Betrachtungen zum Wochenausklang: Perspektiven und Wahrnehmungen

Stormarner Tageblatt  20.02.2021

Stormarner Wochenschau

Perspektiven und Wahrnehmungen

Licht- und Schattenspiele in Stormarn: Aufforstung in Reinbek, Abholzung in Bargteheide.megi balzer
Licht- und Schattenspiele in Stormarn: Aufforstung in Reinbek, Abholzung in Bargteheide.megi balzer

Patrick Niemeier, Stephan Poost und Volker Stolten
Blindflug
Zahlen ordnen die Welt. Auch und gerade in Corona-Zeiten. Wie ist die Inzidenz in Bayern, warum steigt sie in Sachsen? Wie viele Menschen sterben täglich? Die Antworten auf diese Fragen bestehen aus Zahlen, die uns helfen, die Krise einzuordnen. Manchmal sind die Zahlen verfügbar, werden aber zurückgehalten. So wie es der Kreis Stormarn tut, der genau weiß, in welchen Städten und Gemeinden Corona-Fälle auftreten und vor allem auch wie viele. Er gibt die Zahlen jedoch nicht heraus. Zumindest nicht an die Öffentlichkeit.
Die Politik, die Verwaltungen, die Bürgermeister bekommen die Zahlen, dem Bürger werden sie vorenthalten, der Bürger wird fast schon entmündigt. Lieber Landrat, lieber Dr. Henning Görtz, wenn der Stormarner nicht im Blindflug durch die Krise fliegen soll, braucht er Informationen. Und zwar, alle Infos, die vorhanden sind!Ansonsten füttert man auch nur die Kanäle der Verschwörungsschwurbler und erweckt den Eindruck, dass die Zahlen viel schrecklicher und geheimnisumwobener sind, als sie es tatsächlich sein können.

Kontrastprogramm
In Bargteheide Flop, in Reinbek top. Während in Bargteheide unzählige Bäume auf einer Fläche von 3500 Quadratmetern unter dubiosen Umständen dem Erdboden gleichgemacht werden und für negative Schlagzeilen sorgen, werden in Reinbek in naher Zukunft 2200 neue Bäume aus dem Boden wachsen und der Wald auf einer Fläche von 4400 Quadratmetern aufgepäppelt, was für positive Schlagzeilen sorgt.
Während in Bargteheide Naturschützer und Waldfreunde die Hände über den Kopf zusammenschlagen, schlagen die sich in Reinbek ob der guten Botschaft begeistert auf die Schenkel und freuen sich über die Allianz aus Stadt, Landwirtschaftskammer und Forstbehörde, die den Wald für die Zukunft wappnen und widerstandsfähiger machen wollen. Hier hilft man sich, arbeitet Hand in Hand und zusammen. In Bargteheide schlägt man die Hand aus, arbeitet gegeneinander, leider!
Was sagt uns das? Dass das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ nicht immer ins Schwarze trifft. Manchmal reicht einer…

Die Ignoranz
Immer mehr Bürger scheinen sich nur noch auf Rücksicht und Vernunft zu besinnen, wenn drastische Strafen drohen. Als in der vergangenen Woche zahlreiche Feuerwehren, die DLRG und weitere Rettungsorganisationen dazu aufriefen, Eisflächen nicht zu betreten, wurden diese Warnungen in den Wind geschlagen. Ja, das Wetter war gut und ja, es lockte nach draußen. Aber es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass die Warnung der Leute, die vor Wochen und Monaten recht absurd von Balkonen beklatscht wurden, eben nicht mehr ganz so ehrwüdige „Helden“ sind, wenn sie Warnungen aussprechen. Wenn man nachfragte auf den Eisflächen, hieß es, dass man wohl noch selbst entscheiden könne, welches Risiko man eingehe. Spannend wäre das natürlich in dem Moment, wenn man das damit verbindet, dass jeder der meint das Risiko einzuschätzen, darauf verzichtet, gerettet zu werden, sobald er dann vielleicht doch einbricht. Das wäre auch immer noch eine angemessene Lösung für die Querdenkerfront. Wer auf Impfungen verzichtet und gegen diese wettert, wer sich bei Kundgebungen oder Demonstrationen nicht an Abstände und Maskenpflicht hält, der könnte doch einfach damit einverstanden sein, dass sie oder er im Falle einer Coroan-Erkrankung auf jegliche medizinische Behandlung verzichtet. Wäre es nicht so gefährlich, dass diese Leute dann andere unbewusst anstecken könnten, wäre das dann einfach nur konsequent.

Die Schullüge
Die Schulen und Kindergärten öffnen zum Teil ab Montag wieder. Und Bildungsministerin Karin Prien verkündet in Kiel, dass alle Erzieher und Lehrer wunderbar mitziehen. Tatsächlich ist es eher so, dass ihnen keine Wahl bleibt. Mehrere Lehrer, Schulleiter und Kita–Mitarbeiter haben der Redaktion gegenüber große Sorgen zum Ausdruck gebracht. Manche Eltern erklären, dass sie ihre Kinder nicht in die Schulen schicken werden, solange die Inzidenz nicht weiter sinkt. Doch wie so oft in letzter Zeit fallen diese Bedenken unter den Tisch der öffentlichen Verlautbarungen. Es passt nicht ins Bild. Dieses Vorgehen ist genauso schwierig wie die Aussage, alle Bürger würden wunderbar an den Maßnahmen mitwirken. Wer täglich durch die Städte und Gemeinden geht, sieht, dass das nicht stimmt. Man muss das nicht direkt maßregeln, man muss nicht nach härteren Strafen rufen. Aber die Glaubwürdigkeit der Entscheider sinkt, wenn sie Kritik und Probleme einfach in PR-Sprache ausblenden.

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