Stormarner Tageblatt 30.08.2021
Ein Plädoyer fürs Impfen: Fast alle Patienten im Kreis Stormarn hatten keinen Schutz gegen das Virus
Patrick Niemeier
Die Corona-Pandemie ist gefühlt mittlerweile auch eine Pandemie der Zahlen und Statistiken geworden. Doch hinter den Zahlen stehen Schicksale und Menschen. Und wie die Situation sich tatsächlich darstellt, sieht man vor allem in den Kliniken.
In letzter Zeit war häufig in öffentlichen und politischen Diskussionen die Rede davon, dass es die Hauptsache sei, dass die Intensivstationen nicht kapitulieren müssen. Daher sei der Inzidenzwert nicht mehr so entscheidend. Long-Covid und schwere Verläufe der Erkrankung gerieten dabei scheinbar aus dem Fokus, was von vielen Gesundheitsexperten kritisiert wurde.
Doch wie ist die Situation in den Kliniken im Kreis Stormarn eigentlich? Und wie werden die aktuellen Maßnahmen eingeschätzt? Welche Zahlen könnten maßgeblich für Entscheidungen sein? Und wie sollen sich Ungeimpfte verhalten? Wir fragten in den Stormarner Kliniken St. Adolf Stift Reinbek und Asklepios-Klinik Bad Oldesloe nach.
Zahl der Patienten nimmt in Reinbek langsam zu
„Die Inzidenz steigt momentan wieder stark an, folglich wird auch die Zahl der schwer Kranken und auch der Todesfälle zumindest unter Ungeimpften ansteigen. Auch in unserem Haus nimmt die Anzahl der Covid-Patienten wieder langsam zu, momentan behandeln wir aber keine schwer Erkrankten, also keinen Covid-Patienten, auf unserer Intensivstation“, erklärte Andrea Schulze-Colberg, Pressesprecherin des St. Adolf Stifts am Freitag, 27. August.
Es sei wichtig, dass die Menschen darauf achten, dass weder sie selbst, noch in ihrem Umfeld jemand schwer an Covid-19 erkranke. „Das geht am besten mit einer Impfung, wie zum Beispiel die aktuellen Daten des Hamburger Senats von über 900.000 geimpften Hamburgern zeigen. Danach gibt es Impfdurchbrüche nur im Promillebereich und keine schweren oder tödlichen Verläufe unter Geimpften“, sagt Schulz-Colberg.
Es wäre ein Fehler zu warten, bis die Krankenhäuser an ihre Grenzen stoßen. Maßnahmen müssten daher schon früher eingeleitet werden, bevor es zu einem Anstieg von Intensivpatienten und Todesfällen komme. Ein Indikator könne der Anstieg der Hospitalisierungen sein.
„Unserer Meinung nach wäre ein wichtiger Indikator auch, dass die Gesundheitsämter als Teil der medizinischen Versorgung in ihrer Auslastung mitberücksichtigt werden. Denn wenn Kontakte nicht mehr zeitnah nachverfolgt werden können, steigt die Inzidenz um ein Vielfaches, weil die Infektionsketten nicht rechtzeitig unterbrochen werden“, erklärt Schulz-Colberg die Haltung des St. Adolf Stifts. Auch wenn die Anzahl schwer an Covid19 Erkrankter und der Todesfälle bezogen auf die Inzidenz-Zahlen wegen der relativ hohen Impfquote geringer sein sollte als vor einem Jahr, gelte es nicht nur „Krankenhäuser zu entlasten“, sondern mit den Maßnahmen Menschenleben zu retten.
Klar sei, dass das Impfen die wichtigste Maßnahme in der Pandemie sei. Aber auch die bekannten Abstands- und Hygiene-Regeln sollten weiter befolgt werden.
„Es gibt nur sehr wenige Gründe, warum sich Personen dauerhaft oder vorübergehend nicht impfen lassen sollten. Gerade chronisch schwer Erkrankte haben ein besonders hohes Risiko eines schweren Verlaufs oder Tod durch Covid-19, darum sollten sie sich unbedingt nach Beratung durch einen erfahrenen Arzt impfen lassen. Dazu raten auch die entsprechenden Fachgesellschaften“, sagt Schulz-Colberg.
Allergien gegen einen der bekannten Inhaltsstoffe seien eine Kontraindikation. Allerdings könne dann in der Regel auf einen anderen Impfstoff ausgewichen werden.Allgemeine Allergien wie Heuschnupfen seien grundsätzlich kein Grund sich nicht nach individueller ärztlicher Beurteilung und Beratung impfen zu lassen. Aktuell sei die Corona-Situation im St. Adolf Stift noch zahlenmäßig relativ entspannt. „Bislang haben wir im St. Adolf-Stift erst sieben Patienten in der vierten Welle seit Ende Juli stationär aufgenommen, aktuell versorgen wir drei Patienten auf der Isolierstation und keinen auf der Intensivstation“, erklärt die Pressesprecherin.
67-Jähriger auf Intensivstation verstorben
Ein ungeimpfter 67-Jähriger sei aber Mitte August trotz Maximalversorgung auf der Intensivstation in Reinbek an Covid19 gestorben. Seit März 2020 seien im St. Adolf Stift insgesamt 457 positiv auf Covid19 getestete Patienten stationär behandelt worden, davon 93 Personen auf der Intensivstation. Es waren 36 in der ersten Welle, 318 in der zweiten Welle und 96 in der dritten Welle.
„Durch die zunehmende Durchimpfung der Bevölkerung gehen wir nicht von einer Wiederholung der Krankenhausbelastung aus dem vorherigen Winter aus, weil vor allem die Hochrisikopatienten und alten Menschen die höchste Impfquote haben“, erklärt Schulz-Colberg.
In der Bad Oldesloer Asklepios-Klinik wurden derweil seit Anfang August 2021 vier Covid19-Patienten behandelt. Alle Patienten waren nicht geimpft. Eine Patientin musste auf der Intensivstation behandelt werden, erklärt Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz.
Die Asklepiosklinik galt in den vergangen Wochen als besonders streng bei den Betretungsregeln für die Klinik-Gebäude, weil auch vollständig Geimpfte für einen Besuch einen negativen Corona-Test vorlegen mussten.
Laut Eberenz wurde diese Regelung allerdings mittlerweile aufgehoben. Voll geimpfte oder von einer Corona-Infektion genesene Mitmenschen müssten sich jetzt nicht mehr testen lassen.
Zur generellen Corona-Situation oder Handlungsempfehlungen für Ungeimpfte wolle er sich indes nicht äußern. Hier verweise er ausdrücklich auf die Veröffentlichungen der Experten des Robert-Koch-Instituts. Zu anderen, allgemeinen Punkten der Pandemiebkämpfung müssten sich derweil die jeweils zuständigen Institutionen und Behörden äußern.