Stormarner Tageblatt 03.12.2022
Moral, Diebe, Streetwork und Kindheit
von Patrick Niemeier, Finn Fischer und Guido Behsen
Die Saison der Diebe
„Gelegenheit macht Diebe“, lautet ein altes, bekanntes Sprichtwort. Und leider ist es nun so, dass das Gedrängel rund um Weihnachtsshopping und Adventsmärkte die nahezu perfekten Rahmenbedingungen für Taschendiebe und ihre eigentlich altbekannten Tricks bietet. Ein positiver Nebeneffekt der Corona-Pandemie und dem Einhalten von Abständen und Co. war ja, dass die Kriminellen eine Flaute bei ihrem „Geschäftsmodell“ erlebten. Man mag nun viel darüber diskutieren, wie unmoralisch und verwerflich das Tun der Taschendiebe ist und wie bedauerlich es ist, sich mit ihren Tricks auseinandersetzen zu müssen. Es hilft nur alles nichts. Denn mit moralischen Bedenken wird man die Kriminellen in ihrem Tun nicht aufhalten. Da hilft es nur mit Vorsicht unterwegs zu sein und die Tricks der Ganoven zu kennen.
Analog ist besser
„Digital ist besser“ sang die Hamburger Band „Tocotronic“ einst mit ironischem Unterton. Und längst muss man sagen, dass die Erkenntnis wächst, dass die Digitalisierung und die ständig weiter durchgezogene Modernisierung und Automatisierung auch so ihre Tücken hat, die sich immer deutlicher zeigen. Zum Beispiel bei den Warnsystemen für Bürger. Nach und nach wurden analoge Sirenen abgeschafft. Doch Warn-Apps und Cell Broadcasts erreichen nicht alle Menschen, von einem Stromausfall mal ganz abgesehen. Und so werden nach und nach alte Systeme wieder aufgerüstet. Das eingedampfte Sirenen-Netz über Stormarn wird wieder erweitert.
Und auch in anderen Bereichen merkt man – mit Blick auf mögliche Black-Outs – beim Durchgehen der Liste mit Dingen, die dann nicht funktionieren werden, sehr schnell, das digitale und elektronische Helfer ganz flott zum Schweigen mit dunklem Bildschirm verdammt sein könnten. Oft gilt eben: „Im Ernstfall ist analog doch besser“.
Städte brauchen Streetworker
Verbände wie der Kinderschutzbund hatten gewarnt, jetzt scheinen die sozialen Folgen der Coronapandemie auf den Schulhöfen anzukommen. Sowohl in Bad Oldesloe als auch in Bargteheide kam es in den vergangenen Monaten vermehrt zu Polizeieinsätzen. In Bargteheide geht das so weit, dass der Bereich am Schulzentrum vielleicht wieder als gefährlicher Ort eingestuft wird. Hier könnte es sich als Vorteil erweisen, dass sich die Stadt zwei Streetworker leistet. Auch in Glinde hat kürzlich eine aufsuchende Sozialarbeiterin ihre Arbeit aufgenommen. Die Kreisstadt hingegen tut sich schwer damit, Geld für so eine Stelle auszugeben. Vereinzelte Bemühungen seitens der Lokalpolitik verliefen im Sande. Dabei brauchen Kinder und Jugendliche niedrigschwellige Hilfsangebote. Eine gut funktionierende Schulsozialarbeit ist wichtig, wird in einigen Fällen aber nicht greifen. Dann braucht es Streetworker. Eine zum Hamburger UKE in Auftrag gegebene Studie (COPSY-Studie) hat ergeben, dass sich die Anzahl psychisch belasteter Kinder während der Pandemie von 15 auf 30 Prozent erhöht hat. Hinzu kommen früher oder später auch Heranwachsende, deren Familiengefüge von Inflation, Jobverlust der Eltern und einem damit verbundenen sozialen Abstieg bedroht sind. Diese Jugendlichen suchen sich andere Räume, oft auf der Straße, um dem heimischen Stress zu entfliehen. Dort sollten sie von einer Stadt auf keinen Fall allein gelassen werden.
Und was war Ihr großer Schatz?
Im Leben dreht sich leider zu viel um Geld, Termine, Karriere. Davon kann so ziemlich jeder ein Liedchen singen. Eine kleine Flucht können da Erinnerungen an die Kindheit sein und an die Dinge, die einem damals wichtig waren. „Schätze der Kindheit“ heißt eine Ausstellung im Bad Oldesloer Heimatmuseum, bei der es genau darum geht. Die Modelleisenbahn, die dem Vater fast noch wichtiger war als dem Sohn. Der Teddy, der immer und überall dabei sein musste. Das vom wiederholten Lesen ganz zerfledderte Lieblingsbuch. Mein ganzer Stolz als Kind war übrigens ein „Tango“-Ball von Adidas. Und was war Ihr Schatz? Viel Spaß beim Erinnern.