Betrachtungen zum Wochenausklang: Verdammt, wo bleibt die Fairness?

Stormarner Tageblatt  16.01.2021

Stormarner Wochenschau

Verdammt, wo bleibt die Fairness?

Des einen Leid, des anderen Freud... Megi Balzer
Des einen Leid, des anderen Freud… Megi Balzer

Patrick Niemeier, Stephan Poost und Volker Stolten
KOnfliktPotenzial
Das Schuhfachgeschäft muss schließen und der Supermarkt nebenan macht das große Geschäft. Was erstmal unlogisch und unfair klingt, ist für viele Einzelhändler bittere Realität. Das gilt auch für Textilienhändler oder andere Fachgeschäfte, die im Shutdown schließen müssen, damit die Kontakte drastisch weiter beschränkt werden. Dass sich Händler darüber aufregen und vor allem dauerhaft glauben, Kundschaft zu verlieren, ist absolut nachvollziehbar. Es ist auch nicht vermittelbar. Tatsächlich könnte die einzige Lösung nur sein, Supermärkte und Drogerien auf ein unbedingt notwendiges Kernsortiment zu beschränken. Kurzum: Es sollte wirklich nur noch Dinge geben, die für das alltägliche Leben notwendig sind. Alles andere ist halbherzig und richtet dauerhaften Schaden im Einzelhandel an, während gleichzeitig auch das Vertrauen in die Fairness der Maßnahmen sinkt. Genau das kann man sich aber nicht erlauben, wenn man die Pandemie wirklich überstehen möchte. Dass ausgerechnet große Supermarkt-Ketten, Tankstellen und Co. die Taschen füllen können, während manche Einzelhändler das Gefühl haben, für Fördergelder zum Bittsteller werden zu müssen, ist eine Unwucht, die ausgeglichen werden muss. Möglich wäre das auch dadurch, dass Supermarktketten verpflichtet werden, einen Teil der Gewinne aus dem Non-Food-Sortiment in eine Art Solidaritätsfonds für geschlossene Einzelhandelsgeschäfte einzahlt.

Was nun, was tun?
Eigentlich gibt es doch immer ein Licht am Ende des Tunnels. Doch in diesem Fall ist das Licht eher eine Funzel und kaum auszumachen. Es ist Corona-Zeit. Noch Fragen? Ja! Beispielsweise diese: Woran liegt es, dass die Zahl der Neuinfizierten nicht signifikant runter-, aber die Zahl der Todesopfer raufgeht? Dass sich trotz des Shutdowns das Virus nicht eindämmen lässt? Da ist guter Rat teuer. Aber zumindest die Vorgehensweise der Politik verständlich. Die muss ja irgendwie auf das Corona-Desaster reagieren. Warum tun es die Menschen nicht? Nicht alle Menschen, klar. Aber doch so viele, dass sich das Blatt nicht wendet.
Die treffen sich heimlich, in Nacht- und Nebelaktionen, um zusammen zu sein, um zu feiern. Nach mir die Sintflut. Wird schon nichts passieren, wird schon gutgehen. Geht es aber nicht. Ganz im Gegenteil. Sie sind es, die dem Virus weitere Nahrung geben und den Vormarsch begünstigen.
Wäre es jetzt allerdings ratsam, das Shutdown-Korsett noch enger zu schnüren und weitere Atemnot in Kauf zu nehmen? Oder wäre es nicht besser, den Menschen unter Einhaltung der Vorgaben und strikter Umsetzung der Regeln, zu gestatten, sich beispielsweise draußen zu treffen – mit Heizstrahlern vor dem Restaurant zu essen oder mit Decke an der frischen Luft einen Cappuccino vor dem Café zu trinken? Sie treffen sich ja sowieso – drinnen, mit fatalen Folgen. Was die Zahlen belegen. Diese Überlegung ist gewagt und nicht gerade klimafreundlich, das ist wahr, dafür aber menschenfreundlich. Voraussetzung wäre allerdings eine knallharte Umsetzung der Regeln, was bisher eher stiefmütterlich geschieht, mit Konsequenz für den „Corona-Sünder“ – etwa über den Geldbeutel.

Eigeninteressen?
Der Seniorenbeirat in Bad Oldesloe ist gegen den Anbau eines Pflegeheims im Kurpark. Da muss man sich vielleicht erstmal die Augen reiben. Handeln die Mitglieder des Beirates nicht gegen die eigenen Interessen? Nur scheinbar, denn entgegen anderer Beteiligter blicken sie über den Tellerrand hinaus und diskutieren, was es eigentlich bedeute, Grünflächen immer weiter zu bebauen und die „Grüne Lunge“ der Stadt immer weiter zu verkleinern. Ach, mag man sagen, wir sitzen hier doch mitten im Grünen, rund um die Kreisstadt herum, gibt es Natur genug. Ja, für diejenigen, die mobil sind. Wer als alter Mensch in der Kreisstadt lebt, freut sich über Blumen, singende Vögel, grüne Bäume und frische Luft mitten in seiner Stadt. Welche Interessen in dem Fall schwerer wiegen, mag jeder für sich selbst entscheiden, doch diese Diskussion anzustoßen, das war wichtig.

Einfach gut?
„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ oder „Den Letzten beißen die Hunde“, sind Binsenweisheiten, die sich gerade dienstags bei der Impftermin-Vergabe bewahrheiten. Denn die Mehrzahl der über 80-Jährigen, die per Hotline oder online versuchen, sich für den Piks registrieren zu lassen, schauen in die Röhre! Doch mit diesem Windhund-Prinzip ist Ende Januar Schluss. Das Gesundheitsministerium des Landes hat den Aufschrei der leerausgehenden Senioren nach einer komfortableren Impftermin-Vergabe gehört und reagiert: Vom 28. Januar an erhalten die mehr als 200.000 zur Corona-Risikogruppe zählenden Bürger in Schleswig-Holstein und somit auch viele genervte Stormarner ein Infoschreiben mit persönlichem Pin-Code und Rufnummer. Gesundheitsminister Heiner Garg, der vor wenigen Tagen diesen Service noch abgelehnt hatte, rudert zurück. Das ist gut so und genau richtig. Einsicht ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung. Aber warum nicht gleich so? Dass das aktuelle Verfahren nicht klappt, hätte man an fünf Fingern abzählen können. Dafür übersteigt die Nachfrage bei weitem das Angebot. Nun wird hoffentlich alles einfacher, besser…

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