Lübecker Nachrichten 28.08.2020
Am Mittwoch wurden die Planungen für den Neubau vorgestellt – Bei dem High-Tech-Gebäude wurde an Vieles gedacht, sogar an einen möglichen Anschlag
Von Markus Carstens

Bad Oldesloe. Wer in den Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Ostholstein den Notruf 112 wählt, landet derzeit in Bad Oldesloe in der Kreisverwaltung. Knapp 40 Mitarbeiter koordinieren von hier aus an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr Einsätze des Rettungsdienstes und der Freiwilligen Feuerwehren zwischen Fehmarn und Geesthacht. Rund 650 000 Menschen leben in den drei Kreisen, in den Sommermonaten kommen fast eine Million Urlauber hinzu.
Die Zunahme an Einsätzen ist ein Grund dafür, dass die Rettungsleitstelle mittlerweile zu wenig Platz hat und ein Neubau erforderlich wird. Der Entwurf dafür wurde jetzt am Mittwoch im Wirtschafts-, Planungs- und Bauausschuss des Kreises vorgestellt. Gesamtkosten: knapp 21 Millionen Euro plus etwa eine Million Euro für den Grunderwerb, der Umzug könnte 2023 vonstatten gehen. Kurios: Die Planung steht, aber der Kauf der entsprechenden Fläche im Oldesloer Gewerbegebiet an der A 1 (Teichkoppel) ist noch gar nicht endgültig besiegelt.
„Das wird ein Leuchtturm für ganz Norddeutschland.“ Wolfgang Gerstand (CDU) spart nicht mit Superlativen, wenn es um den Neubau geht. Der Vorsitzende ist begeistert von dem, was das Architektenbüro Trapez aus Hamburg und Bauamtsleiter Thilo Scheuber mit seinem ersten großen Projekt da abgeliefert haben. „Das ist natürlich etwas ganz Besonderes“, sagt Scheuber. „Eine Leitstelle habe ich vorher noch nie gebaut und werde das wohl auch nie wieder“, sagt der Kreis-Bauamtsleiter, der bis vor zwei Jahren in gleicher Position bei der Stadt Bad Oldesloe beschäftigt war.
Und der Kaufvertrag für die Fläche? „Wir sind da auf einem guten Weg, die Grundstücksverhandlungen stehen kurz vor einem erfolgreichen Abschluss“, sagt Wolfgang Gerstand. In der kommenden Woche werde alles in trockenen Tüchern sein. Es gehe nur noch um wenige Details. Gerstand verhehlt aber auch nicht, dass man eigentlich schon viel weiter sein wollte. Baubeginn soll Ende des nächsten Jahres sein.
Für den Bau an sich stehen dagegen schon viele Details fest: Die Hauptnutzfläche wurde von 1601 auf 1726 Quadratmeter erweitert, da Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Reform der Notfallversorgung plant. Sollte die Zusammenlegung der Nummern 112 und 116 117 (Notrufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes) dann doch nicht kommen, könnten die Räume laut Kreisverwaltung auch von anderen Abteilungen genutzt werden, zum Beispiel den Sachgebieten Rettungsdienst oder Katastrophenschutz. Herzstück wird natürlich der zentrale Betriebsraum im besonders gesicherten Obergeschoss, in dem die Disponenten an jeweils mehreren Bildschirmen sitzen, dort die Notrufe entgegen nehmen und dann die Rettungskräfte alarmieren. „Dieser Raum ist nach Norden ausgerichtet, um die Kühllasten des Raums mit vielen Computern gering zu halten und damit das Sonnenlicht nicht blendet“, sagte Architekt Jeremy Fields, der ein Modell der Leitstelle mitgebracht hatte.
Die Architekten aus Hamburg haben dabei an viele Dinge gedacht, zum Beispiel den richtigen Lichteinfall von draußen für die Arbeitsplätze, an erhöhte Anforderungen an die Arbeitsplatz-Ergonomie, die Raumakustik, Beleuchtung und Klimatisierung. „Es ist uns ganz wichtig, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen“, betonte Architekt Johannes Holz am Mittwoch immer wieder. „Denn die Qualität der Leistung hängt auch von der Umgebung ab.“ Nach dieser Maxime würde nicht nur der Innenbereich mit Dienst-, Verwaltungs-, Schulungs- und Sozialräumen gestaltet, sondern auch die Fassade des zweigeschossigen Neubaus und die Außenanlagen. So wird es viel Grün auf dem Grundstück rund um den hellen, L-förmigen Baukörper geben. Das Verblendmauerwerk soll zudem die Verlässlichkeit und Beständigkeit der Leitstelle nach außen symbolisieren.
An der Planung sind unzählige Fachleute beteiligt. Zu den Bauamtsmitarbeitern des Kreises und den Architekten gesellen sich unter anderem eine Spezialfirma für Leitstellen-Technik sowie nicht zuletzt die Mitarbeiter selbst. In mehreren Workshops konnten sie sich beteiligen, ihre Vorstellungen einbringen und Verbesserungsvorschläge machen.
Ein eminent wichtiger Punkt bei einem solchen High-Tech-Gebäude ist die Energieversorgung. „Der Stromverbrauch wird immens hoch sein“, sagt Ausschussvorsitzender Gerstand. Deshalb bekommt die Rettungsleitstelle eine riesige Solaranlage (etwa 500 Quadratmeter) aufs Dach, vermutlich mit einer Leistung von 90 Kilowatt peak (kwp). Der erzeugte Strom wird von der Leitstelle komplett selbst verbraucht.
Er wird aber nicht ausreichen, es muss weitere Energie von außen zugeführt werden. Da trifft es sich gut, dass die Vereinigten Stadtwerke (VSG) in unmittelbarer Nachbarschaft einen Neubau planen. Eventuelle Kooperationsmöglichkeiten werden seit geraumer Zeit ausgelotet, allerdings wird die VSG erst später mit ihrem Bau beginnen.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die Sicherheit. „112 muss immer funktionieren“, bringt es Architekt Holz auf den Punkt. „Da die Funktion der Leitstelle einen kritischen Bereich der öffentlichen Sicherheit abbildet, sind Maßnahmen zum Schutz vor Vandalismus und Sabotage zwingend erforderlich“, heißt es dazu aus der Kreisverwaltung. Das Grundstück wird eingezäunt und verfügt bereits am Rolltor über eine erste Zutrittskontrolle. Das Gebäude selbst werde in drei Sicherheitsgruppen mit entsprechenden Kontrollen unterteilt. Daneben gibt es natürlich Brand- und Einbruchmeldeanlagen sowie Videoüberwachungen an sensiblen Stellen.
Und sogar für den Fall einer Naturkatastrophe oder eines Anschlags haben die Planer vorgesorgt. Dafür solle die entsprechende Technik in einer anderen Leitstelle in Schleswig-Holstein bereitgehalten werden. So könne für den Fall eines Ausfalls des Standorts Bad Oldesloe sichergestellt werden, dass die Disponenten an einem anderen Standort den Betrieb aufnehmen könnten.