber die lustigsten“, tönt Björn Wahnfried (SPD), der zusammen mit Matthias Rohde (FBO) den Nachtisch kochen soll. Die Eier in weiß und gelb zu trennen, ist für die beiden keine Kunst. Ein Mixer ist auch schnell gefunden, aber wo sind die Quirle? „Zack, zack, volle Pulle“, rät die stellvertretende Vorsitzende Ilse Spiering als die Schlegel endlich im Gerät stecken. „Echt, spritzt das nicht?“, fragt Björn Wahnfried etwas ungläubig, legt dann aber los. Mit einer Priese Salz wird der Ei-Schnee besser fest, verrät Spiering und steif ist er, wenn im umgedrehten Zustand nichts aus dem Behältnis tropft. Angeblich, so die Landfrau, geht der Name des Desserts auf die Farben der Welfen zurück. Weißer Pudding mit gelbem Weinschaum oben drüber.
In die Puddingmasse gehört auch Vanillemark. Was kostet so eine Schote? „3 bis 4 Euro“, schätzt der Sozialdemokrat, während der FBO-Kollege auf 2,50 Euro tippt. 3,79 stehen auf dem Kassenbon. „Im Rezept heißt es ‚bei mäßiger Hitze …‘. Was mag das wohl bedeuten“, grübelt Matthias Rohde. Beherzt dreht Ilse Spiering den Regler am Herd auf die Stufe neun.
Hendrik Holtz (Linke) hat zu kämpfen. Er muss die Zwiebeln für die Hackbällchen schälen und klein schneiden. Es treibt ihm die Tränen in die Augen und seine Zwiebel-Schnibbel sind eindeutig zu groß für die Fleischbällchen. Aber der Mann weiß sich zu helfen. Er sucht sich eine Reibe und löst zumindest das Größen-Problem auf diese Weise. Beim Kneten der Fleischmasse hat er keine Berührungsängste, greift beherzt mit beiden Händen in den Teig. Mitstreiterin Hildegard Pontow lobt seine kleinen Fleischklößchen. Landfrau Ingrid Hildebrandt sieht das etwas anders: „Zwei Klöße und der Mund ist voll.“ „Ingrid!“, kommt von Jutta Behnk gleich eine strenge Ansage: „Das waren Männerhände! Wenn dein Mann sie gemacht hätte, wären es Frikadellen geworden.“ Für den Linkenpolitiker steht fest: „Ich bin kein Koch, ich werde auch keiner mehr, aber ich kann gut abwaschen.“ Damit hat er seine Aufgabe gefunden.
Wilfried Janson (Grüne) stöhnt. Er soll die Champignons putzen und zerteilen. Drei Kilo. „Ich glaube, das ist in der Zeit überhaupt nicht zu schaffen“, sagt er: „Angesichts dieser Masse hätte ich ja Fertige genommen.“ Mit flinken Fingern erledigt Ute Engel von den Landfrauen diese Aufgabe. Auch das Braten des Fleisches läuft nicht so, wie er sich das vorstellt. Wilfried Janson: „Der Herd taugt nichts. Der wird ja überhaupt nicht richtig heiß.“ Weil aus dem Fleisch Wasser austritt, wird es nicht braun. „Zu Hause benutze ich Gas, da passiert das nicht“, ist Janson überzeugt.
Die Grünen haben traditionell eine Doppelspitze. Nicole Kanapin führt die Liste an – ist aber an dem Tag wegen einer dienstlichen Sitzung verhindert. Janson springt als Nummer zwei ein, kann aber nicht bis zum Ende bleiben, da er den Umweltausschuss leiten muss. Also wechseln die beiden sich zwischendurch ab. Die Übergabe läuft reibungslos, klare Ansagen, was schon fertig ist und was noch zu erledigen ist, dann kann Nicole Kanapin einspringen. Die Situation offenbart auch den Nachteil der Doppelspitze. Wilfried Janson: „Es macht keinen Spaß zu kochen, wenn man nicht mitessen kann.“ Er muss sich verabschieden, bevor das Mahl den Gästen serviert wird.
Pünktlich mit Erscheinen der Gäste ist das Essen fertig, und die Tische sind gedeckt. Die Eingeladenen sind voll des Lobes über die Leistungen des Küchenteams. „Mein Mann kann jetzt immer kochen“, findet Patricia Rohde. Thorben Klöhn ist vom Ergebnis überrascht: „Ich wusste gar nicht, dass SPD und FBO gemeinsam etwas so Gutes hinbekommen.“ Auch die Landfrauen zeigen sich zufrieden. „Die Jungs haben alles gemacht, was ich gesagt habe – sogar abgewaschen. Sie haben gut gekocht, die Gäste sind zufrieden“, sagt Jutta Behnk. Ihre Stellvertreterin ergänzt: „Die kann man wählen.“ Nur wen?
Andreas Olbertz
Die Kandidaten der CDU, SPD und der FBO
Hildegard Pontow (CDU): „Wir haben so viele Schwerpunkte … wichtig
ist, das wir alles finanzieren können. Damit wir nicht streichen
müssen, brauchen wir mehr Einnahmen – mehr Gewerbe, Fördermittel
und wir müssen auch das Land stärker in die Pflicht nehmen. Mir persönlich ist es noch wichtig, Kindergärten, Schulen und Vereine zu stützen.“
Björn Wahnfried (SPD): „Hoffentlich gelingt es uns, deutlich zu machen, dass wir nicht gleichzusetzen sind mit der Bundespartei. Wir wollen Verbesserungen für alle Bürger. Bildung steht bei uns ganz oben auf der Liste. Und in Sachen Ausbaubeiträgen haben wir ja schon einen Antrag
eingebracht, der eine ordentliche Entlastung für die Bürger bringen wird und gleichzeitig gegenfinanziert ist.“
Matthias Rohde (FBO): „Wir sind die Einzigen, die ohne Wenn und Aber für die Abschaffung der Ausbaubeiträge sind – und das schon seit einem halben Jahr. Bei der Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung muss sich etwas ändern. Die Schulen und die Kitaplätze sind auch noch in Ordnung zu bringen, da fehlen uns leider immer noch Plätze. ol
Die Kandidaten der Grünen, Linken und Familienpartei
Nicole Kanapin (Grüne): „Mein Schwerpunkt sind die Kinder. Es fehlen Krippenplätze! Bei der Schulsozialarbeit liegen wir im Clinch, wer dafür zuständig ist und die Kosten trägt. Die Umwelt liegt uns natürlich immer
am Herzen und bei den Straßenausbaubeiträgen favorisieren wir ein Drei-Säulen-Modell, dass die Kosten besser verteilt.“
Hendrik Holtz (Linke): „Es herrscht eine unglaubliche Not an sozialen Wohnungen – es muss mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Wir von der Linken setzen uns dafür ein, dass die Angebote der Daseinsfürsorge kostenlos oder zumindest günstig sein müssen. Lernmittelfreiheit ist ein Stichwort, das mir dazu einfällt.“
Tom Winter (Familienpartei): „Wir können uns den Realitäten nicht verschließen. Besonders die Einnahme-Seite der Stadt muss nachhaltig verbessert werden. Vielleicht muss man da mal kreative Wege einschlagen. Bei der Kinderbetreuung müssen wir die nachschulische Betreuung deutlich verbessern.“ ol
Der Kandidat der freien Wähler hat eine Teilnahme abgelehnt, von der FDP kam keine Rückmeldung.