Stormarner Tageblatt 14.09.2021
Der gemeinsame Dienstleister mehrerer Stormarner Städte sowie Gemeinden und des Kreises steht häufig in der Kritik
Finn Fischer
Der IT-Verbund Stormarn steht immer wieder in der Kritik. Doch ist diese Kritik auch gerechtfertigt? Was macht der ITV eigentlich? Noch bis vor einigen Jahren organisierte jede Gemeinde und Stadt ihre Systeme selbst, unterhielt eigene Server, kaufte die Technik und beauftragte IT-Dienstleister. So entstand ein Flickenteppich aus unterschiedlichsten Anwendungen, Datenbanken und Strukturen. Seit 2013 bringt der IT-Verbund Stormarn Ordnung in das Durcheinander. So gut es eben geht. Denn als Anstalt des öffentlichen Rechts muss sich der ITV im Gegensatz zu Unternehmen an Vergaberecht halten, steht bei der Personalsuche unter enormem Konkurrenzdruck – und sieht sich obendrein immer wieder auch Kritik ausgesetzt. So wie es gerade wieder aus Bad Oldesloe in massiver Form geschehen ist. Stadtverwaltungen geben ungern öffentliche Gelder für Dinge aus, die nur schwer greifbar sind. Und ein Teil der Arbeit des ITV besteht eben darin, dass nichts passiert.
„Wir haben seit zehn Jahren eine stetig steigende Zahl an Ransomware-Attacken. Die Verwaltungen stehen unter Beschuss“, sagt IT-Leiter und Portfolio Manager Christian Nowitzki. Der Begriff Ransomware steht für eine Art von Schadprogrammen, die den Zugriff auf Daten und Systeme einschränken oder unterbinden können. Für die Freigabe wird dann ein Lösegeld verlangt. Das ist keine theoretische Gefahr. Erst im Juli gab es etwa einen Angriff auf die schwedische Supermarktkette Coop, die daraufhin hunderte Filialen vorübergehend schließen musste. In der ersten Jahreshälfte meldeten große Zeitungsverlage oder auch Radio Energy Hamburg ähnliche Cyberangriffe.
Auch Städte und Gemeinden geraten in den Fokus von Hackern. Einwohnermeldedaten oder Krankenakten könnten im Darknet verkauft, Verwaltungen erpresst werden. „Attacken gibt es jeden Tag, die wir abfangen müssen“, sagt Nowitzki. Pro Woche gebe es zusätzlich vier bis fünf kritische Warnungen, sogenannte CERT-Meldungen vom „Computer Emergency Response Team“ der Bundesverwaltung. Dabei geht es um mögliche Schwachstellen in Systemen, die sofort geschlossen werden müssen. Nowitzki: „Eine unserer größeren nächsten Aufgaben ist es, so etwas zu automatisieren.“
Allein das Aussperren von ungebetenen Gästen nimmt einiges an Zeit in Anspruch. Doch das ist bei Weitem nicht die einzige Aufgabe des ITV. Jede Gemeindeverwaltung oder Abteilung nutzt unterschiedliche Programme. Insgesamt werden neben Standardprogrammen wie Office und Mail 89 verschiedene Applikationen zur Verfügung gestellt und betreut. Außerdem werden 2400 Mailkonten, 650 Drucker und Multifunktionsgeräte, 300 Laptops und 2475 Arbeitsplätze betreut. 2000 Supportfälle werden jeden Monat bearbeitet. Das alles leisten gerade einmal 35 technische Mitarbeiter und 14 Verwaltungskräfte.
Derzeit beschäftigt sich der ITV außerdem mit dem Umzug zweier Serverstandorte nach Hamburg. Auch die Corona-Pandemie und die damit verbundene Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen für die Verwaltungen hat Ressourcen gebunden. Die wohl größte Aufgabe ist derzeit allerdings die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Ab 2022 sind Behörden verpflichtet, einen Großteil ihrer Leistungen übers Internet anzubieten.
Der ITV, selbst eine Art Behörde und an entsprechende Vorschriften gebunden, braucht dafür die Unterstützung seiner Träger. „Wir arbeiten mit dem Geld der Bürger und wollen deswegen möglichst Transparent arbeiten, dabei eine gute Leistung zu einem adäquaten Preis bringen“, sagt Nicole Genz, Kaufmännische Leitung beim IT-Verbund Stormarn. Dabei seien aber auch viele Rechtsvorschriften zu beachten, die die Arbeit nicht unbedingt erleichtern. Es kollidieren Wirtschaft, Verwaltung und IT, oder wie Nicole Genz es sagt: „In der freien Wirtschaft kauft man einfach einen neuen Server. Das dauert keinen Tag. Hier sind wir an Vergaberichtlinien gebunden.“