Machtspiel ums Bürgerhaus

Stormarner Tageblatt   26.09.2018

Bürgermeister kassiert Dringlichkeitsbeschluss der Stadtverordneten und verhindert Diskussion

Patrick Niemeier und Andreas Olbertz Bad Oldesloe Der Streit zwischen Politik und Bürgermeister Jörg Lembke erreicht die nächste Eskalationsstufe. Hajo Krage stellte in der Stadtverordnetenversammlung einen Dringlichkeitsantrag. Die SPD wollte über die Zukunft des Bürgerhauses beraten, weil der Bürgermeister bekanntlich den Mietern im ersten Stock kündigen will, um dort Büros für die Verwaltung einzurichten – gegen den erklärten willen der Lokalpolitiker.

Die Dringlichkeit sei nur gerechtfertigt, wenn der Stadt Nachteile entstünden. „Ich sehe keine Nachteile“, argumentierte Lembke. Eine Beratung im November sei völlig ausreichend. Das sahen Hajo Krage und Hendrik Holtz aber ganz anders. Wenn zahlenden Mietern gekündigt werde, entstehe der Stadt sehr wohl ein Nachteil, ganz zu schweigen vom Image-Schaden für Bad Oldesloe. Mit 26 Ja-Stimmen nahm der Antrag deutlich die geforderte Zwei-Drittel-Hürde. Das Thema wurde trotzdem nicht auf die Tagesordnung genommen, weil der Bürgermeister ihn sofort einkassierte. Über das Bürgerhaus wird jetzt, fristgerecht beantragt von der SPD, auf der nächsten Sitzung des Sozialausschusses beraten.

„Es geht nicht mehr um die Sache, das ist ein Machtspiel zwischen dem Bürgermeister mit der Verwaltung und den Politiker. Das ist nicht zum Wohle der Stadt“, kritisierte Wolfgang Schmidt (Freie Wähler) die Entwicklung.

Im Hauptausschuss hatte sich bereits Inke Stäcker als Sprecherin der Nutzer zu Wort gemeldet. „Es ist gut, dass das Bürgerhaus ein Programm für Senioren im Erdgeschoss bietet. Aber das Bürgerhaus ist gedacht als Ort, der für alle Generationen und Bürger der Stadt offen ist“, erklärte sie. Das Haus sei vor zwei Jahrzehnten auch mit Landesmitteln renoviert worden und ganz eindeutig für seinen heutigen Zweck ausgelegt worden. Eine Umwidmung für Verwaltungsnutzung sehen die Vereine daher als Eklat an. „Dass wir aus der Zeitung erfahren mussten, dass uns nun wohl tatsächlich gekündigt wird, können wir so nicht hinnehmen“, so Stäcker. Ob Hospizverein, Bewährungshilfe, Pro Familia oder auch die Oldesloer Musikschule – die Organisationen bräuchten diese Räume dringend.

Entgegen der Darstellung der Verwaltung seien noch keine neuen, praktikablen Lösungen gefunden. „Uns wurden Räume im Gebäude ‚Am Markt 2‘ angeboten. Die sind für unsere Bedürfnisse vollkommen unangemessen und zu teuer“, führte unke Stäcker aus. „Warum geht denn die Verwaltung dort nicht rein? Nur die Räume im Bürgerhaus reichen doch sowieso nicht“, so Stäcker weiter. Es kursiert ein Gerücht, dass die Stadt das Gebäude in der Mühlenstraße in dem das Stormarner Tageblatt beheimatet ist, kaufen will. Doch dazu gibt es keine Stellungnahme von der Verwaltung, weil es schützenswerte Interessen Dritter gebe.

„Das Bürgerhaus als Ort für alle Bürger lebt davon, dass dort unterschiedlichste Initiativen unter einem Dach sind“, erläuterte Stäcker. Sie forderte die Stadt auch auf – sollte der Bürgermeister an seiner unpopulären Maßnahme festhalten wollen – zu überprüfen, ob das leer stehende Kurbad nicht für Vereine und Initiativen umgebaut werden kann. Dessen Abriss ist aber lange beschlossen. Stattdessen wird über den Neubau eines Fitness-Studios an der Stelle verhandelt.

Die Pläne des Bürgermeister waren im Bauausschuss öffentlich geworden, weil die Verwaltung im Rahmen des Liegenschaftsberichts 50 000 Euro für den Umbau zu Verwaltungsbüros angemeldet hatte. Die ersten Reaktionen fielen eindeutig aus: Dafür findet sich unter den Politikkern keine Mehrheit.

Kommentar:

Kompetent?

Andreas Olbertz, Redakteur, Bad Oldesloe, ol@shz.de

Darf der Bürgermeister das? Tja. War die Zustimmung zur Dringlichkeit ein objektiv rechtswidriger Beschluss? Wohl kaum, aber darüber können Juristen bestimmt voller Herzblut lange streiten. Entsteht der Stadt ein Schaden dadurch, dass das Thema per Dringlichkeitsbeschluss auf die Tagesordnung kommt? Definitiv nicht! Damit dürfte der Bürgermeister also seine Kompetenzen überschritten haben. Aber egal wie man es juristisch bewertet, in der Sache ist es eindeutig: Jörg Lembke will seinen Willen mit aller Macht durchsetzen. An einer einvernehmlichen Lösung scheint er nicht interessiert zu sein – aber die ist wichtig. Nicht nur als Signal an die bisherigen Nutzer des Bürgerhauses oder an Verwaltungsmitarbeiter, die Büros brauchen, sondern als deutliches Zeichen, wie wir in der Stadt miteinander umgehen wollen.

 
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