Duell um den Chefsessel

Stormarner Tageblatt  21.04.2022

Bildung, Innenstadt und Wohnungsbau: Was die beiden Oldesloer Bürgermeisterkandidaten unterscheidet

Herausforderer Tom Winter (links), Bürgermeister Jörg Lembke (rechts) und RSH-Moderator Carsten Kock.  Patrick Niemeier
Herausforderer Tom Winter (links), Bürgermeister Jörg Lembke (rechts) und RSH-Moderator Carsten Kock. Patrick Niemeier

Patrick Niemeier

Ein Raunen ging beim Talk-Duell der Oldesloer Bürgermeisterkandidaten durch die Stormarnhalle, als Moderator Carsten Kock ein Zwischenergebnis bekanntgab. 0:3 stand es dem bekannten Radio-Talker zufolge – und das zur Halbzeit. Nur war damit der Spielstand zwischen dem HSV und dem SC Freiburg im DFB-Pokal gemeint und nicht der Stand zwischen Bürgermeister Jörg Lembke und seinem Herausforderer Tom Winter.

Interesse bei den Oldesloern relativ gering
Denn in der Stormarnhalle stand es nicht nur zur Halbzeit sondern auch am Ende des Abends unentschieden. Es war kein komplett langweiliges 0:0 ganz ohne Torraumszenen, aber auch kein furioses 3:3. Das mag auch an der Kulisse gelegen haben. Denn im Gegensatz zur Kandidatenpräsentation 2016, als die Festhalle an gleich zwei Abenden aus allen Nähten platzte, kamen dieses Mal nur knapp über 100 Zuschauer. Das sicherheitshalber vor der Halle eingerichtete Public Viewing wartete vergebens auf neugierige Kreisstädter.
Fakt ist: Beide Kandidaten konnten glaubhaft vermitteln, dass sie sich für das Wohl der Stadt tatsächlich interessieren und beiden kauft man ab, dass sie die Dinge wirklich weiter verbessern wollen und an die Potenziale Oldesloes glauben. Dabei, wie das gelingen soll, gehen die Meinungen dann auseinander. Das ist auch der Ansatz, um die Unterschiede herauszuarbeiten, die sich beim einzigen offiziellen Aufeinandertreffen der beiden Kandidaten zeigten.

Amtsinhaber Jörg Lembke steht für „Weiter so“
Der Amtsinhaber setzte in seiner Präsentation darauf, das von ihm Angestoßene in den Mittelpunkt zu stellen. Er steht für ein „weiter so“, denn aus seiner Sicht sind in den letzten sechs Jahren die Dinge in die richtige Richtung auf den Weg gebracht worden. Die Verwaltung sei umstrukturiert, neue Wohngebiete entstünden und füllten sich, während die Nachfrage nach Gewerbeflächen ungebrochen hoch sei. „Ich möchte auch ernten, nicht nur säen. Dafür ist eine Amtszeit zu kurz“, sagt der aktuelle Bürgermeister.

Winter sieht einige Verbesserungspotenziale
Winter möchte derweil kein „Weiter so“, sonst müsste er ja auch gar nicht antreten. Vor allem in Sachen Kommunikation zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit sowie Bürgerfreundlichkeit sei noch eine Menge zu tun. Die Digitalisierung sei in vielen Bereichen quasi verschlafen worden. „Die Zukunft ist jetzt, wenn nicht sogar schon gestern“, sagt Winter. Während Lembke diesbezüglich betont, dass die ältere Bevölkerung durch technische Neuerungen nicht abgehängt werden soll, erklärt sein Herausforderer, dass es eben nicht nur um technische Modernisierung in der Kommunikation oder bei Dienstleistungen gehe, sondern auch darum, wie Digitalisierung die Abläufe und die Organisation erleichtere.
Winter nannte als Beispiele die Einführung der E-Akte oder die aus seiner Sicht zu langsame Digitalisierung der Schulen. Andere Gemeinden seien da viel weiter. „Ich möchte da nicht immer nur auf die schauen, bei denen es noch schlechter läuft, sondern zu denen, bei denen es besser läuft und dass wir selbst mal Vorbild werden“, sagt der Herausforderer.

Kritik an Umsetzung politischer Beschlüsse
Winter sieht derweil auch viele Dinge in Bad Oldesloe auf den richtigen Weg gebracht, allerdings nicht durch die Verwaltung, sondern vornehmlich durch die Ausschüsse und die Stadtverordneten. Die Verwaltung hingegen, habe gute Beschlüsse der Lokalpolitik nicht zeitnah oder gar nicht umgesetzt. Und ob alles, was sich Lembke versuchte ans Revers zu heften, überhaupt auf seine Amtszeit zurückzuführen sei, bleibe fraglich.
Lembke wiederum betont, dass es „nicht immer so einfach ist mit der Politik“. So habe die Verwaltung zum Beispiel bereits 2018 ein gutes Konzept für die Hagenstraßensanierung erstellt, dass dann von der Politik kassiert worden sei. Nur daher komme es zu Verzögerungen.
Während Moderator Kock seine Erfahrung ausspielte und mit Anekdötchen und Sprüchen durchaus unterhaltsam durch den Abend führte, plätscherte die Diskussion der zwei Kontrahenten an sich in Teilen recht seicht vor sich hin.

Innenstadt-Diskussion mit leichten Nuancen
So sieht Lembke die Innenstadt aktuell bei einer Schulnote 3, glaubt aber, dass sie eine 1 werden könnte, während Tom Winter ihr eine 3+ gibt und froh über eine 2+ wäre. Dass sie ein wichtiger Begegnungsort für alle Generationen ist, das sehen beide Kandidaten so.
Bei Herausforderer Winter schlug das Pendel bei allen Themen etwas weiter in Richtung Familien, Bildung und Digitalisierung aus, während Lembke immer wieder auf Gewerbegebiete und Wohnraum zu sprechen kam. Winter dazu: „Wir leben in derselben Stadt und kennen die Problemstellen.“

Rümpeler Weg – „Straße in den Sonnenaufgang“
Wenn er einen neuen Straßennamen vergeben würde, könnte er sich vorstellen den Rümpeler Weg in „Straße in den Sonnenaufgang“ umzutaufen, erklärte Winter. Er würde aber eher die Oldesloer über einen Namen abstimmen lassen.
Lembke hingegen würde sich für die verstorbenen Ehrenbürger entscheiden. „Wenn man schon Ehrenbürger ernennt, sollte man sie auch würdigen“, so Lembke, der dafür so viel Applaus erhielt, wie Winter, als er verkündete, vor allem auf gute Bildung zu setzen.

Investitionen in Wohnraum oder eher in Bildung
Die schon erwähnten Unterschiede zeigten sich bei der abschließenden Frage, wie man als nächster Bürgermeister 10 Millionen Euro investieren würde, wenn man denn die freie Wahl hätte. Jörg Lembke wolle diese als Anstoß für den Wohnungsbau nutzen, während Winter sie in die Bildung investieren wolle. Denn diese sei die wichtigste Grundlage.
Der HSV verlor am Ende übrigens 1:3 gegen den SC Freiburg. Als HSV-Fan war man somit an diesem Abend in der Stormarnhalle besser aufgehoben als im Stadion.

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