Stormarner Tageblatt 06.09.2021
Entsteht bald ein modernes Innenstadthotel in Bad Oldesloe? Oder kommt doch ein Einzelhandelsbau?
Patrick Niemeier
Die letzten Reste der Kaufhaus-Geschichte in Bad Oldesloe werden bald in Schutt liegen. Nach über einem Jahrzehnt als Leerstand-Ärgernis soll die Kaufhausruine in der Lübecker Straße noch 2021 abgerissen werden. Einst war die heute sehr aus der Zeit gefallene Alu-Fassade der Stolz des Kaufhaus „Nickel“, als sie in den 1970er Jahren angebracht wurde, doch nachdem auch die Nachfolgeunternehmen „Mohr“ (bis 2001) und „M+H“ (bis 2012) die Stadt verlassen haben, war klar, dass eine Wiederbelebung nicht mehr stattfinden wird.
Die Ruine zerfällt seit über einem Jahrzehnt
Stattdessen zerfiel und verwitterte das Haus immer weiter direkt neben einem ebenso in die Jahre gekommenen Parkplatz, der Innenstadtgäste mehr abschreckt als einlädt. Nicht nur das vorbereitende Gutachten zur Innenstadtentwicklung kam zu dem Urteil, dass dieser Stadteingang ein echtes Problem darstellt. So richtig traurig dürften über den Abriss eigentlich nur noch die Tauben sein, die mittlerweile sogar innerhalb des Gebäudes ihr Lager bezogen haben. Doch wie geht es jetzt weiter? Die Vorbereitungen für den offiziell in der Stadtverordnetenversammlung bekanntgegeben Abriss laufen sichtbar. Einfach werden die Arbeiten nicht werden, weil ein Teil des Gebäudes ein Übergang über die Trave zum vorderen Gebäude ist, in dem sich unter anderem nicht nur die Tageblatt-Redaktion befindet, sondern auch C&A und dm. Noch spannender ist aber die Frage, was mit der freien Fläche passieren wird, die entsteht. Auch der Parkplatz soll dann überplant werden und – quasi als Clou – hat die Stadt schon länger das Gebäude mit der Nummer 20 erworben aus dem Bäcker, Schneider, Croque- und Dönerimbisse seit Monaten ausgezogen sind. Auch dieses Gebäude verschwindet.
Einmalige Chance für die Innenstadtenwicklung
Somit entwickelt sich ein großflächiges Gelände, das wohl keine andere Stadt im Norden in dieser Größe im Herzen der Innenstadt zur Verfügung hat. Erste Ideen stehen im Raum. Eine schon länger geäußerter Vorschlag ist es, dass Gebäude entstehen, die an die ältere Stadtarchitektur optisch anschließen. Denkbar ist für Bürgermeister Jörg Lembke auch ein modernes Hotel mit Gastronomie. Denn ein solches fehle im direkten Bereich der angrenzenden Fußgängerzone. Wenn man sich allerdings die Übernachtungszahlen für Stormarn anschaut, könnten Zweifel aufkommen, ob tatsächlich mehr Betten benötigt werden.
Manche Kulturfreunde fordern den Bau eines größeres Theaterkomplexes, der die Festhalle ersetzen könnte. Denn das Kultur- und Bildungszentrum war bei seiner Planung mit seinen rund 200 Plätzen nur für genau dieses Besuchersegment gedacht. Angesichts der vielen Millionen Euro die in das KuB flossen, dürfte es aber politisch stark umstritten sein, einen weiteren Kulturort entstehen zu lassen. Allerdings könnte damit die Festhalle nur noch für Sitzungen und Schulnutzung freigegeben werden und eine kostspielige Sanierung eingespart werden. Da Bad Oldesloe eine wirklich spannende Geschichte als Ort an der Handelsstrecke zwischen Hamburg und Lübeck hat, relativ früh das Marktrecht erhielt und später auch als Saline und Kurort eine Rolle in Norddeutschland spielte, ist auch ein größeres Museum in der Innenstadt eine Idee, die auf dem Tableau steht. Momentan sitzt das Heimatmuseum im zweiten Stock der Stadtbücherei auf einer relativ überschaubaren Fläche.
Ein Museum zur Kreisgeschichte gibt es außerdem überhaupt nicht. Ein solches kombiniertes Museum für Kreis- und Stadtgeschichte könnte ein echter Mehrwert für Bad Oldesloe werden. Doch finden sich dafür politische Mehrheiten? Angesichts der Wohnungsnot, wäre auch eine Wohnbebauung denkbar. Aber wäre das nicht vielleicht eine verschenkte Chance? Ebenso kommen Forderungen auf, dass an der Stelle nun ein größeres Parkhaus entstehen könnte, um die Parkplatznot zu lindern. Doch auch das scheint im Endeffekt eine Verschwendung. Für die Fußgängerzone und die Innenstadt wäre ein Frequenzbringer wichtig. Denn komplett konnte noch keine Ansiedlung den Verlust des Vollsortimenter-Kaufhaus „M+H“ ersetzen oder auffangen. Für die Kaufleute und Gastronomen wäre insofern etwas interessant, dass mehr Menschen quasi von der grünen Wiese zurück in die Fußgängerzone lockt.
Bürgermeister Lembke machte unlängst klar, dass es definitiv eine Parkplatzlösung geben müsse, wenn der jetzige Parkplatz überplant und -baut werde. „Das könnte ja aber auch eine Kombination sein mit Parken auf dem Dach oder vielleicht eine Tiefgarage“, sagt Lembke. In Sachen Geschäftsansiedlungen gibt Lembke zu bedenken, dass mit einem großflächigen Neubau ein wichtiges Segment geschaffen werden könnte, das momentan nachgefragt werde, aber nicht vorhanden sei. „Es gibt immer wieder Anfragen für den Einzelhandel, die wir nicht erfüllen können, weil uns entsprechende große Flächen fehlen“, sagt der Verwaltungschef.
Es lässt sich wohl mit den Erfahrungswerten anderer Projekte in Bad Oldesloe prophezeien, dass ein längerer Findungs- und Diskussionsprozess vor der Tür steht mit so mancher Kontroverse, bis es vielleicht auf eine Kombination aus Wohnen, Einkaufen, Kultur und Beherbergung oder Gastro hinausläuft. In der Haut der Lokalpolitiker möchte man wohl nicht unbedingt stecken, müssen sie sich bei der einen oder anderen Entscheidung doch vorwerfen lassen, eine historische Chance verspielt zu haben Die Visionen müssen dabei aber nicht nur aus der Verwaltung und der Lokalpolitik kommen. Damit es auch Ideen von Außen gibt, ist jetzt von der Stadtverordnetenversammlung einen städtebaulichen Realisierungs-Wettbewerb auf den Weg gebracht worden.
Funktionsvielfalt und Attraktivierung
Das formulierte Ziel: „Es soll eine Schaffung von Funktionsvielfalt verfolgt werden, die das Zentrum auch bei zukünftigen Entwicklungen stärken. Eine weitere Thematik ist die Herstellung einer attraktiven Verbindung zwischen den ´Trave Arkaden´ in der nördlichen Lübecker Straße und der Innenstadt. Gleichzeitig soll die am Traveufer vorhandene Wegeverbindung für Fußgänger und Radfahrer attraktiviert und das Ufer unter Berücksichtigung der Kriterien des FFH-Schutzstatus aufgewertet werden.“ Insgesamt ist zu bemerken, dass sich die Verwaltung relativ viel von dem frei werdenden Grundstück erhofft. „Die Aufwertung des Gebietes soll dazu dienen, die Ortsbild- und Aufenthaltsqualität zu steigern und gleichzeitig den innerstädtischen Missstand zu beheben“, heißt es aus der Verwaltung. Für den Realisierungswettbewerb werden Gelder aus einem Landesprogramm beantragt. Es ist von Kosten von ungefähr 100.000 Euro für den Wettbewerb zu rechnen, der 2022 oder 2023 durchgeführt werden soll. Die Stadt wird 25 Prozent dieser Kosten selbst tragen. Dem stimmte die Stadtverordnetenversammlung zu. Es kann also losgehen.