Stormarner Tageblatt 28.05.2021
Das lange erwartete neue Verkehrskonzept für die Stormarner Kreisstadt nimmt Fahrt auf
Patrick Niemeier
Kleine Diskussion – große Wirkung. Eigentlich ging es vor mittlerweile über zwei Jahren nur darum, dass die Oldesloer Hagenstraße aus verkehrsrechtlichen Gründen keine Spielstraße mehr bleiben könne und außerdem saniert werden muss. Doch in der zum Teil sehr hitzigen Diskussion zeigte sich schnell, dass es sehr viel Redebedarf gab. Und da in der Vergangenheit zu oft eher kleinteilig bei Planungen gedacht wurde, kam ein immer lauter werdender Ruf nach einem großen Verkehrskonzept für die Kreisstadt auf, das schließlich mehrheitlich auf den Weg gebracht wurde. Der bisher aktuelle Verkehrsentwicklungsplan ist auch tatsächlich schon zehn Jahre alt. Ein Jahrzehnt, in dem sich sehr viel in Sachen Mobilität getan hat – und das nicht erst seit „Fridays for future“. Die Klimaschutzbewegung beschleunigte die Diskussionen zur Mobilitätswende aber zuletzt.
Seit dem Beschluss ist eine ganze Weile vergangen und eine Corona-Pandemie ausgebrochen. Mittlerweile sind in der Hagenstraße bereits Fakten geschaffen worden: Die heiß diskutierte Spielstraße ist bereits Vergangenheit und eine Tempo-10-Zone mit Zebrastreifen eingerichtet worden. Das Verkehrsgutachten für die gesamte Kreisstadt kommt natürlich trotzdem. Grundlage für Planungsmodelle soll dafür eine umfangreiche Verkehrszählung sein. Diese sollte eigentlich schon im April über die Bühne – oder besser über die Straßen – gehen, wurde dann aber mit Blick auf den Shutdown verschoben. Denn natürlich waren zu diesem Zeitpunkt deutlich weniger Verkehrsteilnehmer als sonst unterwegs.
Stichtag ist nun der 10. Juni. An diesem Tag werden an den großen Kreuzungen und Straßen in der Stadt sowie an einigen oft kritisierten Punkten mit hohem Verkehrsaufkommen Kameras installiert, um die Fahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer zu zählen. Das geschieht alles hochmodern. „Die Verkehrszählungen dienen einerseits der Erfassung der derzeitigen Verkehrsstärken und andererseits der Ermittlung des Durchgangsverkehrs“, sagt Jürgen Baumann aus der Stadtverwaltung. Die Verkehrsstärke werde an zehn Einmündungen und Kreuzungen erfasst. Dazu werden Videoaufnahmen eingesetzt. „Im Fokus der anschließenden Auswertung steht die Analyse des Pkw- und Lkw-Verkehrs sowie des querenden Rad- und Fußverkehrs“, erklärt Baumann.
Zusätzlich kommen 17 Zählstellen mit kameragestützten Systemen zum Einsatz, die alle vorbeifahrenden Fahrzeuge erfassen können und diese auch direkt in die Kategorie Pkw, Lieferwagen, Lkw oder Lkw mit Anhänger einordnen können. Ziel dieser Erfassungen sei es, Fahrtrouten rekonstruieren zu können. In Sachen Datenschutz müssen sich aber Autofahrer auch am 10. Juni keine Sorgen machen, wenn sie durch die Stormarner Kreisstadt fahren. Denn die Nummernschilder werden pseudonymisiert. Das bedeutet, dass sie gepixelt und durch eine Art Hashtag-Code ersetzt werden. So kann ein Fahrzeug zwar an anderen Stellen im Ort sozusagen wiedergefunden werden, aber es ist nicht feststellbar, welches Nummernschild das Fahrzeug hat oder auf wen es zugelassen ist.
Bürgermeister Jörg Lembke betont auch, dass sich keine Oldesloer melden müssen, weil sie glauben, an diesen Tagen an den Kreuzungen gefilmt worden zu sein. „Das ist alles geklärt und so zulässig“, sagt der Verwaltungschef. Baumann ergänzt, dass auch Personen im Inneren der Fahrzeuge auf den Aufzeichnungen nicht zu erkennen sein werden. Er sei nun gespannt, was die Ergebnisse mit sich bringen werden. Hat sich der Verkehr in den vergangenen zehn Jahren so verändert, wie man es erwarten dürfte? Ist der Zob in der Hagenstraße noch zeitgemäß? Sind gefühlte Knotenpunkte tatsächlich auch solche? Sind Bereiche tatsächlich schon an der Grenze ihrer Auslastung? Der Bürgermeister ist zum Beispiel gespannt auf die tatsächliche Anzahl der Busse, die durch die Hagenstraße fahren. „Ich merke es immer, dass hier ein Kaffeebecher wackelt, wenn ein Bus vorbeifährt. Und der Kaffeebecher wackelt ziemlich oft“, sagt Lembke.
Mit den Modellen, die sich aus den erhobenen Kameradaten errechnen lassen, sind dann quasi Experimente digitaler Form möglich. So lasse sich berechnen, wie sich zukünftige Wohn- oder Gewerbegebiete auswirken könnten oder wie sich der Verkehr bei einer Verstärkung oder Verringerung des Lkw-Verkehrs verhalten würde. Ziel sei es natürlich auch, den ÖPNV noch besser zu gestalten. Das gesamte Verkehrskonzept gehört mit in die Kampagne „Bad Oldesloe 2.0“, mit dem sich die Kreisstadt inklusive Innenstadt-Gutachten, Einzelhandelskonzept und eben Verkehrskonzept für die Zukunft aufstellen möchte.