Stormarner Tageblatt 29.10.2022
Vandalismus, Frust und leere Worte
Finn Fischer, Joshua Hirschfeld und Patrick Niemeier
Kein Raum für die Bargteheider Jugend
Die Entscheidung der Bargteheider Stadtvertretung ist eine Enttäuschung. Im besten Fall wirkt das alles wie ein Missverständnis. Im schlechtesten ist es Ignoranz. Es ist, als würden weite Teile der Entscheidungsträger nicht verstehen oder verstehen wollen, was die Jugendlichen eigentlich benötigen. Es besteht kein Bedarf an Räumen in einem Jugendzentrum oder einer anderen städtischen Einrichtung, die nach Absprache genutzt werden können, wenn sie denn gerade mal verfügbar sind. Das ist kein Platz, in dem sich junge Menschen ohne Einmischung entfalten können. Deswegen ist das, was da am Donnerstag entschieden wurde, auch kein Entgegenkommen. Kein Kompromiss, mit dem alle Seiten leben können. Es ist kein Wunder, dass sich die Jugendlichen nicht ernst genommen fühlen. Denn sie werden nicht ernst genommen. Und das ist auch nicht das erste Mal. Ähnliches machten die jungen Bargteheider vom Autonomen Jugendhaus (AjH) durch, die vor 15 Jahren in Containern am Stadtrand „abgestellt“ wurden. Oder die der Jugendzentrumsbewegung in den 1970ern, die schon damals selbstorganisierte Orte forderte: „Was wir wollen: Freizeit ohne Kontrollen“, hieß es damals. Diese engagierten Jugendlichen von früher sind schon lange erwachsen. Und einige von ihnen sitzen vielleicht jetzt in Stadtparlamenten und treffen Entscheidungen, wie die am Donnerstagabend. Und doch hat sich seit den 1970ern nicht viel geändert. Nicht einmal die Tonart der Auseinandersetzung. Damals wie heute wurden die Aktivisten von einigen politischen Protagonisten in die (links-)extreme Ecke gedrängt. Damit werden legitime Anliegen diskreditiert. Schön, dass sich alle politischen Fraktionen in Bargteheide einig darüber sind, „dass die Jugend Räume braucht“. Solange aber die Wünsche der Jugendlichen dabei kein Gehör finden, ist das nur ein Lippenbekenntnis. Schade.
Die geringe Wertschät- zung der Vandalen
Eine jede Tat hat Folgen. So auch der Vandalismus-Vorfall in Delingsdorf. Unbekannte haben dort auf dem Gelände des Sportvereins randaliert, Grillhütte und Getränkelager aufgebrochen und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Der dabei entstandene Schaden ist nicht primär finanzieller Natur. Er ist emotionaler Natur. „Da steckt so viel Herzblut drin. Ich kann nicht verstehen, wie man all das so mit Füßen treten kann“, sagt Vorsitzende Sabine Buck. Dass sich Ehrenamtliche demotiviert von ihrem Engagement abwenden, das ist die große Gefahr solcher Randale. Wer will schon gern vor den Trümmern seines jahrelangen Einsatzes stehen? Die Arbeit von Ehrenamtlichen im Sport ist unheimlich wichtig. Besonders in einer Zeit, in der sich immer weniger Menschen ehrenamtlich engagieren und die Sportvereine im Land massiv an Mitgliedern verlieren. Allein in den letzten 15 Jahren schwanden 100000 Mitglieder. Dabei hat der Sport einen unschätzbaren gesellschaftlichen Wert: Hier werden zentrale Werte des Miteinanders, des Respekts, des füreinander Einstehens gelebt. Es sind Werte, die den Tätern offenbar fremd sind. Umso schöner ist es, dass man sich in Delingsdorf von den Randalen das Engagement nicht madig machen lassen will. Denn ohne den Einsatz von Ehrenamtlichen funktioniert der Sport nicht.
Die große Kunst der schönen Worte
Pressesprecher großer Unternehmen sind oft ehemalige Journalisten. Doch sobald sie die „Fronten“ wechseln, werden sie auch zu natürlichen „Gegnern“ in zu vielen Fällen. Grundlage dafür, eine gute Pressesprecherin zu sein, ist es oft offenbar, möglichst viele Marketing-Aspekte und nette Worthülsen in einer beliebigen Reihenfolge in eine Antwort an die Journalistenschaft zu packen. Das ist dann natürlich eine Herausforderung für die schreibende oder aufarbeitende Zunft. Gut zu vergleichen ist das für alle Menschen, die damit keine direkten Erfahrungen haben mit einem „Schwarz, weiß, Ja, Nein“-Spiel, in dem es verboten ist mit diesen Worten auf Dinge zu antworten. Tatsächlich ist das Spiel das perfekte Pressesprecher-Trainingscamp möchte man denken. Das zeigte sich nun wieder im Fall des Reisezentrums im Bahnhof Bad Oldesloe. Ob das im nächsten Jahr noch existiert? Man weiß es nicht so genau. Aber der Verdacht erhärtet sich, dass es in der aktuellen Form nicht mehr vorhanen sein wird. Denn bei konkreten Nachfragen taucht die Deutsche Bahn ab und – man ahnt es – übt sich in Form einer Pressesprecherin, die ihren Namen nicht im Artikel lesen möchte, darin auf klare „Ja oder Nein“-Fragen mit vorgefertigen Satzbausteinen zu antworten, die allerdings – man ahnt es – weder „Ja“ noch „Nein“ bedeuten. All das klingt dann oftblumig und positiv, bleibt aber schwammig und ungenau und daher intransparent und vermutlich in Teilen auch einfach unehrlich. Vielleicht sitzen da auch gar keine Pressesprecher-Menschen sodern Bots, die nur einige Antworten kennen. Das würde ehrlich gesagt auch irgendwie oft nicht auffallen.