Lübecker Nachrichten 23.09.2020
Pakete rund um die Uhr: Heute um 1.30 Uhr ist das Amazon-Verteilzentrum in Bad Oldesloe an den Start gegangen – 150 Mitarbeiter und 210 Fahrer stellen am Tag Tausende Pakete zu
Von Markus Carstens


Bad Oldesloe. Wer genau hinschaute, konnte es deutlich erkennen: Beim neuen Amazon-Verteilzentrum im Oldesloer Gewerbegebiet an der A 1 herrschte in den vergangenen Tagen reges Treiben. Kein Wunder: Nach nur halbjähriger Bauzeit startet der Betrieb an diesem Mittwoch. Die Verantwortlichen sind sehr aufgeregt, können sich aber auf ein ausgeklügeltes Logistiksystem und gut vorbereitete Mitarbeiter verlassen. Die LN haben sich das im Vorwege erklären lassen.
Am Mittwoch um 1.30 Uhr ist der Startschuss. Dann fahren die ersten 40-Tonner-Lkw an eine der acht großen Rampen, um ihre Ladung abzuliefern: mehrere Tausend Pakete in allen erdenklichen Formen und Größen. Im gesamten Gebäude (12 200 m² Hallenfläche) sowie auch draußen wurde alles auf die Corona-Pandemie ausgerichtet. Die Mitarbeiter müssen am Eingang durch einen Fieberscanner und anschließend einem strengen Einbahn-System folgen. Blaue Pfeile auf dem Boden kennzeichnen die Wege. Dazu gibt es überall Trennwände, nicht nur in der Halle, sondern auch in der Kantine.
150 Mitarbeiter hat Amazon Logistics eingestellt, darunter auch viele ungelernte Kräfte für die Sortierung. Das Personal zu finden sei gar nicht schwierig gewesen, sagt Sprecher Manuel Lesch beim LN-Besuch. „Überall, wo Amazon auftaucht, gehen gleich viele Bewerbungen aus der jeweiligen Region ein.“ Gezahlt werde ein Stundenlohn von 11,71 Euro. In der Nacht gebe es einen 30-prozentigen Zuschlag. Zur Belegschaft kommen 210 Fahrer, die aber nicht bei Amazon Logistics angestellt sind, sondern bei Lieferpartnern mit zum Teil eigenen Fahrzeugen. Im Einsatz sind sie ab dem Vormittag.
Vorher in der Nacht rechnet Tim Schneider mit zwei bis drei Lkw pro Stunde, die die Waren von den großen Logistikzentren anliefern. Der Parkplatz ist bereits seit Wochen hell erleuchtet und wird es auch bleiben. „Wir werden das Licht aber etwas herunterdimmen“, kündigt Schneider an. Anwohner aus dem benachbarten Rethwischfeld hatten sich gemeldet und ihren Unmut geäußert.
Die Pakete aus dem Lkw werden auf Paletten in sogenannte Gaylords gepackt. „Das sind bestimmte Behälter, die einfach so heißen“, erklärt Tim Schneider, der offiziell auch Delivery Station Manager ist. Alles bei Amazon hat englische Bezeichnungen. Nicht nur die mussten die neuen Mitarbeiter lernen, sondern auch die Abläufe richtig trainieren in anderen Verteilzentren. „Alle sind gut vorbereitet und hoch motiviert“, sagt Schneider. Mittlerweile gibt es schon mehr als 25 solcher Amazon-Verteilzentren in Deutschland. Von Bad Oldesloe aus werden auf der sogenannten letzten Meile Kunden zwischen Hamburg und Lübeck/Ostholstein sowie zwischen Plön und Schwerin beliefert.
Im sogenannten Induct-Bereich stehen dann an jedem Förderband jeweils drei Mitarbeiter, um Pakete nach Größe, Gewicht und auch Adresse zu sortieren. Immer dabei ist am Unterarm ein Gerät zum Scannen. „Wir haben einen dynamischen Sortier-Algorithmus“, erklärt Standortleiter Schneider und geht eine Treppe hoch. Denn anders als in anderen Verteilzentren gibt es in Bad Oldesloe eine zweite Ebene. Überall stehen große Buchstaben und Zahlen, am Ende rutschen die Pakete eine Rutsche herunter auf ein weiteres Förderband. Hände sortieren und scannen und packen die Ladung schließlich in bunte Kunststofftaschen.
Für den Laien ist es eine fast magische Welt. „Aber“, sagt Tim Schneider, „wir haben eine Zuverlässigkeitsquote von 99,9 Prozent. Das ist ein robustes System.“ Läuft doch mal etwas verkehrt, leuchten auf wundersame Weise irgendwo Lämpchen auf und weisen auf den Fehler hin.
Bis 9 Uhr am Morgen hat die Nachtschicht auf diese Weise Lieferungen zusammengestellt, die dann mit den Vans zum Verbraucher gebracht werden. Die Touren werden ebenfalls nach Gewicht, Größe und Adressen zusammengestellt, sodass alle Fahrer am Ende etwa die gleiche Zeit unterwegs sein werden. Die Lieferungen werden so verstaut, dass beim Öffnen der Autotür die vorderen Pakete für die ersten Adressen bestimmt sind. Auch die Route werde komplett automatisch berechnet, erklärt Bereichsleiter Philip Brauckhoff.
96 überdachte Ladeplätze gibt es für die 210 Fahrzeuge, bis 12 Uhr sollen alle losgefahren sein. „Wir sind extra nicht in den Hauptverkehrszeiten unterwegs“, sagt Sprecher Manuel Lesch und verweist auf ein Verkehrsgutachten, das die Zunahme des Verkehrs durch Amazon als unbedenklich einstufte. Am Nachmittag kommen die Autos zurück nach Bad Oldesloe und liefern die Pakete ab, die nicht zugestellt werden konnten. Dann beginnt der Dienst der Spätschicht. „Wir garantieren drei Zustellversuche, bieten auch den Service Packstation an“, sagt Schneider.
Amazon selbst hat auf seinem Parkplatz bereits Leerrohre verlegt und will noch in diesem Jahr 80 Ladesäulen für Elektroautos installieren – und dann eben auch E-Autos statt Diesel-Fahrzeuge einsetzen. „Auf längeren Strecken müssen wir aufgrund der Reichweite erstmal weiter mit Verbrennern fahren“, sagt Sprecher Lesch.