Stormarner Tageblatt 20.01.2023
Traum vom Eigenheim wird teuer / Bauexperte klärt über den Stormarner Immobilienmarkt auf
Finn Fischer
Wer jetzt ein Haus baut, muss wesentlich mehr investieren als noch vor ein paar Jahren. Die Energiekrise und eine drohende Rezession haben dem Immobilienmarkt stark zugesetzt. Auch Menschen mit hohen Einkommen können sich im Vergleich zu Anfang 2022 kaum noch Immobilien leisten. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Vor allem Großstadtregionen sind teuer geworden. Die Zahl an erschwinglichen Ein- und Zweifamilienhäusern hat sich für das reichste Fünftel mehr als halbiert. Fast genauso stark gesunken ist die Auswahl im Umland der Metropolen. Der Hamburger Bauexperte Christian Paulsen berät auch Kunden in Stormarn, die statt Miete zu zahlen lieber ein Eigenheim bauen oder eine gekaufte Immobilie sanieren wollen. „Die Lage für den privaten Bauherren ist durch Baukostensteigerung bei gleichzeitigem Anstieg der Zinsen und einer Streichung von Zuschüssen wie KfW Förderungen nicht gerade rosig“, sagt Paulsen.
Bisher habe sich an der Nachfrage nach seinen Diensten aber nicht viel geändert, sagt Paulsen: „Die Auswirkungen werden sich erst im nächsten halben Jahr zeigen. Bisher arbeiten wir an den Projekten, die vor über einem halben Jahr oder gar Jahr verkauft wurden.“
Auch damals war Bauen schon teuer, aber im Vergleich zu heute noch erschwinglicher. Wer Ende 2022 als Paar ein mittleresEinkommen, also rund 3730 Euro netto hatte und ein Einfamilienhaus kaufen wollte, konnte sich lediglich 28 Prozent der angebotenen Objekte leisten. Anfang des Jahres waren es noch 40 Prozent. Ähnliches gilt für einen Neubau.Kein Wunder. Bauexperte Christian Paulsen: „Für einen schlüsselfertigen Neubau rechne ich derzeit reell mit mindestens 2000 Euro pro Quadratmeter. Das kann schnell aber auch bei 2500 Euro und darüber liegen.“ Bei 2500 Euro pro Quadratmetern würde ein Einfamilienhaus mit 160 Quadratmetern Wohnfläche demnach bei 400000 Euro liegen – Grundstück nicht inbegriffen.
Also lieber einen Altbau sanieren? Nicht unbedingt, sagt Bauberater Paulsen: „Beides ist wie immer möglich. Die Sanierung ist jedoch nicht günstiger als der Neubau. Ich denke, die Preise für die Bestandsimmobilien müssen sich ein wenig zurecht schaukeln – also sinken.“
Ob das passiert, werde sich im Laufe des Jahres zeigen. Derzeit ergebe sich ein anderes Bild. Laut IW-Studie bleiben die Preise derzeit weitgehend stabil, obwohl deutlich weniger Menschen tatsächlich kaufen und es mehr Inserate gibt.
Fest steht: Bauen muss wieder günstiger werden. Nicht nur, damit sich Gutverdiener ihr Eigenheim leisten können. Die teuren Baukosten haben ebenso Auswirkungen auf die Mietpreise. Auf die Frage, was er von der Politik erwartet, damit Bauen wieder attraktiver und bezahlbarer wird, sagt Christian Paulsen: „Das ist wie immer die Gretchen-Frage. Bisher sind die gesetzlichen Vorgaben immer weiter gestiegen.“ Also: Bürokratie abbauen und Verfahren erleichtern. Das wäre ein Anfang.
Und ein Eigenheim „von der Stange“, wie etwa Tiny- oder Fertighäuser? „Eine serielle Bauweise halte ich nicht für realistisch, weder für Neubau noch für Altbau“, sagt Architekt Christian Paulsen. Typenhäuser jeglicher Bauart gebe es ja bereits.
Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kann die Politik die Bürger bei der Wohneigentumsbildung unterstützen, ohne die öffentlichen Kassen stark zu belasten. Wer seine erste Immobilie kauft, könnte etwa mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer entlastet werden.
Auch eine progressive Grunderwerbsteuer, bei der die Steuerlast mit dem Kaufpreis steigt, würde Menschen mit niedrigerem oder mittlerem Einkommen helfen, wie Studienautor Michael Voigtländer, sagt: „Interessenten von kleinen Immobilien hätten dadurch bessere Chancen.“ Auch eine staatlich organisierte Hypothekenversicherung nach niederländischem Vorbild reduziert die Hürden: Falls der Käufer seine Raten nicht mehr zahlen kann, springt der Staat ein.