Stormarner Tageblatt 07.08.2021
Streit um Flächennutzung in Oldesloe: Muss für Energiewende die Firmenansiedlung verhindert werden?
Patrick Niemeier
Der Klimawandel schreitet voran, die Energiewende muss kommen, alternative Energiegewinnung gefördert werden und es sollte möglichst jeder Ort etwas dazu beitragen. Auf diese Punkte konnten sich die Mitglieder des Wirtschafts- und Planungsausschuss in Bad Oldesloe einigen. Doch wie genau sieht das in gelebter Lokalpolitik aus? Wenn es über reine Absichtsbekundungen hinausgeht, wird die Sache komplizierter. Konkret entbrannte die Diskussion an einer Entscheidung für oder gegen ein geplantes gemeinsames Gewerbegebiet mit der Gemeinde Rethwisch an der A1. Die Verwaltung wollte sich ein „Go“ – in Form eines Grundsatzbeschluss -der Lokalpolitik holen, dieses Projekt weiterzuverfolgen.
Hoher Flächenbedarf und viel Verkehr
Hintergrund: Überregionale Firmen könnten wegen des großen Flächenbedarfs und des zu erwartenden starken Verkehrs nicht siedlungsnah angesiedelt werden. Ein großes Gewerbegebiet an der A1 schien, auch im Hinblick auf den Fehmarn-Belt, die Lösung. Doch dieser Vorstoß erfuhr aus Richtung der Grünen viel Gegenwind. Wilfried Janson (Foto) hatte nämlich festgestellt, dass die entsprechende Fläche nur eine von zwei in der Kreisstadt ist, in denen auch großflächige Solar-Thermik-Anlagen entstehen könnten. Da diese aus Sicht Jansons in Zukunft für die Wärmerzeugung unverzichtbar seien, könne dort kein Gewerbe entstehen. Denn schon bald werde die Stadt in die Situation geraten, sich überlegen zu müssen, wie sie ihre Haushalte mit Fernwärme versorgt. Fossile Brennstoffe müssten und werden immer weiter in den Hintergrund treten.
Jens Wieck (CDU) meldete aber grundsätzliche Bedenken an. „Wir diskutieren hier über eine Gewerbegebiet mit Rethwisch, ohne dass Rethwisch mit am Tisch sitzt. Auch kleine Orte haben einen Recht sich zu entwickeln. Darüber können wir nicht entscheiden“, sagte der Christdemokrat, der auch deutlich machte, dass nur ein kleiner Bereich des Bereichs auf Bad Oldesloer Gebiet liege. „Generell hat es einen Charme, was die Grünen planen, aber vielleicht gibt es dafür alternative Flächen oder eine Teilung ist möglich“, sagte Andreas Lehmann (fraktionslos).
Er wies auch darauf hin, dass es neue Gewerbeflächen brauche, um Geld in die klamme Stadtkasse zu spülen. „Es gibt nicht viele Möglichkeiten für die Stadt, um Einnahmen zu generieren, die Gewerbesteuer ist eine davon“, sagte Lehmann. Auch die Stadtfraktion und die FDP hatten Sympathien für das Projekt der Grünen. Zugleich gebe es aber auch noch eine Reihe Fragezeichen. So empfand die FDP die Ausführungen in Jansons Antrag „wischi-waschi“ und nicht eindeutig genug.
Probleme wurden auch darin gesehen, dass das Gebiet jenseitig der A1 liege und somit die Fernwärme unter der Autobahn hindurch transportiert werden müsse. Annika Dietl (SPD) wies auch darauf hin, dass die Stadt keine weiteren Logistiker oder womöglich einen Autohof in der Stadt haben wolle. Auch das müsse man bedenken. Die Stadtverwaltung betonte zudem, dass das mögliche Gewerbegebiet beim Land nur mit einer Priorität drei versehen worden sei. Das mache eine tatsächliche Realisierung unsicher.
„Wer nach den aktuellen Geschehnissen in Ahrweiler, aber auch durch Urteile des Bundesgerichtshofs nicht verstanden hat, dass wir etwas tun müssen, hat den Schuss nicht gehört“, wurde Hartmut Jokisch (Die Grünen) deutlich. Und dass etwas passieren müsse, darin stimmten ihm alle Fraktionen zu. Doch es gibt Zweifel, ob es nicht zeitnah noch bessere Möglichkeiten als durch Solar erwirtschaftete Fernwärme gebe. „Ich finde es ja schon niedlich, dass immer so getan wird, als wenn die Naturwissenschaftler schon noch was erfinden werden. Auch ein vitaminreiches Mousse au chocolat ohne Kalorien wäre wünschenswert, gibt es aber auch nicht. Wenn wir die Klimakrise wirklich ernst nehmen, dann müssen wir auch mal auf das hören, was uns die Naturwissenschaftler sagen“, führte Dana Herberg (Die Grünen) aus. Außerdem sei ja vielleicht auch Rethwisch mehr an einem Solarfeld als womöglich an einem Autohof oder Großlogistiker interessiert. „Auch in Dörfern leben Menschen, die auf Zukunftstechnologie setzen. Auch dort möchte man Fortschritt“, stellte Herberg klar.
Im Endeffekt kam man zu keinem gemeinsamen Beschluss, auch weil die Grünen ihren Antrag erst sehr spät eingereicht hätten. Die Entscheidung wurde daher vertagt auch vor dem Hintergrund, dass die Stadtverwaltung zunächst noch mit der Gemeindevertretung in Rethwisch Kontakt aufnehmen müsse.