Stormarner Wochenschau: Einbrecher, Helfer und Verweigerer

Stormarner Tageblatt  20.11.2021

Einbrecher, Helfer und Verweigerer

Winterschlussverkauf!Karikatur: Megi Balzer
Winterschlussverkauf!Karikatur: Megi Balzer

Susanne Link, Patrick Niemeier und Volker Stolten

Auge des Gesetzes
Wer sich noch nicht über seinen Nachbar beschwert hat oder von ihm wegen zu lauter Musik, dem falschen Heckenschnitt oder Bohrmaschine-Wahnsinn am Sonntag schwer genervt war: Glückwunsch. Alle anderen kennen sie wahrscheinlich: die Nervensäge von nebenan, die bis tief in die Nacht feiert, laut im Treppenhaus poltert oder über Kleinigkeiten nörgelt. Das raubt einem manchmal den letzten Nerv. Trotzdem sollte man wohl gerade jetzt über seinen Schatten springen, den Anwohner von nebenan zum Kaffee einladen und die Wogen glätten. Warum? Weil aufmerksame Nachbarn super Alarmanlagen sein können. Glauben Sie nicht? Dann fragen Sie mal die Polizei. Wenn der Anwohner von nebenan weiß, wann man zur Arbeit fährt und üblicherweise wieder nach Hause kommt, wird er bei merkwürdigen Geräuschen und ausgelösten Bewegungsmeldern vielleicht mal genauer hinschauen. Gar nicht so schlecht in der dunklen Jahreszeit, wenn Einbrüche Hochsaison haben. Zwar sollte er nicht zum Helden mutieren und die Kriminellen in die Flucht schlagen, aber ein Anruf bei der Polizei reicht ja vielleicht schon aus. Der Nachbar, der genau hinschaut,wird so im wahrsten Sinne des Wortes zum Auge des Gesetzes.

Schubladen-Denken
Man hört immer mal wieder, die Kinder und Jugendlichen von heute taugen nichts – sind verroht, egoistisch, respektlos und haben mit dem Gemeinwohl nichts im Sinn. Einerseits mag das vielleicht stimmen, andererseits aber ganz und gar nicht. Schubladen-Denken – alle und alles über einen Kamm zu scheren – war noch nie hilfreich und förderlich. Beispiel gefällig? Okay!
Nehmen wir die Johannes-Gutenberg-Schule – kurz JGS – in Bargteheide. Auf den ersten Blick – von außen betrachtet – ist der Lack ab. Die Penne gibt wirklich nicht viel her. Mächtig in die Jahre gekommen, ganz schön verwinkelt und durch Graffiti zusätzlich beschmutzt. Aber der äußere Schein trügt – der innere ist ein ganz anderer, ein vorbildlicher und aller Ehren wert. Denn statt das durch einen Sponsorenlauf eingenommene Geld für eine Schönheitskur des Schulkomplexes zu verwenden, wird das Gros der Summe von 20.000 Euro (* siehe unten), stolze 13.000 Euro, gespendet. Gespendet für eine Schule, die nicht äußerlich, sondern im Ganzen eine schlimme Figur macht. Es ist die Aloisius-Grundschule in Ahrweiler. Durch die Flut-Katastrophe nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vieles ist zerstört.
Was ist dagegen schon das schäbige Antlitz der JGS in Bargteheide? Nicht der Rede wert! Genau: Das sagten sich auch die 505 Schüler und Lehrkräfte und votierten über den Schülerrat einstimmig dafür, das Geld komplett der Penne im Ahrtal zur Verfügung zu stellen, wo es viel dringender benötigt wird. Das ist mehr als lobenswert und für das Gemeinwohl besonders wertvoll. Hut ab! Wie war das noch gleich mit den Kindern und der Jugend von heute…? Schubladen-Denken – nein, danke!
(* Die restlichen 7000 Euro an Spendengeldern aus dem Sponsorenlauf der Johannes-Gutenberg-Schule werden für das eigene Schulprojekt „Abenteuer Natur“ verwendet.)

Einschnitte I
Wer eine Krise bewältigen will, der muss oft radikale Schritte gehen. Vor allem muss man Einschnitte in die eigene Komfortzone akzeptieren. Das ist auch beim Klimaschutz so. Es wird nicht so weitergehen können wie bisher. Die Lebensphilosophie, die uns den kapitalistischen Wohlstand beschert hat, ist zugleich ein Teil des Problems. Somit wird es wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen geben müssen. Klimaschutz kostet. Es liegt einfach daran, dass es ein „weiter so“ nicht geben kann. Es gibt keine Abwägung mit der Frage „schadet das womöglich der Wirtschaft?“ an erster Stelle. Es müssen Kompromisse gefunden werden – natürlich. Und Aktionismus ist die andere Seite der Medaille, die auch nichts bringt. Aber es wird nicht ohne schmerzhafte Einschnitte gehen. Es gibt keinen Stopp des Klimawandels, indem wir einfach weitermachen wie bisher. Daher gibt es keinen Discount-Preis für Klimaschutz.

Einschnitte II
Die Politik habe uns enttäuscht, heißt es. 2G sei unfair, heißt es. Die Pandemie dauere so lange, weil nicht richtig gehandelt wurde. Das proklamieren ausgerechnet die, die ein Großteil des Problems sind. Impfverweigerer sorgen dafür, dass die Gesellschaft gespalten ist. Sie sind es, die eine bessere Situation verhindern. Ausgerechnet die, die ständig vortragen, welche harte Auswirkungen die Maßnahmen haben, sind entscheidend mitschuldig, dass die Situation sich nicht verbessert. Gefangen in den eigenen Verschwörungserzählungen und Fehlinfo-Blasen, beschneiden sie mit ihrer Fehldefinition von „Freiheit“ die Freiheit aller und damit auch ihre eigene.

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