„Es ist ein Traum, hier arbeiten zu dürfen“

Stormarner Tageblatt  15.05.2021

Im Hospiz Lebensweg fühlen sich nicht nur die Gäste wohl / Auch das Pflegepersonal und weitere Kräfte sind begeistert

Der Bargteheider Christian Pöhlsen (89, sitzend), hier mit dem Team, ist einer von zwölf Gästen im Hospiz Lebensweg.  Susanne Rohde
Der Bargteheider Christian Pöhlsen (89, sitzend), hier mit dem Team, ist einer von zwölf Gästen im Hospiz Lebensweg. Susanne Rohde

Susanne Rohde
Christian Pöhlsen sitzt auf seiner kleinen Terrasse und genießt die Sonne. „Es ist ein schönes Fleckchen hier, nett und ruhig. Ich gucke den ganzen Tag raus und beobachte die Vögel“, sagt der 89-Jährige. Seit Anfang April ist er Gast im Hospiz Lebensweg im Sandkamp. Ob er seinen 90. Geburtstag noch erleben wird, weiß der Bargteheider nicht, die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering. Denn Christian Pöhlsen ist ins Hospiz gekommen, weil er unheilbar krank ist und bald sterben wird. Doch seinen Humor hat er sich bewahrt. Schließlich fühlt er sich sehr wohl in seinem Apartment und das Essen ist lecker. Nur schade, dass er aufgrund seiner Erkrankung kaum noch etwas essen kann.
„Hier gibt es alles, was das Herz begehrt, aber am liebsten trinke ich stilles Wasser“, erzählt der betagte Gast. Das war bei einer alten Dame, die hier inzwischen verstarb, ganz anders. Sie hat am liebsten Baileys getrunken. Der irische Sahnelikör ist sehr beliebt bei den Gästen im Hospiz, ebenso wie knackige Bratkartoffeln. Christian Pöhlsen schätzt aber auch, dass man selbst um Mitternacht noch das Personal rufen kann und dass Besuche eigentlich immer möglich sind. „Wer möchte, bekommt zum Frühstück auch eine Spargelcremesuppe serviert. Wir versuchen, möglichst alle Wünsche zu erfüllen, auch ausgefallene“, sagt Karin Heib, die hier seit der Eröffnung des Hospizes vor einem Jahr als Hauswirtschaftsleiterin arbeitet. Und dieser „Job“ ist sehr anspruchsvoll.
Ob Wäsche, Küchenbetrieb, Veranstaltungen oder Hausmeisterdienste – Karin Heib kümmert sich um alles, auch um die vielen Ehrenamtler, die sich im Hospiz gerne engagieren möchten. Das ist jetzt in Pandemiezeiten natürlich nicht immer möglich, aber ein Team kümmert sich immerhin um die Außenanlagen. Andere Ehrenamtler haben Patenschaften für die Hospiz-Alpakas übernommen, versorgen die Tiere und gehen sogar mit ihnen spazieren. Die drei wuscheligen Hengste, die zur Familie der Kamele gehören, sind natürlich die Lieblinge hier und haben viele Fans. Wer möchte, kann sich von ihnen sogar im Zimmer besuchen lassen. „Unsere Jungs sind gerade in Frühlingsstimmung und schaffen es tatsächlich, mit allen Vieren gleichzeitig in die Höhe zu springen“, erzählt Sabine Tiedtke, Geschäftsführerin des Hospizes Lebensweg. Der weißgraue Hengst Cremchen ist hier auf der Weide gleich neben dem Hospiz der Chef. „Manchmal patrouilliert er auch die Zimmer und guckt, wer im Bett liegt“, erzählt Sabine Tiedtke.
Auch Birgit Müller, deren Mutter vor einiger Zeit hier im Hospiz verstarb, ist völlig begeistert von der herzlichen Atmosphäre und der bewegenden Ausstrahlung des Hauses. Sie begleitete ihre Mutter im Hospiz beim Sterben. „Es war ein Bilderbuchabschied für alle. Ich habe hier selbst viel Kraft geschöpft.“ Danach ließ sie ein Gedanke nicht mehr los: „Hier möchte ich arbeiten!“ Sie bewarb sich im Hospiz und tatsächlich konnte ihr Wunsch erfüllt werden, denn seit Anfang April arbeitet die 55-jährige Pölitzerin in der Verwaltung des Hospizes. Genauso begeistert von ihrem Arbeitsplatz – oder besser ihrer Wirkungsstätte – ist Petra Hohmann, die sich als Krankenschwester um die Gäste kümmert. „Ich habe 27 Jahre lang in der Intensivpflege gearbeitet und mich immer gefragt, wo bleibt hier eigentlich der Mensch? Ich war überglücklich, als ich hier die Stelle bekam. Es ist so erfüllend, im Hospiz zu arbeiten. Der Umgang miteinander ist so herzlich, auch wenn ich die meisten Kolleginnen bisher nur mit Maske kenne“, erzählt Petra Hohmann.
So geht es auch Lydia Warfen, die von Anfang an Feuer und Flamme war für die besondere Arbeit im Hospiz. „Im Krankenhaus konnte ich meine Arbeit nicht mehr mit meiner ethischen Überzeugung vereinbaren“, sagt die Intensiv-Krankenschwester: „Der Tod ist ein schwieriges Thema, wir wollen ihn mehr ins Leben holen. Ich komme jeden Tag gerne hierher, denn es ist eine sehr sinnvolle Arbeit.“ Gerne erfüllen die Pflegekräfte auch „letzte Wünsche“ der Gäste, wie ein besonderes Essen, einen Ausflug an die Ostsee oder sie ermöglichen es, dass Pferde hierher gebracht werden, damit sie noch mal gestreichelt werden können. Auch eine orientalische Nacht und ein Oktoberfest wurden schon gefeiert und kleine Konzerte organisiert.
„Es macht uns selbst glücklich, wenn wir sehen, wie glücklich die Menschen hier dann sind“, betont Martina Pries, die seit Anfang des Jahres als Pflegedienstleiterin im Haus arbeitet. „Ich weiß, dass es eine große Herausforderung ist, aber so viel Zeit für die Pflege der sterbenden Menschen und für meine Mitarbeiterinnen zu haben, das ist ein Traum.“

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