„So etwas habe ich noch nicht erlebt“

Stormarner Tageblatt  19.11.2021

10.000 Wildgänse rasten in Rohlfshagen – Ornithologe und Nabu-Chef Klaus Graeber zeigt sich überrascht

Invasion der Gänse: Treffen zur Nahrungsaufnahme auf einem Acker in Rohlfshagen.  Hans Wirth
Invasion der Gänse: Treffen zur Nahrungsaufnahme auf einem Acker in Rohlfshagen. Hans Wirth
Nabu-Vorsitzender Klaus Graeber.  Susanne Rohde
Nabu-Vorsitzender Klaus Graeber. Susanne Rohde

Volker Stolten

Im Rümpeler Ortsteil Rohlfshagen sind – wie berichtet – die Wildgänse los. Seit Tagen schon bieten die gefiederten Heerscharen auf einem großen Feld gegenüber Schacht’s Gasthof ein lautstarkes Naturschauspiel.
Eine große Anzahl Gänse, so um die 2000 Exemplare, sei im Oldesloer Umland nichts Außergewöhnliches, erklärt Klaus Graeber, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Bad Oldesloe. Allerdings sei diese gewaltige Ansammlung nicht heimischer Gänse schon außergewöhnlich. „So etwas habe ich noch nicht erlebt!“, zeigt sich der Ornithologe überrascht.

Aus Sibirien und Nordskandinavien
Laut Nabu sind es um die 10.000 Tiere, die aus Sibirien und Nordskandinavien stammen dürften, und auf dem abgeernteten Maisacker auf Nahrungssuche gehen und auch reichlich Nahrung finden. „Einmal flogen etwa 5000 auf. Dabei waren Blässgänse stimmlich dominierend“, teilt Hans Wirth vom Nabu Hamburg mit, der auch das Foto zur Verfügung stellt. Eine Schätzung des Nabu erbrachte gut 7000 Blässgänse, um die 2000 Saatgänse, etwa 200 Weißwangengänse und um und bei 100 Graugänse. „Möglicherweise handelt es sich um die bisher größte festgestellte Gänse-Ansammlung im Kreis Stormarn, seit ornithologische Daten erhoben werden“, so Wirth.
Ob sich die unglaubliche Gänse-Schar für den baldigen Abflug rüstet oder noch wochenlang vor Ort am Boden bleibt oder nur etwas weiter weg reist, sei unklar, merkt Klaus Graeber an: „Das weiß man nicht.“ Das hänge auch von der Witterung ab. Wenn die Wildgänse allerdings in wärmere Gefilde weiterziehen, dürften europäische Länder wie die Niederlande das Ziel sein.
Sie sind Pflanzenfresser und ernähren sich bei uns überwiegend von Gras. Zu bestimmten Jahreszeiten, etwa nach der Ernte von Mais und Zuckerrüben im Oktober und November, werden auch sehr gerne die abgeernteten Felder aufgesucht, um sich von den nahrhaften Ernteresten zu ernähren.
Nur während der Kükenphase nehmen Gänse auch tierische Nahrung zu sich. Vor allen in den nordischen Gebieten schnappen die Gössel nach Insekten. Die proteinreiche Kost lässt die Küken schnell wachsen.
Gänse haben einen hohen Nahrungsbedarf, da ihre Nahrung nicht sehr energiehaltig ist. Da Gänse nur etwa 25 Prozent der Nahrung, die sie zu sich nehmen, verwerten können, müssen sie sehr viel fressen. Der überwiegende Teil der in der Rohfaser vorhandenen Energie wird mit dem Kot wieder ausgeschieden.
Während ihres Aufenthalts bei uns nehmen die Gänse etwa ein Drittel ihres Ausgangsgewichts zu, damit sie genug Energiereserven für den bis zu 6000 km langen Rückflug nach Sibirien haben. Die Gänse verbrauchen auf den strapaziösen Etappen von 800 bis 1000 Kilometern jedoch so viel Energie, dass sie bei ihren Zwischenstopps die Wochen dauern können, ihre Fettreserven wieder nachfüllen müssen. So kommt Zwischenrastplätzen eine enorme Bedeutung zu, denn Nonstop würden sie es nicht bis in ihre Brutgebiete schaffen , informiert der Nabu.

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