Stormarner Tageblatt 18.06.2022
Tradition und Zukunft
Patrick Niemeier, Guido Behsen, Susanne Link und Finn Fischer
Traditionen sterben ohne Wandel
„Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“, heißt eine Weisheit. Umso unverständlicher wirkt es, dass einige Anhänger des Oldesloer Vogelschießens die Krallen ausfahren, wenn sie Veränderungen der Tradition befürchten. Eine Verlegung des Fests auf den Sonnabend scheint eine Art Majestätsbeleidigung für die Leute, deren Beteiligung an dem Fest darin besteht, Fahnen am Straßenrand zu schwenken, Bierchen zu trinken und zu betonen, wie schön dass das alles ist. Wer sich mit Organisation von Festen und der Veränderung der Lebensrealitäten nicht auskennt, kann gut den traditionsbewahrenden Besserwisser spielen. Dabei wäre eine Verlegung auf den Sonnabend für viele Beteiligte eine Erleichterung und könnte beim Erhalt des Festes helfen. Generell ist es ein Oldesloer Problem, dass gerne mal gesagt wird: „Das war schon immer so, das lassen wir mal schön so“, bis es dann manches Mal zu spät ist.
Investor vs. kreative Freiheiten
Um das brachliegende Nickel-Grundstück an der Lübecker Straße zu entwickeln, hatte sich die Oldesloer Lokalpolitik auf einen ein Architekten-Wettbewerb geeinigt. Jetzt brachte die Stadtverwaltung ein weiteres Modell ins Spiel: Einen Realisierungswettbewerb für Investoren. Der erhoffte Vorteil: Keine „Luftschlösser“, sondern Pläne, die wirtschaftlich umsetzbar sind. Auf den ersten Blick ergibt das Sinn. Doch es besteht die Gefahr, dass die Attraktivität des Quartiers leidet. Investoren – das liegt in der Natur der Sache – wollen Gewinn maximieren. Und ein Park oder ein hübscher Brunnen bringt zwar Aufenthaltsqualität, aber keinen Umsatz. Das Modell könnte daher dazu führen, dass der Fokus bei den Vorschlägen dann vor allem auf den wirtschaftlichen Aspekten liegt: Zweckbauten statt Grünflächen und architektonischer Hingucker. Doch die Sorge der Stadtverwaltung vor attraktiven aber letztendlich unrentablen und schwer umsetzbaren Vorschlägen ist nachvollziehbar. Der Gewinnervorschlag im Realisierungswettbewerb um das alte VHS-Gelände in der Königstraße wurde Mitte 2018 gekürt. Bis heute gibt es niemanden, der das Wohnungsbauprojekt umsetzt. Wichtig sind realistische Vorgaben der Politik – sei es für Architekten oder für Investoren.
Nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung
Manche Menschen werden in ein verantwortungsvolles Amt berufen. Professoren beispielsweise. Das heißt aber nicht, dass sie auch ihrer persönlichen Berufung nachgehen. Viele werden ihrem Beruf nachgehen , ohne in ihm eine Erfüllung für ihr Leben zu sehen. Bei Birgit Krömer-Meyn scheint das anders zu sein. Sie arbeitet mit 70 Jahren immer noch als Flüchtlingshelferin für die Stadt Ahrensburg – und denkt gar nicht daran aufzuhören. Selbst wenn sie ihren Job irgendwann nicht mehr ausübt, möchte sie weitermachen. Für sie und viele Freiwillige ist die Integration von Flüchtlingen eben eine Herzensangelegenheit und nicht nur Job oder ein Ehrenamt.
Von den Realitäten eingeholt
Stolz präsentieren Städte und Gemeinde oft ihre neuen Kitas – modern ausgestattet, weitläufig, kindergerecht und auf pädagogische Bedürfnisse zugeschnitten. Dabei wird allerdings eine Sache immer häufiger deutlich. Der schönste, modernste Millionenbau hilft der Kinderbetreuung nicht weiter, wenn das entsprechend gebildete und benötigte Fachpersonal fehlt. Die Kita-Reform sollte die Betreuung von Kindern und die frühkindliche Bildung verbessern. Dafür wurde der Personalschlüssel erhöht. Kurzum: Einrichtungen benötigen zum Teil mehr Personal oder einen höheren Personalaufwand. Auf der anderen Seite wurde übersehen, dass weder die Bezahlung in vielen Einrichtungen sehr attraktiv ist noch so mancher Ausbildungsweg, der in vielen Fällen selbst finanziert werden muss. Hier wurde verpasst nachzubessern. Die vorprogrammierte Krise tritt somit ein: Manche Kitas müssen aus Personalmangel Gruppen schließen oder Angebote einschränken. Da hilft auch das modernste Gebäude dann nichts.