Stormarner Wochenschau: Chancen, Respekt und Moral

Stormarner Tageblatt  04.09.2021

Chancen, Respekt und Moral

Was Menschen wollen...                                     Karikatur: Megi Balzer
Was Menschen wollen… Karikatur: Megi Balzer

Patrick Niemeier und Volker Stolten

Chancen
Der alte Nickelbau in der Lübecker Straße in Bad Oldesloe alias „der Schandfleck“ wird bald Geschichte sein. Die Wehmut darüber wird sich sehr in Grenzen halten, auch wenn damit ein Stück Einzelhandels- beziehungsweise Kaufhausgeschichte in der Kreisstadt endgültig nur noch Schutt sein wird. Wichtiger ist es, dass sich durch den Abriss eine Chance bietet, den Stadteingang aus Richtung Lübecker Straße neu zu denken. Und das könnte für die Innenstadt einen richtungsweisenden Charakter haben.
Das Filetgrundstück im Herzen der Stadt kann gar nicht hoch genug gewertet werden. So manche Bürger haben schon erste Ideen und Visionen in den Raum geworfen. Ein Architektenwettbewerb soll auf den Weg gebracht werden und es gilt zu hoffen, dass zum Teil ordentlich gesponnen und auch wilde Ideen und Visionen auf den Tisch kommen. Vielleicht oder sogar wahrscheinlich werden diese nicht umgesetzt, könnten aber eine Inspiration für das sein, was am Ende dort ent-stehen wird. Dafür sollte man sich auch ein wenig Zeit lassen, diese Gelegenheit kommt so nicht wieder.
Die Planung des Kultur- und Bildungszentrums haben einst auch viele Jahre in Anspruch genommen und zwischendurch sahen manche Entwürfe aus, als solle eine zweite Elbphilharmonie entstehen oder die bekannt eierlegende Wollmilchsau in Gebäudegewandt. Herausgekommen ist dort eine Art funktionierender Kompromiss. Für das Grundstück an der Lübecker Straße gibt es so manche Ideen.
Der Bürgermeister könnte sich sehr gut vorstellen, dass unter anderem ein innerstädtisches Hotel mit Gastronomie entsteht. Ob sich Einzelhandel dort noch ansiedeln würde und wenn welcher, ist hingegen eine gute Frage. Fakt ist aber auch, dass es an größeren Flächen für interessierte Einzelhändler in der Innenstadt seit Jahren mangelt und so mancher Frequenzbringer gar nicht erst seine Zelte in Bad Oldesloe aufschlägt.
Auch ein größeres Theater oder ein modernes Museum zur Stadt- und Kreisgeschichte wurden schon ins Spiel gebracht. Ebenso sogar die Idee einer Art kleinen Amüsierviertels mit Parkanlage, einem Biergarten und einen guten Blick auf die Trave. Könnte es ein Treffpunkt für Jugendliche werden? Oder ein Begegnungsort verschiedener Generationen? Vielleicht sind ja Kombinationen daraus möglich. Auch Parkflächen für Pkw werden benötigt, aber gerade angesichts der Verkehrswende gilt es zu hoffen, dass man nicht auf die Idee kommt, diese Fläche für ein Parkhaus zu verschwenden. Wenn eine solche Chance damit verschwendet würde, wäre Bad Oldesloe wohl tatsächlich nicht mehr zu helfen. Aber wir werden sehen und in den nächsten Monaten und Jahren wohl noch so einige Diskussionen dazu erleben, was an dieser Stelle im Endeffekt Bad Oldesloe veredeln soll. Es bleibt spannend, wie auch unsere Karikaturistin findet.

Standesdünkel
Es gibt Berufe, die werden wertgeschätzt und welche, auf die eher herabgesehen wird. Menschen im Anzug genießen einen höheren Stellenwert als diejenigen, die sich schmutzig machen. Bedauerlicherweise! Dabei ist jeder Job wichtig, was auch der heutige „Tag des Zeitungsausträgers“ deutlich machen will – zu Recht.
Wenn nämlich die abonnierte Zeitung nicht rechtzeitig im Briefkasten liegt, ist Schluss mit lustig. Da kann das Innere des Blätterwerks noch so gut sein. Da geht der Daumen runter. Wenn das ein Mal vorkommt, lässt man noch Gnade vor Recht ergehen. Beim zweiten Mal schon nicht mehr, ist verstimmt. Beim dritten Mal ist der Ofen aus, wird das Abonnement gekündigt. Heißt: Es kann der Blattmacher nicht in Frieden leben, wenn der Zeitungszusteller oder die -zustellerin versagt. Das ist bei Simone Rasch aus Westerau glücklicherweise nicht der Fall. Die Vollzeit-Austrägerin, die sechs Tage in der Woche nachts um die Häuser zieht, um das gedruckte Produkt rechtzeitig in den Briefkasten zu werfen, ist zuverlässig wie ein Uhrwerk. Außer, äußere Umstände erschweren ihren Job, den die 30-Jährige gerne ausübt.
Ein Job, der kein einfacher und angesichts von jeweils 400 bis 500 Exemplaren schon gar kein leichter ist. Sie ist bei Wind und Wetter stundenlang unterwegs, bringt mit ihrem Firmenwagen jedes Mal 150 Kilometer hinter sich und weiß genau, wo wer was bekommt. Hunderte Adressen hat sie im Kopf plus täglich/nächtlich anfallende Veränderungen, Verschiebungen. Das ist nichts für Weicheicher, für Warmduscher… Hut ab und danke, dass morgens die Zeitung im Briefkasten liegt!

Moralfragen
Noch immer wollen sich Menschen nicht gegen das Corona-Virus impfen lassen, auch wenn sie keine triftigen gesundheitlichen Gründe dafür anführen können, die abseits von Telegram-Gruppen Faktenchecks oder der Realität standhalten könnten. Natürlich ist es am Ende ihre Entscheidung und wenn eine Minderheit in der Meinungsblase gefangen bleiben möchte, wäre das sogar total okay, wenn sie damit nicht andere Menschen als mögliche Überträger gefährden würden. Doch auch das muss die Minderheit der wirklich überzeugten Impfgegner moralisch mit sich selbst ausmachen. Mit Fakten erreicht man sie zum Großteil sowieso nicht.
Wie zum Beispiel mit dem Fakt, dass die Menschen mit schweren Verläufen in den Stormarner Kliniken fast allesamt ungeimpft waren. Richtig absurd wird es dann aber, wenn sich Impfgegner gefälschte Impfpässe besorgen, weil sie damit die Erleichterung der Geimpften erhalten. Das hat nichts mit dem „Wahren der Grundrechte“ oder ähnlichen Schwurbler-Ausreden zu tun. Es ist nicht nur eine Straftat, sondern auch eine jämmerliche Heuchelei, dass sie nicht mal die Konsequenzen ihrer freien Entscheidung tragen können, hinter der sie doch angeblich total stehen.

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