Stormarner Tageblatt 18.12.2020
Die Lokalpolitiker in Trittau und Bad Oldesloe sind mehrheitlich für öffentliche Internet-Streams im Notfall
Finn Fischer und Patrick Niemeier
Bad Oldesloe / Trittau / Ahrensburg Welche Macht die sogenannten Internettrolle, Hetzer und rechtsextreme Parteien haben, die Hass im Internet verbreiten, zeigt sich derzeit in Diskussionen rund um mögliche Onlineübertragungen von lokalen politischen Sitzungen. Aus Angst vor möglichen Reaktionen weigert sich Ahrensburger Lokalpolitik jetzt sogar mehrheitlich einer Satzungsänderung zuzustimmen, die die Live-Übertragung von Stadtvertreter- und Ausschusssitzungen ins Internet ermöglicht.
Einen Widerspruch des Bürgermeisters gegen diese Haltung hat die Stadtverordnetenversammlung abgelehnt. Das bedeutet im schlimmsten Fall: Wenn wegen der Pandemie keine Präsenz-Sitzungen mehr abgehalten werden können, ist Ahrensburg politisch handlungsunfähig. Ein weiteres Mal hatte Bürgermeister Michael Sarach darauf hingewiesen, dass der Beschluss nicht bedeuten würde, dass künftig alle Sitzungen ins Internet übertragen werden: „Es geht dabei nur um absolute Ausnahmefälle, wenn Präsenz-Sitzungen nicht mehr möglich sind.“
„Wenn wir dem so stattgeben, sieht das Land nicht, dass wir mit der Übertragung ins Internet ein Problem haben“, sagt Benjamin Stukenberg (Die Grünen). Genauso sieht das die SPD-Fraktion. „Wir müssen uns hier stur stellen und das Land zwingen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Bela Randschau (SPD).
Trittauer Politik stimmt trotz Bedenken zu
Auch in Trittau diskutierte die Gemeindevertretung kontrovers über die Möglichkeit, im Notfall Videositzungen abhalten zu können. Einzelne Gemeindevertreter äußerten die Sorge, dass die Live-Übertragung ins Internet von Populisten missbraucht werden könnte. „Es ist richtig, dass alles mitgeschnitten und damit Schindluder getrieben werden kann“, sagte Detlef Ziemann (Die Grünen). Aber Stadtvertreter seien eben auch Personen des öffentlichen Lebens und „ob das passiert, wird sich dann zeigen.“
Mehrheitlich stimmten die Gemeindevertreter trotz Bedenken für die Satzungsänderung. Auch weil Bürgermeister Oliver Mesch deutlich machte, dass es rechtlich derzeit keine andere Möglichkeit gibt, wenn Gemeindevertretung und Stadtverwaltung im Krisenfall handlungsfähig bleiben wollen. „Man kann das natürliche kritisch betrachten aber es gibt uns die Möglichkeit im Notfall handlungsfähig zu bleiben“, sagte Jens Hoffmann (CDU).
Auch in Bad Oldesloe wird von Teilen der Stadtverordneten befürchtet, dass Redebeiträge mitgeschnitten, aus dem Zusammenhang gerissen und für politische Zwecke missbraucht werden, etwa von Rechtsextremisten. Das bereite Wilfried Janson (Die Grünen) Sorge. Er wolle, dass zumindest eine Sicherheit gegeben werde, dass der Stream nicht mitgeschnitten werden könne und direkt wieder aus dem Netz verschwinde.
Politiker sehen Rechte verletzt
Matthias Rohde (FBO) sieht auch ganz einfach die Persönlichkeitsrechte der Stadtpolitiker und der Verwaltungsmitarbeiter verletzt. Nur wenn die Übertragung im Internet gestrichen werde, werde man überhaupt weiter darüber diskutieren, sagte er. Denn die mögliche Öffentlichkeits-Reichweite im weltweiten Netz sei unverhältnismäßig. Eine Online-Übertragung städtischer Sitzungen sei über das Ziel hinausgeschossen. „Ich glaube nicht, dass manche Leute hier in China im Internet zu sehen sein wollen“, sagte er in Richtung der Verwaltungsmitarbeiter.
„Es ist scheinheilig, wie manche die Diskussion führen. Wir wollen doch sonst alles immer so öffentlich wie möglich machen und nun wird versucht die Öffentlichkeit einzuschränken. Das geht nicht. Ich stimme daher zu“, sagte hingegen Horst Möller (CDU). Auch weitere Stadtvertreter betonten, dass man halt auch ein öffentliches Amt bekleide und diese Situation auch nur eintreten, wenn der Notfall es gebiete. „Die Zeit schreitet voran. In einigen Jahren wird das vermutlich sowieso immer normal sein, dass Sitzungen übertragen werden, mit allen Konsequenzen die das eben dann auch haben kann“, glaubt Hendrik Holtz (Die Linke). Dr. Inga Maria Vosgerau von der FDP betonte, dass man die Öffentlichkeit nicht ausschließen könne und daher diese „Kröte im Notfall zu schlucken ist.“ Tom Winter (Stadtfraktion) sagte, dass es keinen Sinn ergebe, überhaupt ausführlich erneut die Streichung der Internet-Übertragung in Erwägung zu ziehen, denn dann sei die Hauptsatzung nicht mehr gesetzeskonform. Das bestätigte Bürgermeister Jörg Lembke. 22 Oldesloer Stadtverordneten stimmten daher auch für mögliche Internetübertragungen, nur acht waren am Ende der Diskussion noch dagegen. Zwei Lokalpolitiker enthielten sich. Lembkes Kollege in Ahrensburg, Michael Sarach, hat hingegen jetzt genau das Problem, dass die Oldesloer Politiker vermieden. „So wie er jetzt in Ahrensburg abgestimmt ist, verstößt der Beschluss gegen geltendes Recht.“ Die Kommunalaufsicht werde das so nicht genehmigen.