Einsatz für Obdachlose

Stormarner Tageblatt   30.11.2018

77 Obdachlose leben in Oldesloer Notunterkünften / Jugendlichen-WG seit 2013 unbewohnbar

Renovierungsbedarf: Unterkunft in der Lübecker Straße.Nie
Renovierungsbedarf: Unterkunft in der Lübecker Straße.Nie

Patrick Niemeier Bad Oldesloe Es ist eine Zahl, die entsetzt: 77 Menschen in Bad Oldesloe leben aktuell in städtischen Obdachlosenunterkünften. Davon elf Personen schon länger als fünf Jahre und 43 Personen zwischen einem und fünf Jahren. Insgesamt sind darunter auch 23 Minderjährige. „Eine der Hauptaufgaben in der Betreuung der Unterkünfte liegt darin, das Zusammenleben der Bewohner mit ihren individuellen Problemlagen zu unterstützen. Es kommt oft zu Konflikten, die wir versuchen zu klären. Wer nicht wohnfähig ist, ist leider irgendwann draußen“, erklärt die Sozialpädagogin der Stadt, Beatrice Schmidt, auf der Sitzung des Bildungs- Sozial- und Kulturausschusses.

„Mich erstaunt die Dauer mancher Aufenthalte. Könnte man den Menschen nicht eine andere Hilfe geben, eher wieder selbst eine Wohnung zu finden? Ich möchte, dass den armen Seelen geholfen wird, aber es klingt etwas nach betreutem Wohnen“, sagt Torge Sommerkorn (CDU). „Es sind keine armen Seelen, sondern Bürger dieser Stadt. Es gibt aber immer weniger Vermieter, die diesen Menschen eine Chance geben. Heutzutage haben sich fast alle Vermieter einen Standardvertrag von Haus und Grund geholt. Und durch den Umfang der Selbstauskunft wird es für viele schwierig“, so Schmidt.

„Man muss da mal über die Stadtgrenzen hinausschauen. Es gibt große Vermieter, die diese Menschen auch mit hochroten Schufa-Auskünften trotzdem als Mieter nehmen“, ist sich Birgit Wieck (CDU) sicher. „Das sind Oldesloer Bürger. Wir können die doch nicht aus ihrem oft sowieso kleinen Sozialumfeld rausreißen“, sagt Cornelia Steinert (Die Linke). „Wir können doch nicht Menschen mit Problemen einfach vor die Tore der Stadt bringen“, sagt auch Torben Klöhn (SPD).

Besonders stößt es Klöhn übel auf, dass die WG für obdachlose Jugendliche in der Lübecker Straße seit 2013 unbewohnbar ist, weil das Gebäude trotz Beschlusses nicht fertig saniert wird. Aktuell ist in der Lübecker Straße das Büro der Sozialarbeiterin und eine Frauen-WG. „Wir sprechen hier häufiger über Jugendliche, die auf den Straßen unterwegs sind, die man nicht erreicht. Dort hatten sie die Sozialarbeiterin direkt vor Ort. Wir fordern, dass die Räumlichkeiten renoviert werden“, so Klöhn. „Wir freuen uns ja nicht darüber, dass das so ist, wie es ist. Aber uns fehlt das Personal. Sollen wir dafür Amokschutz an den Schulen hintenanstellen oder Ausbauten bei der Feuerwehr?“, fragt Bürgermeister Jörg Lembke. „Das klingt so, als seien andere Themen wichtiger. Obdachlose haben keine Lobby. Wir wollen, dass die Priorität dieser Maßnahme im Bauamt nach oben rutscht“, so Klöhn. Außerdem soll ein niedrigschwelliges Angebot für Obdachlose geschaffen werden mit Dusch- und Schlafmöglichkeiten.

Hintergrund: Im September war ein junger Obdachloser unter noch nicht abschließend beurteilten Umständen von einem Polizisten erschossen worden. Zuvor soll der junge Mann mit einem Messer gedroht haben.

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