Betrachtungen zum Wochenausklang: Von Ansiedlung und Anklagen

Stormarner Tageblatt  25.01.2020

Stormarner Wochenschau

Von Ansiedlung und Anklagen

Megi Balzer
Megi Balzer

Patrick Niemeier, Cordula Poggensee und Stephan Poost

Déjà-vu „The same procedure as last year?“ könnte man fragen, um gleich die Antwort zu geben. Ja, der gleiche Ablauf, wie im letzten Jahr. Schon bei der Amazon-Ansiedlung beklagten Bürgermeister und Teile der Politik in der Kreisstadt Bad Oldesloe, dass mit der Ansiedlung zwar viele Kosten verbunden wären, aber lediglich einfache Arbeitsplätze, kaum Gewerbesteuern, aber ein großes Verkehrsaufkommen – siehe Zeichnung – unter dem Strich stünden. Nun wird gleich neben Amazon ein zweites, großes, flächenintensives Lager entstehen, auf 65.000 Quadratmetern. Auch hier: Zwar 70 Arbeitsplätze, aber kaum Steueraufkommen und viel Verkehr. Da muss der Bürgermeister schon tief in die Trickkiste greifen, um die Ansiedlung schön zu reden: Bad Oldesloe errege eine überregionale Aufmerksamkeit. Dabei ist der Bürgermeister noch nicht einmal der, dem man hier den „Schwarzen Peter“ zuschustern sollte, den hat die Kommunalpolitik. Denn die Politikern haben Daseinsvorsorge zu treffen und für das endliche Gut Baufläche die Verwendung zu finden, die für die Stadt den größten Nutzen bringt.

Lebende Altlast Über 110 Katzen wurden im vergangenen August aus einem völlig verdreckten Messi-Haus in Großhansdorf gerettet. Die beiden Besitzerinnen zählen zu der wachsenden Gruppe der „Animal hoarder“, die verantwortungslos lebende Tiere sammeln wie „normale Messis“ wertlosen Plunder. Doch während sich letztere nur selber schaden, sind die krankhaften Tiersammler subjektiv vielleicht fahrlässige, objektiv jedoch vorsätzliche Tierquäler. Die Gemeinde Großhansdorf hat die kranken, verletzten und verstörten Katzen aus dem nach Fäkalien stinkenden Haus gerettet – und sich damit neben einer moralischen auch eine finanzielle Belastung von bislang 100.000 Euro aufgeladen. Die zwei ehemaligen Katzen-Besitzerinnen sind indes weiter einsichtsresistent. Statt sich – in welcher Weise auch immer – ihrer Verantwortung zu stellen, haben sie drei Klagen gegen die Gemeinde angestrengt. Kaum nachvollziehbar, sollten doch viel eher die beiden Halterinnen auf die Anklagebank.

Leise Armut So schlimm kann es nicht sein, denn wir sehen sie ja nicht massenhaft in den Straßen: Bettler und Obdachlose. Und dann hört man immer von steigender Armut und von immer mehr Familien, die von Obdachlosigkeit betroffen sind. Sind da vielleicht nur Berechnungsgrundlinien übertrieben? Wird Armut falsch definiert, orakeln manche Politiker. Doch ist es eher so, dass Armut oft leise ist. Die Menschen nehmen nicht am sozialen Leben teil, weil sie es sich nicht leisten können oder weil es ihnen in der Leistungsgesellschaft, in der Besitz oftmals über den Status entscheidet und der als jemand gilt, der oder die es „geschafft hat“, wenn man drei Mal im Jahr in den Urlaub fliegt und ein volles Sparbuch vorzuweisen hat. Armut und Obdachlosigkeit muss nicht mit den stereotypen Klischeebildern unterlegt sein, um zu existieren. Die Gesellschaft ist immer nur so gut, wie sie mit ihren finanziell Schwächsten umgeht, die in den meisten Fällen eben nicht sozial schwach sind. Also hilft wegschauen nicht, nur um nicht das zu sehen, was bei genauem Hinsehen eben doch vorhanden ist.

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