Betrachtungen zum Wochenausklang: Auf die Spitze getrieben…

Stormarner Tageblatt  02.01.2021

Stormarner Wochenschau

Auf die Spitze getrieben…

Tschüs Corona, auf Nimmerwiedersehen!  Karikatur Megi Balzer
Tschüs Corona, auf Nimmerwiedersehen! Karikatur Megi Balzer

Patrick Niemeier, Stephan Poost und Volker Stolten
Anders
Weihnachten im Lockdown war anders. Aber von vielen Seiten hörte man auch, dass es besinnlicher und ruhiger war. Der Stress mit dem eng gestrickten Zeitplan, wann man denn noch alle Verwandten und Nachbarn und Großtante Hermine besuchen kann, war zwangsweise entzerrt und entschleunigt. Natürlich fehlten vielen Familien große Feiern und Singles fehlte die Möglichkeit auszugehen – doch insgesamt hielt auch gefühlt mehr Ruhe Einkehr in ein doch in den vergangenen Jahren immer mehr von Kommerz und Hektik geprägtes Fest. Ein kleiner positiver Nebeneffekt in einer relativ großen Katastrophe.

Coronas Mondfahrt
„Schieß mich doch zum Mond. Lass mich los und sag, das war’s…“, sang schon Swing-Entertainer Roger Cicero ( 2016) in Anlehnung an den Evergreen „Fly me to the Moon“ von Frank Sinatra. Nichts einfacher als das. Zumindest aus Sicht unserer Karikaturistin, die das fiese Virus einfach auf die Rakete spießt und es zum Mond schießt. Besser noch in ein schwarzes Loch, wo, salopp gesagt, dieses „Mikro-Mistvieh“ dann elendig verrecken kann. Letzter Funkspruch von Corona: „Professor Drosten, ich habe ein Problem…“ (jede Ähnlichkeit mit der US-Mondmission Apollo 13 vor 50 Jahren und dem legendären Ausspruch „Houston, wir haben ein Problem…“ wäre rein zufällig).
Ja, wenn es doch nur so einfach wäre. Leider ist es das nicht. Das Virus wird uns auch im neuen Jahr zusetzen und unter die Haut gehen. Aber – so muss es einfach sein – die Zeit läuft für uns und gegen Corona. Am 4. Januar nimmt das Impfzentrum in Bad Oldesloe den Betrieb auf, die Zentren in Reinbek und Großhansdorf folgen. Dann wird dem Virus hoffentlich nach und nach der Garaus gemacht. Daumen drücken! Möge die Macht des Impfstoffs mit uns und die Pandemie in naher Zukunft Geschichte sein. In diesem Sinne allen Leserinnen und Lesern ein gutes, ein besseres neues Jahr!

Mangel
Ist das schon der viel zitierte Fachkräftemangel? Die Arbeitsagentur vermeldet einen Bewerbungsrückgang für die klassische Ausbildung. Die Industrie- und Handelskammer spricht von rund zehn Prozent weniger Ausbildungsverträgen. Sicher, Corona ist ein Punkt, warum die Zahl der Bewerber sich verringert. Weniger Ausbildungsmessen, schlechtere Möglichkeiten, sich zu informieren sind sicherlich Gründe. Auf der anderen Seite muss die klassische Ausbildung im Handwerk, der Industrie oder im Handel mit vielen anderen Ausbildungen konkurrieren. Über 20.000 Studiengänge soll es in Deutschland geben, jeder zweite machte heute schon Abitur. Dazu Schulabgänger, die sich längst nicht mehr mit den herkömmlichen Ausbildungen begnügen. Ein Mangel an Bewerbern heißt am Ende nur, dass eine Ausbildung nicht attraktiv ist, sei es aufgrund schlechter Bezahlung oder ungünstiger Arbeitszeiten. Hier müssen die Unternehmen ansetzen, um auch in Zukunft gute Auszubildende zu haben.

Was bleibt?
Corona bestimmte das Jahr, auch in Stormarn. Doch was wird im Endeffekt hängenbleiben? Lernen wir daraus? Das solidarische Gefühl der ersten Wochen wich schon bald immer mehr Egoismen. Teilweise mag man sich das noch nicht eingestehen und Sand wird in die Augen gestreut, wenn online irgendwer jemandem anbietet, den Einkauf zu übernehmen. Wenn man sich das Verhalten von manchen Menschen im zweiten Shutdown anschaut, die ihre Rücksichtslosigkeit mit „Corona-Müdigkeit“ begründen, stellt sich schon die Frage, was gesellschaftlich passiert, wenn ein noch größeres Problem über das Land oder die Welt kommen sollte. Was wird dann die Oberhand behalten: Solidarität, Verantwortungsbewusstsein, Rücksicht oder Egoismus?

Schlechter Film
Wenn 2020 ein Hollywood-Streifen wäre, es würde keinen Preis gewinnen. Zu viel, würden die Kritiker rufen? Das sei doch alles übertrieben und so viel würde in einem Jahr nicht passieren. Wir haben 2020 viel erlebt und es gibt auch nach dieser Pandemie gefühlte 99 weitere Herausforderungen und Aufgaben. 2020 brachte nicht nur Covid-19, sondern die Diskussion über den Klimawandel ging weiter, ebenso trat struktureller und Alltags-Rassismus nicht nur in Amerika, sondern auch hier deutlich zu Tage. Viele Probleme sind scheinbar unter Corona begraben worden, aber sie schlummern nur unter der Decke dieser akuten Herausforderung und bleiben die großen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Denn leider ist das alles kein schlechtes Drehbuch, sondern Realität.

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