Stormarner Wochenschau: Schön, besinnlich, real

Stormarner Tageblatt  10.12.2022

Schön, besinnlich, real

Karikatur: Megi Balzer
Karikatur: Megi Balzer

Von Patrick Niemeier, Finn Fischer und Guido Behsen

Realität und Wunsch
Irgendwas stimmt nicht mit den Schulmensen in Bad Oldesloe. Könnte man zumindest denken. Denn immer wieder wird über die Qualität des Essens und über die Konzepte diskutiert. Egal welcher Caterer gerade gebucht ist, es gibt Lehrer und Eltern, die ganz andere Ideen hätten. Liegt es also vielleicht nicht an den Mensen und am Konzept? Was ist kindergerechtes Essen? Und was darf man für vier Euro – inklusive Nebenkosten – erwarten? Und sind es wirklich so viele Menschen, die sich vegetarisches Essen für ihre Kinder wünschen oder ist diese Minderheit besonders laut? Und was passiert eigentlich, wenn an einer Ganztagsschule die Teilnahme am angebotenen Mensa-Essen freiwillig wäre? Bringen dann wirklich alle Kinder Essen von zuhause mit? Oder würden genau die zu kurz kommen, deren Eltern aus reinen Kostengründen die Mensa-Versorgung streichen? Und was stimmt eigentlich nicht mit Eltern, denen 63 Euro im Monat für tägliches Mensa-Essen zu teuer sind?
Die Vorstellungen, was Mensen anbieten können sollten oder müssten gehen weit auseinander. Die einen wünschen sich auch mal einen Hot-Dog und die anderen wünschen sich nur fleischloses Essen. Doch eine Mensa ist kein Restaurant und dass es jedem Kind an jedem Tag schmecken muss, ist schlichtweg unrealistisch. Und solange manche Eltern vor allem im Blick haben, was sie sich primär für ihr eigenes Kind in Sachen Ernährung wünschen und vergessen, was vielleicht realistisch ist und auch für hunderte anderer Kinder passt, wird es Streit um Mensen geben. Es ist ein Realitäts-Check angesagt, wenn über Schulessen diskutiert wird. Dabei sollte im Mittelpunkt stehen, dass die Ernährung natürlich für Kinder gesund ist, aber zugleich sollten Kinder nicht in der Mense die Ernährungsideologie der Eltern leben müssen. Und vor allem sollten die Kinder sich selbst äußern – ihre Wünsche und ihre Kritik – und nicht in erster Linie die laute Riege aufgebrachter Helikoptereltern, die täglich darum bemüht ist ein scheinbar perfektes Umfeld vor allem für ihr Kind zu schaffen, während es dabei aus Versehen zum Egoisten erzogen wird.

Es könnte schöner sein
Zahlreiche Menschen in Bargteheide und Umgebung haben Anfang Dezember nicht nur für sich selbst eingekauft, sondern auch für andere. Bei der Aktion „Bitte eins mehr“ kamen mit Unterstützung mehrerer Supermärkte fünf Tonnen Lebensmittel für die Ahrensburger Tafel zusammen. Ein Rekord und Zeichen von Menschlichkeit.
Doch eigentlich sollte das alles nicht nötig sein. In einem der reichsten Länder der Welt bekommen nicht wenige Menschen immer noch Hungerlöhne, dass sie sich nach der Arbeit bei einer Tafel für Almosen anstellen müssen. Dann kommt ein CDU-Chef Friedrich Merz und beschwert sich darüber, dass mit dem neuen Bürgergeld Leute ohne Arbeit mehr bekommen würden als die, die arbeiten gehen. Was freilich völliger Unsinn ist und offenbar die Armen gegen die Ärmsten ausspielen soll. Das ist weder Menschlich noch christlich, sondern einfach nur zynisch. Nun, solange es Menschen in politischen Führungspositionen an der Menschlichkeit (oder Kompetenz) fehlt, etwas sinnvolles zur Armutsbekämpfung beizutragen, tröstet es ein bisschen, dass es Leute gibt, die selbstlos für andere einkaufen.

Besinnlichkeit
Im vorweihnachtlichen Stress einfach mal die Zeit vergessen – das geht besonders gut mit Fotos. Und zwar solchen auf Papier, nicht die im Smartphone. Dort wischt man vor und zurück und findet doch nie das, wonach man sucht, zwischendurch ploppen Mitteilungen und Nachrichten auf und hinterher ist man genauso schlau wie vorher und im schlimmsten Fall genervt. Fängt man aber einmal an, in alten Alben zu blättern, kommt man aus dem Stöbern nicht mehr heraus. Der Gemeinde-Archivar von Sülfed hat dieses Stöbern zur Profession gemacht und stellt aus historischen Aufnahmen des Ortes und seiner Bewohner Jahr für Jahr einen Kalender zusammen. Unlängst ist „Sülfeld… historisch 2023“ erschienen. Die Gaststätte vor mehr als 100 Jahren, die Meierei, die es lange nicht mehr gibt, Steppkes in kurzen Lederhosen – beim Anblick der Bilder aus Sülfeld kommen dem Betrachter auch anderswo unweigerlich Erinnerungen an ähnliche Menschen, Gebäude und Situationen aus der eigenen Vergangenheit in den Sinn. Es lohnt sich, für einen Moment darin zu schwelgen. Und vielleicht auch noch einen Moment länger. Und vielleicht auch ein bisschen an die alte Zeit zu denken.

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