Stormarner Wochenschau: Denkwürdig

Stormarner Tageblatt  29.05.2021

Denkwürdig

Karikatur Megi Balzer
Karikatur Megi Balzer

Patrick Niemeier und Guido Behsen

Weisheiten
„Wir wollen mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen des Fußballs holen. Dann dürfen wir sie auf dem Platz nicht ausschließen.“ So begründet Günter Distelrath, Präsident des niedersächsischen Fußballverbandes, seinen Vorstoß für gemischte Frauen- und Männerteams nach niederländischem Vorbild. Aber schon Adi Preißler wusste in den 1950er-Jahren: „Grau ist alle Theorie, entscheidend is‘ aufm Platz.“ Und dort, da sind sich Stormarns Fußballerinnen und Fußballer weitgehend einig, würde die reine körperliche Überlegenheit der Männer der schönen Idee von der Mixed-Elf schnell den Zauber nehmen. Im schlimmsten Fall würde sogar das Gegenteil von dem eintreten, was man sich erhofft, sprich: Dominanz des sogenannten starken Geschlechts statt sportlicher Gleichberechtigung, Fußballfrust statt Spielfreude.
„Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, Männer und Frauen gegeneinander boxen zu lassen“, zieht Michael Clausen, der den FFC Oldesloe als Trainer bis in die 2. Frauen-Bundesliga führte, einen schlagkräftigen Vergleich. Der Spruch hat vielleicht nicht das Zeug zur geflügelten Sport-Weisheit wie einst die Aussage von Adi Preißler. Treffend ist er allemal.

Andenken
Schockierender als der Vorstoß für gemischte Fußballteams war für Sportler in der Kreisstadt in diesen Tagen allerdings, dass die komplette Überplanung der Stormarnhalle, die seit Jahren gefordert wird, vermutlich zu den Akten gelegt werden muss. Denn – und das war an der Stadtverwaltung vorbeigegangen – die Stormarnhalle steht quasi unter Denkmalschutz. Quasi in diesem Fall, weil bisher nur das Verfahren eröffnet wurde, sie unter Denkmalschutz zu stellen, was aber zunächst denselben Effekt hat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Architekt der Halle, Volkwin Marg, auf Einladung der Stadt die Halle besichtigte und laut Bürgermeister Jörg Lembke sehr angetan von seinem Werk aus dem 1960er Jahren zu sein schien. Kurzum: Umfangreichen Umbauten oder gar Teilabrissen erteilte er wohl eine ziemlich deutliche Absage. Das steht ihm im Sinne des Urheberrechts übrigens auch zu. Nun wird die Stadt sich überlegen müssen, was sie aus ihrem neuen Denkmal macht. Tatsächlich könnte man vielleicht eine Infotafel anbringen. Denn Marg ist ein echter Star-Architekt. Unter anderem war er für den Umbau des Berliner Olympiastadions und für den Bau der Berliner Flughafens Tegel mit verantwortlich. Auch im Hanse-Viertel Hamburg und beim Sportzentrum der Uni Kiel hinterließ er seine architektonischen Spuren.

Sichtweisen
Die Inzidenzzahlen fallen, die Impfquote steigt – ein Ende der Corona-Pandemie scheint in greifbare Nähe zu rücken. Das bedeutet Erleichterung für viele Branchen und natürlich auch für individuelle Menschen. Hier und da fühlt man sich als fast schon hypochondrischer Mahner und Warner, wenn man darauf hinweist, dass das Ganze noch nicht vorbei ist. Noch immer infizieren sich Menschen, noch immer erkranken Menschen und leider sterben auch immer noch Menschen. Und daher sollte man auf den letzten Metern dieses Pandemie-Marathons nicht die Nerven verlieren. Es ist halt keine Frage, ob man Lust darauf hat eine Maske zu tragen, wenn es in einem bestimmten Bereich Pflicht ist, sondern es ist aktuell noch eine Regel. Und selbst wenn man die vielleicht überflüssig oder hier und da manche Abstandsregeln anstrengend findet, kann sich zumindest aus Rücksicht einfach noch ein wenig daran gehalten werden. Natürlich muss sich dabei niemand als Hobby-Sheriff aufspielen und die Polizei rufen, sobald man der Meinung ist, statt zehn hätten sich gerade elf Personen getroffen. Gleichzeitig funktioniert es auch nicht – wie hier und da eingefordert – dass bei Jugendlichen alle verfügbaren Augen möglichst komplett zugedrückt werden. Die Geschichte von der Jugend, die ihre Jugend verloren hat, wird vor allem auch durch das dauerhafte Nacherzählen dieses Narrativs erneut gestärkt, aber nicht wahrer. Manche Jugendliche haben die Krise sogar besser weggesteckt, als viele Erwachsene. Anderen macht sie tatsächlich schwer zu schaffen. Es gibt halt keine Pauschalurteile, die für alle Menschen gelten. Das galt vor der Pandemie und das gilt eben auch auf der vermeintlichen finalen Kurve der Pandemie. Denn genauso stimmt es nicht, dass alle Welt nur darauf wartet, dass es „endlich wieder losgeht“. So mancher Mensch lebte nämlich ganz gut mit der unfreiwilligen Entschleunigung, dem verringerten Gruppendruck irgendwas unternehmen zu müssen und wenn das Sterben, die finanziellen Schäden und schweren Erkrankungen nicht wären, gebe es auch Menschen, die noch ein paar Monate Shutdown durchaus genossen hätten. Denn die Ausrede „Geht nicht, ist ja Pandemie“, fällt so langsam weg.

Dieser Beitrag wurde unter Presseartikel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.