Kritik an Oldesloer Dokumentarfilm

Stormarner Tageblatt  19.05.2021

Fehlt dem Film zum Bombenangriff am Ende des Zweiten Weltkriegs die historische Einordnung?

Am 24. April 1945 wurde Bad Oldesloe von den Alliierten angegriffen . Screenshot YouTube Stadt Bad Oldesloe
Am 24. April 1945 wurde Bad Oldesloe von den Alliierten angegriffen . Screenshot YouTube Stadt Bad Oldesloe

Patrick Niemeier
Der 24. April 1945 ist einer der dunkelsten Tage der Bad Oldesloer Geschichte. In den letzten Kriegstagen geriet die Stadt verstärkt ins Visier der Alliierten. Ziel eines Luftangriffs war vor allem die Infrastruktur am Bahnhof. Hunderte Oldesloer verloren ihr Leben. Mit dem Bombenangriff beschäftigt sich eine emotionale Dokumentation der Stadt Bad Oldesloe, in der vor allem die ehemalige Stadtarchivarin, Zeitzeugen sowie Bürgermeister Jörg Lembke zu Wort kommen. Es gab viel Lob für den kurzen und professionell erstellten Film, der sich auf das Gedenken an die Oldesloer Kriegsopfer und Zeitzeugenberichte konzentriert. Aber genau an diesem Umstand regt sich jetzt Kritik. Aus Sicht des antifaschistischen Bündnisses Stormarn und Politikern der Linken mangelt es an einer geschichtlichen Gesamteinordnung.
So fehle die klare Aussage, dass der Angriff der Alliierten das Ergebnis des Handelns der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gewesen sei. Das nationalsozialistische Regime habe den selbst entfachten Krieg zudem auch dann noch fortgeführt, als die Niederlage längst besiegelt war. „Wer von Bombenangriffen auf deutsche Städte spricht, darf zum Vernichtungskrieg der Deutschen nicht schweigen“, sagt Merle Fischer vom Bündnis. „Obwohl der Nationalsozialismus den historischen Kontext darstellt, in dem die Bombardierung der Stadt betrachtet werden muss, wird dieser viel zu oberflächlich behandelt“, führt Fischer aus. Ohne gutes geschichtliches Hintergrundwissen könne bei Zuschauern schnell der falsche Eindruck der „bösen Alliierten“ entstehen, die die „guten Oldesloer“ an einem schönen Frühlingstag angegriffen hätten.
„Am Ende des Films ist zwar von ,dem Regime‘ die Rede, dass diesen Krieg verursacht habe, allerdings wird der Nationalsozialismus nicht ein einziges Mal richtig beim Namen genannt“, führt Fischer weiter aus. Der Film müsse dementsprechend erweitert und geändert werden. „Obwohl wir es grundsätzlich begrüßen, dass sich ein Dokumentarfilm mit der Vergangenheit Bad Oldesloes auseinandersetzt, halten wir den jüngst veröffentlichten Film für unzulänglich und die darin praktizierte Form des Gedenkens für gefährlich“, kritisiert Fischer.
Der Stadtverordnete der Linken, Hendrik Holtz, schließt sich der Kritik an. Holtz, der auch historische Stadtführungen in Bad Oldesloe durchführt, erinnert daran, dass Erinnerungskultur immer vielschichtig sein müsse. Um Ereignisse verstehen und einordnen zu können brauche es ein größeres und umfangreicheres Bild, als es der kurze Film bieten könne. „Besonders hervorzuheben wäre dabei eigentlich die Anwesenheit von Militär zum Zeitpunkt des Bombenangriffs in Bad Oldesloe. Dazu gehörte der Bahnhof an sich als Ziel der Angriffe, über den laufend Militärtransporte rollten. Es fehlt auch der Hinweis auf die geschehenen Kriegsverbrechen in der Endphase des Krieges hier in der Region wie die Todesmärsche und dergleichen“, sagt Holtz.
Es komme auch aus seiner Sicht zu kurz, dass klar sein müsse, dass es sich bei dem Bombenangriff nicht um „Terror“ gehandelt habe, sondern um das direkte Ergebnis des Kriegshandelns der Deutschen. „Ein einseitiges Gedenken und das Erschaffen von Opfermythen lehnen wir ganz entschieden ab“, sagt Holtz. Bürgermeister Jörg Lembke zeigt Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die sich eine detailliertere Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus‘ wünschen. Daran beteiligte sich gerade die Stadt Bad Oldesloe auch sehr rege. „Wie wichtig uns diese Aufarbeitung ist, zeigt aus meiner Sicht das gerade im Auftrag der Stadt erarbeitete und jüngst erschienene Buch unserer ehemaligen Archivarin Dr. Zander, das auf 648 Seiten den Blick auf die Weimarer Republik und das Dritte Reich richtet und genau hier den Gesamtüberblick bietet“, sagt der Verwaltungschef. Die Rolle des Films sei aber ganz klar eben keine umfängliche Betrachtung des Kriegsgeschehens. „Es war nicht die Aufgabe des Films, eine komplexe Aufarbeitung der Naziherrschaft während des Dritten Reichs vorzunehmen, stellt Lembke klar. „Es ging vielmehr darum, die wenigen noch lebenden Zeitzeugen mit ihren ganz persönlichen Geschichten und Erinnerungen zu diesem Tag zu Wort kommen zu lassen, und Sie auch elektronisch für nachfolgende Generationen festhalten zu können. Dies ist aus meiner Sicht auch sehr gut gelungen. „Niemand wollte die Bürger Bad Oldesloes in eine „generelle Opferrolle“ bringen, ebenso wenig gehe es in diesem Film aber um Schuldzuweisungen. „Meiner Meinung nach kann und darf man einzelne Ereignisse auch getrennt vom Gesamtzusammenhang darstellen, wenn es, wie in diesem Fall, sachlich und themenbezogen erfolgt“, so Lembke. Es gebe keinerlei Vorwürfe gegen die Alliierten und auch keinen Versuch der Reinwaschung der deutschen Bevölkerung. Natürlich könnten Zuschauer auch anderer Meinung sein und diese auch äußern. Man nehme die Kritik gerne an.

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