Oldesloe macht Druck

Stormarner Tageblatt   08.04.2019

Oldesloer Lokalpolitiker fordern sofortige Einführung der Bildungskarte und kritisieren den Kreis scharf

Patrick Niemeier Bad Oldesloe Cornelia Steinert ist jedes Mal hörbar fassungslos, wenn sie über die Bildungskarte in Stormarn berichtet. „So ein reicher Kreis und wir bekommen es nicht hin, bedürftigen Kindern den Zugang zu ihrem Geld zu gewährleisten, dass ihnen per Bildungs- und Teilhabepaket zusteht“, sagt die Linken-Politikerin. „Wenn ich darüber nachdenke, da stockt mir der Atem, da wird mir ganz schlecht. Wir als reichster Kreis im Land, sind die, die am schlechtesten mit den bedürftigen Kindern umgehen“, legt sie nach.

In ganz Stormarn hatten 2017 laut paritätischem Wohlfahrtsverband 1950 Kinder zwischen sechs und fünfzehn Jahren Anrecht auf Gelder aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, aber nicht mal 300 Familien riefen die entsprechenden Gelder ab. Damit liegt Stormarn abgeschlagen mit nur 14% auf dem letzten Platz in Schleswig-Holstein.

Cornelia SteinertDa Bad Oldesloe besonders stark von Kinderarmut in Stormarn betroffen ist, ist in der Kreisstadt auch besonderer Handlungsbedarf. 2018 lebte laut Armutsatlas des Kinderschutzbundes jedes dritte Kind in Bad Oldesloer in einer Familie, die Sozialleistungen vom Staat beziehen muss. Insgesamt 1453 Kinder. Die gesellschaftliche Teilhabe würde für diese Betroffenen besser laufen, ist sich Cornelia Steinert (Bild rechts) sicher, wenn die Bildungskarte eingeführt werde.

Vorreiter ist die Firma Sodexo. Mit der Karte wird die Abrechnung wie mit einer Guthabenkarte bei Anbietern vom Sportverein bis zur Mensa gewährleistet. Dadurch werden betroffene Kinder nicht mehr so stark stigmatisiert und bürokratischer Aufwand würde gleichzeitig entfallen.

Es ist nicht so, dass die Einführung dieser Karte nicht schon 2016 durch die Kreispolitik beschlossen worden wäre. Doch im Endeffekt passierte bisher nichts. Der Grund: „Datenschutzprobleme“, wie es aus der Kreisverwaltung heißt.

„Das ist großer Blödsinn. Aus unserer Sicht war nicht der nötige Druck dahinter. Der Wille fehlte. Andere Kreise haben die Karte auch eingeführt. Wie haben die das gemacht?“, so Jörn Lucas (CDU, Bild links) . Wiederholt hatte die Oldesloer Politik quer durch die Fraktionen Erklärungen von der Kreisverwaltung eingefordert, warum denn die Einführung stocke. „Es scheint ihnen egal zu sein – den Eindruck muss man bekommen“, mutmaßte der Linken-Abgeordnete Hendrik Holtz in einer Sitzung. Der Landrat hänge sich nicht hinter solche Themen.

„Ich habe mich bei unseren Kreistagsabgeordneten erkundigt. Es hieß , die anderen Kreise hätten die Karte entgegen der Gesetzeslage eingeführt und nun genau daher Probleme“, so Dagmar Danke Beyer (Die Grünen). „Solange sich die Kreisverwaltung sperrt, wird sich nichts tun, fürchte ich. Da müssen wohl einige in der Verwaltung über ihren Schatten springen“, sagte auch Tom Winter (Familienpartei). Er forderte den Kreis auf, unverzüglich die nötigen Schritte einzuleiten.

Aus dieser Gemengelage bildete sich eine nicht unbedingt erwartbare Allianz: die CDU und die Linken erarbeiteten in der Kreisstadt gemeinsam einen Antrag, der die Kreisverwaltung eindeutig auffordert, die Karte umgehend einzuführen.

„Wir sind in dieser Sache einer Meinung und gehen das Thema an. Wir wollen über Parteigrenzen hinweg den Kindern und Familien helfen und finden es ein Unding, dass da bisher quasi nichts passiert ist“, erklärt Steinert.

Mit der reinen Einführung sei es derweil nicht wirklich getan. „Es braucht dringend Informationsveranstaltungen. Die Bürgerbeauftragte des Landes ist total begeistert, dass wir uns dem Thema so annehmen und hat uns Unterstützung zugesagt. Wir müssen das Thema zu den Menschen bringen. Und das nicht nur an die, die es nutzen wollen, sondern vor allem auch zu den Anbietern von Leistungen wie Vereinen oder Mensen“, sagte Steinert.

„Wir stehen bei diesem Thema zusammen. Wir machen gemeinsam Druck“, so Jörn Lucas (CDU). Im Antrag – der einstimmig von den Mitgliedern des Bildungs- Sozial- und Kulturausschuss angenommen wurde – wird auch eingefordert, dass ein runder Tisch für Anbieter eingerichtet wird. Außerdem müssten die dezentralen Infoveranstaltungen in mehreren Sprachen durchgeführt werden. Alle Schulen sollen dazu bis zu den Sommerferien eingeladen werden. Außerdem wurde die Stadtverwaltung durch die Lokalpolitiker aufgefordert, die kurzfristige Einführung nebst transparenter Zeitplanung einzufordern.

In der Kreisverwaltung regt sich nun wirklich etwas. Es soll aktuell ein Weg gefunden werden, trotz der Datenschutzproblematik den Beschluss zur Einführung umsetzen zu können. Allerdings solle ein „Flickenteppich“ vermieden werden. Alle Städte und Kommunen müssten dafür mitziehen. „Man hat mir gegenüber jetzt versichert, dass in der zweiten Jahreshälfte die Karte kreisweit eingeführt wird“, so Bürgermeister Jörg Lembke über den Fortgang der Gespräche.

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