Zu viel Bio landet im Restmüll

Stormarner Tageblatt  08.09.2022

Abfallwirtschaft Südholstein: Durch konsequentere Trennung unabhängiger von ausländischem Gas

AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel und Prokurist Olaf Stötefalke stellten die Ergebnisse der Hausmülluntersuchung 2022 vor.  Finn Fischer
AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel und Prokurist Olaf Stötefalke stellten die Ergebnisse der Hausmülluntersuchung 2022 vor. Finn Fischer

Von Finn Fischer

Es ist laut. Ein beißender Geruch liegt in der Luft. Der nach Vergärung. Nach einer Mischung aus frisch gedüngten Feldern und Biomüll. In der AWSH-Biogasanlage, dem Abfall-Wirtschaftszentrum Trittau (AWT), wird Abfall erst zu Gas und dann zu Strom gemacht.
Der reicht für rund 3000 Haushalte und einen Tesla, der am Tor an einer Ladestation hängt. Die Feststoffe können außerdem als Dünger in der Landwirtschaft genutzt werden. Eigentlich ist das, was die Abfalltransporter hier in regelmäßigen Abständen anliefern, kein Müll oder Abfall. Es ist ein Rohstoff und nützlich für die Erzeugung von Gas. Und das ist derzeit so nachgefragt wie schon lange nicht mehr.
Umso mehr ärgert sich AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel darüber, dass immer noch so viel Essensreste und Gartenabfälle nicht in der braunen Tonne entsorgt werden, sondern in der „Schmuddeltonne“ – dem Restmüll. „Wir könnten mit dem Bioabfall im Restmüll problemlos eine weitere Biogasanlage betreiben“. sagt Kissel.
Die Hausmüllanalyse hat ergeben, dass in den Landkreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg – hier ist die AWSH zuständig – jährlich 32000 Tonnen Bioabfall einfach so im normalen Müll entsorgt werden. Im Vergleich – vor allem mit Großstädten wie Hamburg – ist das ein guter Wert. Aber immer noch zu viel. „Damit fällt der Biomüll aus dem Verwertungskreislauf“, sagt Kissel. Mit ihm könne ein weiteres Abfallwirtschaftszentrum fast unter voller Auslastung betrieben werden. Das derzeitige kann 39000 Tonnen Bioabfälle pro Jahr in Gas und Dünger für die Landwirtschaft verwandeln.
Prokurist Olaf Stötefalke zieht den Bogen zur aktuellen Gaskrise: „Wenn das volle Potenzial des anfallenden Bioabfalls genutzt werden würde, könnte Deutschland damit ein Prozent des jährlichen Gasverbrauchs decken – inklusive des industriellen Verbrauchs.“
Einen Appell richtet das Entsorgungsunternehmen vor allem an die rund 6000 Haushalte in Stormarn und Lauenburg, die bislang auf eine Biotonne verzichten und angeben, sämtliche Bioabfälle im Garten selbst zu kompostieren. Denn – auch das hat die Hausmüllanalyse ergeben – statistisch stimmt das nicht. Der Anteil an Bio im Restmüll war bei diesen Haushalten besonders hoch.
Dabei funktioniert das Trennen des Abfalls eigentlich ganz gut. Auch das hat die Untersuchung gezeigt: Was in der braunen Tonne landet, ist zu 98 Prozent tatsächlich auch organisch. Die restlichen zwei Prozent sind Fremdstoffe wie Metall. Manchmal landen Gartenscheren aus Versehen mit in der Tonne. Vor allem sind es aber Verpackungen. Plastiktüten, die als biologisch abbaubar beworben werden, sind hier das größte Ärgernis. „Leute kaufen die Tüten sicher auch mit dem Gedanken etwas Richtiges zu tun“, sagt Dennis Kissel. Doch dass die „Bio“-Plastiktüten in die Biotonne dürfen, sei ein weitverbreiteter Irrglaube. Stattdessen können Papiertüten genutzt werden. Kissel: „Letztendlich kommt der verwertete Bioabfall ja auf die Felder und da will nun wirklich niemand Plastik drauf haben.“
Bemerkenswert an der Hausmüllanalyse ist allerdings, dass Menschen in Lauenburg und Stormarn insgesamt weniger Restmüll produzieren als noch vor sieben Jahren. 2015 produzierte jeder Einwohner im AWSH-Einzugsgebiet 175,1 Kilogramm Müll pro Jahr. 2021 waren es noch 163,77. Und das, obwohl die Bevölkerungszahl von 430000 auf 445000 gewachsen ist.

Dieser Beitrag wurde unter Presseartikel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.