Die Bildungskarte und der „Schwarze Peter“

Stormarner Tageblatt  07.03.2020

In Stormarn wurde sie vor vier Jahren beschlossen – es gibt sie aber immer noch nicht

Patrick Niemeier Bad Oldesloe Viel zu wenige Kinder, die Anrecht auf Gelder aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben, nehmen dieses Anrecht in Stormarn wahr. Der durchaus positive Ansatz dahinter: Kindern aus vermögensschwachen Familien soll die Teilhabe am sozio-kulturellen Leben erleichtert werden oder sie sollen Unterstützung im Bereich der Bildung erhalten. Ganz praktisch gedacht, gehört dazu zum Beispiel auch die Bezahlung für Essen in der Mensa.

Die Beantragung und Abrechnung ist allerdings kompliziert und führte dazu, dass viele Eltern sich stigmatisiert fühlen. All das soll durch die Einführung der „Bildungskarte“ abgefedert werden. Auf dieser ist das entsprechende Guthaben vorhanden und die Kinder müssen es dann nur in der Mensa oder beim Sportverein nutzen. 2016 – also vor vier Jahren – beschlossen die Politiker auf Kreisebene, dass die Karte eingeführt werden soll.

Was genau ab dann schief lief im Fachbereich „Soziales und Gesundheit“ oder ob man sich überhaupt daran machte, die Bildungskarte auch wirklich einzuführen, lässt sich nicht rekonstruieren. Vor allem wurden lange Zeit nicht näher definierte „Datenschutzgründe“ angeführt, die es verhinderten, dass die Karte eingeführt wurde. „Ich hatte nie den Eindruck, dass der Kreis sie wirklich wollte“, sagte Hendrik Holtz (Die Linke) damals.

Und auch seine Parteigenossin Cornelia Steinert und Jörn Lucas von der CDU hatten den Eindruck, „dass dort niemand wirklich Interesse an dem Thema hat“. Es erscheine einem so, als ob das Thema ausgesessen werde – auf dem Rücken der betroffenen Kinder. Fakt ist: Die Karte ist weiterhin nicht in den Kommunen eingeführt worden.

Die Oldesloer Lokalpolitik, die 2019 den Druck auf den Landrat und den Fachbereich erhöhte, bis die Einführung der Karte in der Kreisverwaltung vorangetrieben wurde, zeigte sich auf dem aktuellen Bildungs- Sozial- und Kulturausschuss fassungslost „Wir haben gehört, dass der Kreis sagt, dass es nur noch daran liegt, dass die Kommunen den Vertrag nicht unterschrieben haben. Stimmt das? Warum wurde denn der entsprechende Vertrag nicht unterschrieben?“, fragte der Ausschussvorsitzende Lucas.

„Es ist etwas seltsam, dass der Kreis das so ausführt. Denn das ist nicht die ganze Geschichte. Man hat uns gesagt, dass es Datenschutzprobleme mit dem entsprechenden Vertrag gibt und der daher überarbeitet werden muss. Daher können wir den gar nicht unterschreiben“, sagte Bürgeramtsleiter Sobczak. Wann es zur Einführung der Karte in Bad Oldesloe kommen werde, sei nicht klar. Da liege der Ball wieder beim Kreis.

Der möchte den „Schwarzen Peter“ aber nicht wieder bei sich liegen sehen. „Im Sozial- und Gesundheitsausschuss wurde der Ablauf der Einführung der Bildungskarte seit Ende September 2019 erläutert. Zu diesem Zeitpunkt fand ein Workshop mit der Firma Sodexo sowie allen Städten, Ämtern und Gemeinden des Kreises Stormarn sowie dem Jobcenter statt. Dabei wurden die Teilnehmer auf einen einheitlichen Wissensstand zum bisherigen und weiteren Ablauf gebracht“, erklärt Michael Drenckhahn, Pressesprecher der Kreisverwaltung.

„Die noch immer ausstehende Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA) fand am 12. Februar statt. Am Dienstag, 18. Februar, wurden die geprüften Verträge unterzeichnet und vom Kreis Stormarn an die Kommunen versandt, damit diese nun ihrerseits beitreten können“, so Drenckhahn weiter.

„Die Unruhe im Oldesloer Ausschuss beruht auf einer Einschätzung des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD), nach der eine bestimmte Vorgehensweise zum Abschluss eines Auftragsverabeitungsvertrages (AVV) rechtlich bedenklich wäre“, erklärt Drenckhahn. „Die dort geprüfte Variante ging jedoch von einem anderen Sachverhalt aus und ist daher für die Einführung der Bildungskarte nicht von Relevanz. Ein kleines vertragliches Detail kann rechtlich einen erheblichen Unterschied machen“, erklärt der Pressesprecher.

Es sei wohl leider nur die Information bei der Stadt Bad Oldesloe angekommen, dass eine kritische Einschätzung des ULD hinsichtlich des AVV vorliege. Die Korrektur, dass diese Einschätzung auf falscher Grundlage gefällt wurde, sei dann wohl nicht in der Kreisstadtverwaltung angekommen, glaubt Drenckhahn.

„Das vermeintliche Datenschutzproblem ist also nicht vorhanden. Die Bildungskarten liege seit Jahreswechsel für die Kommunen und das Jobcenter bereit. Diese werden ausgegeben, sobald der jeweilige Leistungsträger dem Dienstvertrag des Kreises Stormarn mit der Firma Sodexo beigetreten ist. Wann dies der Fall sein wird, lässt sich seitens des Kreises nicht beantworten, da dies in der Verantwortung der Kommunen liegt“, so Drenckhahn.

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