Stormarner Wochenschau: Hauptsache erstmal gar nichts

Stormarner Tageblatt  31.07.2021

Hauptsache erstmal gar nichts

Ein Wort mit x, wir wollen nix.                                   Karikatur: Megi Balzer
Ein Wort mit x, wir wollen nix. Karikatur: Megi Balzer

Patrick Niemeier und Volker Stolten

Erzählungen
Ist der Höhepunkt der Impfbereitschaft überschritten? In Stormarn gibt es diese Befürchtung, weshalb der Landrat und einige Mediziner erneut dazu aufrufen, die Impfangebote unbedingt zu nutzen. Es wirkt irgendwie geradezu arrogant, dass manche Menschen davor zurückschrecken, überhaupt über das Impfen zu diskutieren, weil das ja schon eine Gängelung sei, während in anderen Ländern händeringend auf Impfstoff gewartet wird. Und was machen wir in unseren Breitengraden? Kaum die erste Impfung drin, geht es für manche zum albernen Pauschalurlaub auf Mallorca oder zum Besäufnis im Park.
Also wenn das die „Normalität“ ist , für die sich alle zusammenreißen sollten und für die viele Menschen wirklich enorm viel zurückgesteckt haben, dann gebt mal ganz schnell den Shutdown wieder zurück. Erste Impfgegner feiern sich, glauben sie doch, dass sie einen Anteil an der Impfskepsis haben. Allerdings scheint dem nicht so zu sein. Denn ein Großteil der Proteste mit esoterischen Reden und Fake-News ist für die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor wie ein absurdes Schauspiel. Ernst nimmt die Eso-Schwubler – abseits ihrer Filterblase in und um sie sich drehen – im Prinzip niemand. Der Scheinwerfer wird trotzdem noch häufig auf diese Minderheit gerichtet, die es zumindest versteht, sich zu inszenieren.
Im Prinzip werden diese Personenkreise geadelt, wenn man sie als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Impliziert es doch, dass es dabei um ernsthaft zu diskutierende Theorien und nicht nur um Fantasien ginge. Sie bieten aber zumeist, wie unsere Karikaturistin zeigt, keine alternativen Vorschläge, außer eben gar keine Maßnahmen. Also nennen wir es eher fantasievolle Verschwörungserzählungen.
Oft sind die Anhänger solcher Erzählungen Menschen, die sich zuvor schon ungerecht von „denen da oben“ behandelt fühlten, die sich ausgeschlossen fühlen und sich zum Teil sogar durchaus sozial engagierten. Viele denken sicherlich auch wirklich, dass sie einer guten Sache dienen, während sie die Menschen im Prinzip zu unsolidarischen Haltungen aufrufen und die Gesellschaft spalten. Vielleicht erkennen sie ihre egozentrische Sicht auf die Dinge gar nicht, mit der sie sich die Welt erklären wollen.
Dass die seit Jahren neben der Spur laufende Nena sich da einreiht, wundert dann auch wieder nicht. Sie ist eine der privilegierten Musikerinnen, die große Auftritte spielen darf – gibt sich allerdings auf der Bühne als verwirrte Corona-Maßnahmen-Rebellin und erntet Applaus von den Verschwörungserzählern.
Insgesamt hat sie damit der Musik- und Veranstaltungsszene einen Bärendienst erwiesen. Denn es sind nun einmal Hygienekonzepte, die die Events erst ermöglichen, mit denen auch sie ihr Geld verdient. Und an der Stelle spannt sich der Bogen, denn die Verschwörungserzähler von der Youtube-Uni und der Schwurblerfront werden durch die solidarischen und sozialen Mitmenschen genau wie Nena im Elfenbeinturm nicht mehr zu überzeugen sein. Natürlich können und dürfen die Schwurbler und Nena ihre Meinung sagen und das zeigt ja auch, wie tolerant eine Demokratie tatsächlich im Zweifelsfall ist, für eine echte Diskussion sind sie verloren.
Schön wäre es hingegen, wenn hoffentlich nicht komplett beratungsresistente Eltern, die nach Solidarität für ihre Schulkinder rufen, verstehen, dass ihre größte Solidarität nicht ist, unvernünftig auf ein Ende der Maskenpflicht zu pochen, sondern sich impfen zu lassen und einfach die niedrigschwellig gewordenen Hygiene-Regeln einzuhalten. Das ist nicht schwer…

Baum fällt! Aber warum?
Was ist da passiert – in der Nacht- und Nebelaktion im November 2020? Am nächsten Morgen war am Bargteheider Bornberg nichts mehr wie es war. 150 Bäume „geköpft“ – abgeholzt, vernichtet, Totholz. Nach dem ersten Schock fragte man sich: Warum? Wofür? Wer profitiert von dieser eigenmächtigen Aktion der Stadt Bargteheide? Der Schrecken ist vergangen, die Fragen sind geblieben. Nichts Genaues weiß man nicht.
Angeblich soll es sich laut Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht um Pflegemaßnahmen und den Erhalt der Verkehrssicherheit gehandelt haben. Doch es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn tatsächlich alle 150 Bäume derart krank waren, dass sie gefällt werden mussten. Wo ist der fachmännische Beleg, der den Kahlschlag rechtfertigt?
Nun muss Schadensbegrenzung betrieben werden: Die Stadt forstet auf und zahlt eventuell ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Wenn’s weiter nichts ist? Doch: Ist es! Wenn die für den Holz-Murks zwischen Bornberg und Südring verantwortliche Person oder verantwortlichen Personen nicht zur Verantwortung gezogen wird oder werden, sondern der Steuerzahler am Ende wieder der Dumme ist. An anderer Stelle werden wichtige Projekte gekippt, weil das Geld fehlt. Und in diesem Fall…?
Ein nebulöser Fall, der hoffentlich noch einen erhellenden Schlusspunkt hat. Wenn nicht, wünschten wohl nicht wenige einen Untersuchungsausschuss, der mehr Licht ins Dunkel dieser Nachtaktion bringt.

Schwimmen geht baden
Früher war nicht alles besser, Gott bewahre, nein! Aber eine Sache war es zweifelsfrei: Schwimmen. Jeder konnte es zu meiner Kinderzeit (Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre). Mir fällt niemand ein, der den Kopf nicht über Wasser halten konnte. In den Sommerferien waren wir täglich im Schwimmbad und haben das kühle Nass, die Rutsche, den Sprungturm und das Rumalbern geliebt. Gut 50 Jahre später ist nahezu nicht mal jeder zweite Viertklässler des Schwimmens mächtig. Ein Armutszeugnis!
Was ist dazwischen passiert? Eine ganze Menge: Schulschwimmen wurde nach und nach vom Stundenplan verbannt. Gab Wichtigeres! Nach und nach fehlten Lehrkräfte. Die wurden für wichtigere Fächer benötigt. Frei- und Hallenbäder verschwanden zuhauf von der Bildfläche. Zu teuer! Dadurch brachen, klar, die Schwimmzeiten allgemein weg. Und auch Eltern sind schuld an der Misere? Vermutlich für nicht wenige gab und gibt es Wichtigeres, als den Nachwuchs im Wasser auszubilden oder ausbilden zu lassen. Dabei hat sich an der Wichtigkeit, schwimmen zu können, um nicht unterzugehen, auch in über 50 Jahren nichts geändert. Gut, wenn es Menschen, Kommunen, Verwaltungen, Institutionen gibt, die den Ernst der Lage erkennen und zurückrudern. Wie die Gemeinde Trittau jetzt mit sieben zusätzlichen Kinder-Schwimmkursen im schönen Schönaubad. Schnell anmelden! Denn in einigen Jahren ist der Nachwuchs groß und wird im Laufe des Lebens bestimmt mal ins kalte Wasser geschubst. Und dann…?

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