Auf der Suche nach dem großen Wurf

Stormarner Tageblatt   05.05.2018

Wirtschaftsvereinigung kritisiert scheinbare Untätigkeit der Stadtverwaltung mit Blick auf Stadtmarketing und Förderung

Bad Oldesloe Hat die Stadt Bad Oldesloe über Jahre die Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing vernachlässigt? Ist die Kreisstadt am Ende sogar aktuell wirtschaftsfeindlich?

Es waren harte Fragestellungen, die die Wirtschaftsvereinigung im voll besetzten Saal des Kultur- und Bildungszentrums auf den Tisch brachte. Die Eröffnungsrede von Sprecherin Nicole Brandstetter hatte es in sich und sorgte für Stimmung im Raum. Aus Sicht der Vereinigung sind andere Mitbewerber wie Bargteheide oder Ahrensburg deutlich besser aufgestellt. „Woran liegt es, dass Bad Oldesloe offensichtlich seit Jahren zusehends an Boden als attraktiver Standort verliert?“, fragte Brandstetter.

Harte Kritik gab es auch an der Wirtschafts- Aufbaugesellschaft des Kreises (WAS). „Unter 17 Referenzen, die die WAS für größere Gewerbeansiedlungen angibt, ist nur eine einzige in Bad Oldesloe“, stellte Brandstetter fest. Sie ist sich sicher: „Mittelfristig muss die Stadtverwaltung eine Stabsstelle Wirtschaftsförderung einrichten.“ Bad Oldesloe werde als strukturell unterfinanzierte Kommune unattraktiv, wenn bei Kultur, Bildung und Infrastruktur der Rotstift angesetzt werde. „60 Unternehmer haben im Dezember 2016 eine Willensbekundung abgegeben, dass man ein institutionelles Stadtmarketing etablieren solle unter Hinzuziehung externer Dienstleister“, so Brandstetter. Sowohl Lokalpolitik als auch Verwaltung hätten diesen Wunsch aber ignoriert. Probleme seien eine nicht attraktive und zu wenig saubere Innenstadt, ein zu einheitlicher Branchenmix, eine mangelhafte Sortimentsgestaltung in der Peripherie. All das könne nur mit einer langfristigen und weitsichtigen Stadtentwicklung beseitigt werden.

Aufmerksam verfolgten im Publikum zahlreiche Geschäftsleute und Filialleiter – ob nun vom Stadtgrill, von Versicherungen, Marco Schmidt vom Modehaus Rohde oder auch Tia Akkermann vom Hörgeräteakustiger Amplifon – den Vortrag. In einer anschließenden Diskussionsrunde unter Unternehmern aus der Kreisstadt kamen ähnliche Problem zur Sprache. „Ich wünsche mir bei der Ansiedlung von neuen Geschäften weniger Bürokratie“, so die Geschäftsfrau Katrin von Hinüber. Viele der benannten Punkte seien ihr aus dem alltäglichen Geschäftsleben bekannt.

„In anderen Orten hat man erkannt, dass Veranstaltungen zur Attraktivität beitragen. Dort bekommt man sofort Unterstützung und kostenlos Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Hier wirkt es immer so, als ob man ausgebremst wird“, so Benjamin Rodloff von der Eventagentur LED Events. „Wer hier etwas auf den Weg bringen will, muss sich erstmal entschuldigen und erklären. Ich finde, dass die Stadt viel offener für neue Ideen sein muss. Ob nun von Geschäftsleuten, Kreativen, Künstlern oder Veranstaltern“, sagt Rodloff.

Der Hagebaumarktleiter Thorsten Körner ärgert sich, dass er aus der Presse erfahren musste, dass das Gewerbegebiet in Zukunft nicht mehr bei den verkaufsoffenen Sonntagen dabei sein könne. „Die Termine waren eingeplant, die Umsätze auch. Die Sonntage werden mir fehlen und wir wurden nicht einmal informiert“, so Körner angefressen. Außerdem gebe es unverständlicherweise in unterschiedlichen Gewerbegebieten unterschiedliche Regelungen, was das Sortiment angeht.

„Hört auf zu jammern“ Bürgermeister Jörg Lembke zeigte sich etwas verwundert: „Ich bräuchte eine halbe Stunde, um einige Dinge klarzustellen. Natürlich habe ich nichts gegen eine eigene Wirtschaftsstabsstelle. Aber das muss die Politik entscheiden. Außerdem muss ich sagen, dass ich ja zwei Mitarbeiterinnen habe, die sich engagiert um Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und das Ladenflächenmanagement kümmern“, betont Lembke: „Der Oldesloer an sich nörgelt und meckert leider gerne. Das bringt uns nicht weiter.“

Mathias Schmidt, Vorsitzender von Haus und Grund, brachte kontroverse Punkte auf den Tisch. Erstens stimme das Gerücht nicht, dass die Vermieter in der Stadt zu hohe Mieten nehmen würden, schließlich hätten sie auch hohe Kosten. So seien die Versicherungen hoch, weil der Bereich als Überschwemmungsgebiet gewertet werde. Dazu komme die Straßenreinigung und häufig müssten Immobilien von Graffiti und Schmierereien befreit werden. „Die Kaufkraft ist niedriger als in anderen Städten. Wenn ich dann höre, dass hier noch mehr sozialer Wohnungsbau gefordert wird, wundert mich das nicht“, so Schmidt. Es brauche finanzkräftige Mieter und Hausbesitzer, um die Kaufkraft zu steigern.

Außerdem regte er an, die Fußgängerzone zu verkleinern. Die Bestorstraße und das Ende der Hinenburgstraße seien langfristig nicht als Fußgängerzone zu halten. „Man sollte sich auf den Kernbereich zwischen Hude und Marktplatz konzentrieren, diesen stärken“, so Schmidt weiter.

„Wir werden die Fußgängerzone von der Verwaltung aus sicherlich nicht zusammenstreichen“, stellte Bürgermeister Lembke klar. „Das regelt der Markt“, ist er sich sicher. „Dass hier teilweise keine hochwertigen Geschäfte angesiedelt wurden, lag an den Vermietern, nicht am Ladenflächenmanagement. Wir hatten zum Beispiel das Angebot einer hochwertigen Parfümerie, doch der Vermieter wollte einen Gemüseladen. Das ist also kein Fehler der Stadt oder der Attraktivität“, so Lembke weiter. „Leerstand gibt es quasi nicht.“

Detlev Hinselmann, Geschäftsführer der WAS, wunderte sich ebenfalls über den negativen Tonfall: „Ich muss ihnen mal was sagen: Sie haben eine sehr schöne, attraktive Kreisstadt.“ Es stimme nicht, dass Bad Oldesloe mit besonderen Problemen zu kämpfen habe. „Ahrensburg oder Oststeinbek haben ebenfalls Probleme dieser Art. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zur Verwaltung – der Kämmerin, dem Ordnungsamt“, widerlegte er aufgekommene Kritik. „Es gab ganz einfach keine hohe Nachfrage nach Bad Oldesloe beziehungsweise passende Flächen. Aber gerade werden 30 Hektar neu erschlossen und auf den Markt gebracht“, so Hinselmann weiter. „Hört auf zu jammern und lasst es uns gemeinsam anpacken“, brachte sich Walter Albrecht als einziger Besucher ein.

Die Wirtschaftsvereinigung blieb im Fazit bei ihren Forderungen. Es brauche eine Wirtschaftsförderungsstabsstelle und einen Wirtschaftsbeirat. Die wirtschaftliche Entwicklung müsse das Kernthema der Stadt werden, forderte Holger Mahlke.

Patrick Niemeier

Oldesloer Lokalpolitiker äußern sich zur Innenstadt

Horst Möller (CDU) :„Es ist wichtig, dass Projekte erstmal intern auf den Weg gebracht und besprochen werden, bevor sie öffentlich zerredet werden. Politik, Verwaltung und Investoren sollten vertrauensvoll und vertraulich miteinander reden.“ Björn Wahnfried (SPD): „Mehr Gewerbe heißt nicht immer mehr Gewerbesteuer, das kenne ich als Finanzbeamter leider genau. Wir müssen über Finanzierungen für Infrastrukturmaßnahmen nachdenken. Intransparente Mauscheleien wie die Körbchenrunde beim Kreis wird es bei Planungen mit uns aber nicht geben.“ Wilfried Janson (Die Grünen): „Mit Projekten wie der Fair-Trade-Town waren wir Vorreiter in Stormarn. Das lässt sich auch gut vermarkten. Wir brauchen einen ehrenamtlichen Wirtschaftsbeirat.“ Matthias Rohde (FBO): „Es passiert zu wenig. Wir brauchen mehr Bewegung und neue Ideen. Wir brauchen Ideengeber und Möglichmacher und keine Verhinderer für eine attraktive Innenstadt.“

Hendrik Holtz (Die Linke) : „Ich würde eine eigene Stabsstelle mit entsprechenden Kompetenzen unterstützen. Wirtschaftsförderung und Marketing müssen zeitgemäß aufgestellt werden. Es braucht außerdem einen Beirat mit Kompetenzen.“Anita Klahn (FDP) : „Wir haben tolle Möglichkeiten und sollten mehr daraus machen. Jeder einzelne muss sich aber auch fragen, wo er aktuell einkauft.“

Tom Winter (Familienpartei) : „Es sollte nicht nur geredet, sondern auch zugehört werden. Wir brauchen kreative neue Ideen für mehr Einnahmen und müssen gut überlegen, was wir wollen, damit wir nicht wieder ein Desaster erleben.“ nie

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