Eigenverantwortung statt Kontrolle

Stormarner Tageblatt  19.01.2022

Zu viele Corona-Fälle: Stormarner Gesundheitsamt kommt bei der Bearbeitung nicht hinterher

Ein Teil des Corona-Kompetenzteams beim Kreis Stormarn: Cornelia Espig (v.l.), Edith Ulferts, Andreas Rehberg und Landrat Henning Görtz.  Patrick Niemeier
Ein Teil des Corona-Kompetenzteams beim Kreis Stormarn: Cornelia Espig (v.l.), Edith Ulferts, Andreas Rehberg und Landrat Henning Görtz. Patrick Niemeier

Patrick Niemeier

Jeden Tag hunderte Neunfektionsmeldungen und seit Wochen tausende Quarantäne- und Isolationsfälle. Das Gesundheitsamt Stormarn kommt seit dem Jahreswechsel ganz offiziell in Sachen Corona nicht mehr hinterher, wenn es darum geht, tagesaktuell alle neuen Fälle und Meldungen zu bearbeiten. So ist es inzwischen nicht mehr leistbar, alle Infizierten persönlich zu kontaktieren. „Eine zeitnahe Verarbeitung der Daten und eine schnelle Kontaktaufnahme zu Infizierten ist derzeit nicht möglich. Umso wichtiger ist es, an die Eigenverantwortung aller zu appellieren“, sagt Landrat Henning Görtz.
Dieser Appell ist dringlicher denn je. Denn in der aktuellen Corona-Welle setzt sich mehr und mehr die als ansteckender geltende Omikron-Variante durch. Folge: Die tägliche Zahl der neuen Corona-Fälle übersteigt seit Wochen trotz mehrfacher Aufstockung des Personals im Gesundheitsamt und der Unterstützung durch die Bundeswehr die Möglichkeiten. Daher bleiben Tag für Tag Fälle liegen, die erst später abgearbeitet werden können. Das bestätigt Edith Ulferts, Leiterin des Fachbereichs Soziales und Gesundheit beim Kreis Stormarn. Aktuell seien 59 Vollzeitmitarbeiter der Kreisverwaltung plus Führungskräfte und deren Unterstützung sowie 10 Soldaten der Bundeswehr mit den Corona-Meldungen und Bearbeitungen der Fälle im Kreis Stormarn beschäftigt. Damit sei auch erstmal das Ende der Fahnenstange erreicht. Trotz des massiven Personalaufwands sei nicht abzusehen, wann alle nicht bearbeiteten Meldungen über neue Infektionen abgearbeitet sind. „Das lässt sich dann beantworten, wenn wir erkennen, wie sich die Neuinfektionen entwickeln. Derzeit ist die Zahl der Neuinfektionen so hoch, dass es sehr schwierig ist, gleichzeitig die Rückstände abzubauen“, erklärt Ulferts das Dilemma. Handlungsspielraum bei den Arbeitsabläufen sieht sie nicht. „Die Fallzahlen entwickeln sich leider nach oben, während die Optimierungspotenziale bereits ausgenutzt sind.“ So sei es auch kaum möglich, andere Aufgaben im Gesundheitsamt ruhen zu lassen, um sich noch mehr um die Corona-Pandemie kümmern zu können. „Da die anderen Sachgebiete des Gesundheitsamtes meist mittelbar mit und von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind, können nur wenige Themen im Gesundheitsamt zurückgestellt werden“, sagt die Fachbereichsleiterin.
Durch die hohe Zahl an Quarantänefällen sei es – anders als in früheren Phasen der Pandemie – nicht mehr möglich, bei allen betroffenen Personen abzufragen, ob sie auch wirklich zuhause seien. Allerdings würden stichprobenartig Kontrollen durchgeführt. Auf der Homepage des Kreises fänden sich zudem alle aktuell geltenden Quarantäne-Regeln. Der Kreis setzt also notgedrungen auf die Eigenverantwortung und darauf, dass sich die engen Kontakte von Infizierten freiwillig in Quarantäne begeben, wenn sie nicht geboostert, vor maximal drei Monaten genesen, vor maximal drei Monaten doppelt geimpft oder genesen und doppelt geimpft sind. Infizierte sind zudem verpflichtet, ihre Kontaktpersonen über die Infektion in Kenntnis zu setzen.
Neu in diesem Fall und eine Reaktion auf die gegenwärtige Überlastung ist: Kontaktpersonen müssen sich nicht mehr beim Gesundheitsamt melden und können sich per negativem Test nach sieben Tagen aus der Quarantäne selbstständig entlassen. Für Infizierte endet die Isolation auch frühestens nach sieben Tagen mit einem negativen Test. Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich müssen außerdem seit 48 Stunden symptomfrei sein und einen negativen PCR-Test vorlegen können. Schüler und Kita-Kinder können sich als Kontaktpersonen mit negativem Test schon nach fünf Tagen aus der Absonderung testen. Sind sie infiziert, gilt auch hier, dass sie mindestens sieben Tage in Isolation müssen. Das Gesundheitsamt überprüft aber auch das aus Personalgründen nicht mehr bei allen Infizierten. „Wir bauen vor allem auf die Eigenverantwortung der Menschen, die durch die Quarantäne vor allem Familie, Freunde und Kolleginnen vor Infektionen schützen können“, sagt Ulferts. Die Kreisverwaltung erfährt auf den Wegen des Infektionsschutzes von Ärzten, Leitungen von Einrichtungen oder von den Laboren, die die PCR-Tests untersuchen, von positiven Ergebnissen. Den Behörden zufolge komme es durchaus vor, dass Menschen sich nicht an die Quarantäneregeln halten. Wenn das bei einer Stichprobe auffalle würden Bußgelder fällig. „Das kommt leider vor und auch daher wurden 2021 in Stormarn bereits Corona-Bußgelder von über 85.000 Euro verhängt“, erklärt Ulferts.

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