Stormarner Tageblatt 24.09.2022
Falsche Zahlen und echte Probleme
von Finn Fischer und Patrick Niemeier
Verzählt Die Stadt Bad Oldesloe hat das Kurparkstadion neu ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt der SV Türkspor. Beim SC Union Oldesloe sorgte das für Proteste. Schlechte Verlierer? Nein. Denn der Verein – so scheint es derzeit – hat gute Gründe, sich über den Endstand im Vergabeverfahren zu beschweren. Die Entscheidung basiert neben anderen Parametern auch auf den beim Kreissportverband (KSV) gelisteten Mitgliederzahlen. Und die spiegeln nicht die Realität wider. So sagt es Unions-Sprecher Nico Hoff. Darüber habe der Verein die Stadt auch in Kenntnis gesetzt. Dass bei der Entscheidung dennoch die KSV-Zahlen genutzt wurden, begründete die Stadtverwaltung mit „Vergleichbarkeit“. Doch der Kreissportverband übernimmt von Sportvereinen gemeldete Zahlen einfach in die Statistik. Überprüft werden die Angaben offenbar nicht. Wie viel Wert hat also ein Vergleich von Zahlen, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden? Die Antwort liegt auf der Hand. Die Stadtverwaltung hätte bei der Vergabe die tatsächlichen Mitgliederzahlen bei den Vereinen abfragen und gegebenenfalls überprüfen müssen. Egal, ob hierzu eine Verpflichtung besteht, oder nicht. Sonst kann man sich so ein Verfahren auch schenken. Denn das Ergebnis sieht man jetzt. Ein Verein ist frustriert. Nicht wegen der Niederlage. Sondern weil der Schiedsrichter sieben Spieler auf dem Platz zählt, obwohl da tatsächlich elf stehen. Da fehlt es an der im Sport immer groß geschriebenen Fairness. Nicht nur für Union, sondern für alle drei Vereine, die an der Ausschreibung teilgenommen haben. Das sollte gerade ein sport- und fußballbegeisterter Bürgermeister Jörg Lembke erkennen.
Diskussionsstoff
Der Kommunalwahlkampf 2023 rückt näher. Das ist sehr gut daran zu bemerken, dass die lokalen Fraktionen und Parteien die Schlagzahl der Versuche eigener Themensetzungen langsam erhöhen. Doch lässt das für die nächsten Monate nicht viel Gutes erahnen. Denn auch rund um die Haushaltsberatungenim Herbst und Winter kracht es oft gewaltig.
Und genau das erzeugt politischen Frust bei den Wählern, die auf das Prinzipiengestreite oder „das war aber unsere Idee“ in vielen Fällen einfach absolut keine Lust haben. Nach Besuchen in vielen Ausschüssen in lokalen Gemeinde- und Stadtvertretersitzungen ist zu hören, dass man sich so ein Theater nicht so schnell nochmal freiwillig als Zuschauer antun werde. Man kann also jetzt im Vorwege nur appellieren, dass hier und da verbal abgerüstet wird. Klar, es ist verständlich, dass man sich positionieren muss, aber dann bitte mit echten Themen und klaren Positionen und nicht vor allem damit, dass primär massentaugliche Themen aufgegriffen werden und dem politische Gegner vorgeworfen wird, er könne all das ja nicht. Außerdem muss auch niemand betonen, dass sie oder er doch nur das „Beste“ für die Stadt oder Gemeinde wolle. Das sollte schon eine grundsätzliche Überzeugung sein. Warum sollte man sich auch sonst engagieren?
Die Panikmacher
Ein Junge in Bad Oldesloe soll auf seinem Weg nach Hause von einem Fremden angesprochen worden sein. Das ist ein ernstes Thema. Die Polizei nimmt den Vorfall entsprechend ernst. Ermittelt, sucht Zeugen und fährt Streife. Kinder sollten auch sensibilisiert werden. Unbedingt.
Aber was einige Eltern in schlecht bis gar nicht moderierten Internetforen aus so einem Fall machen muss schon unter Paranoia, Verfolgungswahn laufen und als verantwortungslose Lust an Panikmache bezeichnet werden. Keine Ahnung, ob diese Menschen zu viel „True Crime“ Podcasts gehört haben, oder wirklich so denken. Aber wenn vom Pizzaboten bis zum Briefträger quasi alle plötzlich verdächtig sind und an jeder Ecke weitere Hinweise auf ähnliche Vorfälle auftauchen, diese der Polizei aber nicht bekannt sind, wird es Zeit mal das Kopfkino abzuschalten, durchzuatmen und die Finger von der Tastatur zu lassen, liebe Eltern.