Aktionismus statt Wertschätzung

Stormarner Tageblatt  15.04.2021

Die Kulturszene im Land brodelt, weil die Corona-Kulturprojekte des Ministeriums unausgegoren wirken

Jacqueline und Hauke Wendt „backstage“ in einem Lager der Musicalschule.  Patrick Niemeier
Jacqueline und Hauke Wendt „backstage“ in einem Lager der Musicalschule. Patrick Niemeier

Patrick Niemeier Viel Aktionismus, wenig echte Wertschätzung, dafür aber Medien-Hype um Alibiprojekte. Die Kritik nach der Vergabe der Corona-Modellprojekte sorgt in Stormarn für ein hartes Echo aus Teilen der Kulturszene an Kultur- und Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Vor allem Hauke Wendt, Leiter der Musicalschule in Ahrensburg, reicht es jetzt mit der Corona-Kulturpolitik des Landes endgültig. Das habe nichts damit zu tun, dass er es dem Kulturzentrum Schloss Reinbek nicht gönne, das als einzige Einrichtung im Kreis als Corona-Modellprojekt ausgewählt wurde.
„Der Stachel nicht berücksichtigt worden zu sein, tut mehr weh, als ich dachte. Da steckte viel Arbeit und viel Hoffnung drin“, sagt Wendt. Für den international bekannten Musicalprofi, der mit seiner Frau in Ahrensburg eine Musicalschule betreibt, ist es der nächste Schlag ins Kontor und eine weitere zur Schau getragene, gefühlte Geringschätzung durch das Kulturministerium unter Prien.
Dass die Absage nur zwei Zeilen lang war, sei unpersönlich und ohne jegliche Wertschätzung. Auch auf lokaler Ebene frage er sich allerdings, welchen Stellenwert Kultur noch habe. Von der dafür zuständigen Mitarbeiterin im Ahrensburger Rathaus, Petra Haebenbrock-Sommer, habe er initiativ noch nichts gehört. „Wenn ich die nicht gerade in einem Video-Gruppenchat gesehen hätte, könnte ich nicht sagen, ob es die noch gibt“, sagt ein angefressener Wendt.
„Wir haben uns ein Jahr lang bemüht, jede, aber auch wirklich jede Musical-Stunde in unserer Schule virtuell stattfinden zu lassen. Wir sind für die Kultur aktiv geblieben, obwohl es wirtschaftlich für uns schlauer gewesen wäre, das nicht zu machen“, sagt Wendt.
Aber statt Dank für den Einsatz zu bekommen, solle man selbst als Kulturschaffender offenbar nur noch dankbar sein. „Wer die Musik bestellt, bezahlt dafür. Das Land schließt uns, bleibt dabei sogar noch Erklärungen schuldig, warum gerade uns – dann soll das Land auch voll für die Kosten aufkommen. Aber da duckt man sich weg und zeigt nur nach Berlin. Nein, es sind Daniel Günther, Dr. Bernd Buchholz und Karin Prien, die für diese Entscheidungen geradestehen müssten“, sagt er.
Oftmals habe das Land im Ansatz gute Ideen für die Kultur gehabt, die Umsetzung sei dann nicht wirklich gelungen. So zum Beispiel bei Teilen des Kulturfestivals SH. „Wenn ich sehe, dass sich da zehn Leute den Livestream anschauen, muss ich das nachbessern, aber das passierte nicht“, führt Wendt aus. Statt angebrachter Selbstkritik habe man sich wieder für den angeblichen Erfolg medial in Pressemitteilungen gefeiert.
Tatsächlich war das Kulturfestival auch im Bad Oldesloer Kultur- und Bildungszentrum ein Flop und die wohl erfolgloseste Veranstaltung, die bisher im Kub stattfand. Im Prinzip interessierte sich in der Kreisstadt niemand wirklich für das schlecht beworbene und zum Teil auch bemerkenswert schlecht kuratierte Event.
Kub-Leiterin Inken Kautter ist enttäuscht über die Absage in Sachen Kultur-Modellprojekt an ihre Einrichtung. „Wir haben das hochprofessionell in kürzester Zeit vorbereitet. Ich denke man hätte vorher sagen können, dass man eher auf die Theater setzt. Auch die Ankündigung, dass pro Kreis drei Projekte die Chance bekommen, dann aber nur eines ausgewählt wird, wirkt irritierend, muss ich zugeben“, sagt sie. Sie denke das Ministerium sei schlichtweg überfordert mit der Situation, wie viele andere im Land auch.
Der Stil der Kommunikation lasse allerdings trotzdem Fragen offen. „Ich habe im Vorwege schon viel intern an der Ausschreibung kritisiert. Ich werde das nicht wiederholen, weil wir es dem Kulturzentrum Reinbek gönnen und es nicht um gewinnen oder verlieren gehen soll“, sagt Kautter. Sie habe aber großes Verständnis für Wendt und die Musicalschule.
Die Spaltung von Teilen der Kulturszene ist ein weiterer negativer Nebeneffekt des Vorgehens des Kulturministeriums, sagen Teilnehmer der Ausschreibung. Anstatt für die Kulturszene positiv zu wirken, sei der Frust gestiegen und an einigen Stellen seien in dieser Form des Ausschreibungswettbewerbs Fronten unter Kulturschaffenden aufgemacht worden.
„Die schon staatlich subventionierten Theaterhäuser hat man berücksichtigt, teilweise mehrere in einer Region. Da sind die Intendanten natürlich näher an der Regierung und am Ministerium. Auf meine Mails hingegen antwortet man nicht“, wird Musicalschul-Chef Wendt deutlich. „Das Land macht es sich sehr, sehr leicht“, sagt Wendt.
„Dass wir Vollprofis sind, die davon leben und die auch inklusive ihres Teams wissen, was sie hier tun, das scheint immer deutlicher egal“, sagt Wendt. Er habe das Gefühl, dass die Projekte der Kulturministerin zumeist eine Art Alibicharakter haben. Wenn man die Pressemitteilungen oder Verlautbarungen aus der Landesregierung mitbekomme, erzeuge das schon auch ungläubiges Kopfschütteln.
„Es muss leider der Eindruck entstehen, dass es vor allem um die Außendarstellung geht, nicht dass das Land sich ernsthaft mit der Kultur im Land befasst“, sagt Wendt nach einem Jahr Pandemie.
Und auch wenn Gelder fließen, sorge das sogar noch für Probleme. „Dann bekommen wir sogar Geld aus dem Topf Neustart Kultur. Das ist gut. Aber dann müssen wir einen Eigenanteil von zehn Prozent zahlen. Haben wir gerne gemacht, weil wir dachten, dann dürfen wir auch wieder arbeiten mit einer Belüftungsanlage“, sagt Wendt. „Stattdessen habe ich nun also nur Kosten gehabt durch die Beteiligung. Die Förderung ist gerade eine finanzielle Belastung. Das ist doch absurd“, führt er aus.
Die unpersönliche Absage ohne jegliche Empathie habe zusätzlich den Motivationsstecker zwischenzeitlich gezogen. Das geht auch Kautter vom Kub so. „Wir bereiten jetzt dann halt wieder für den Sommer Projekte im Freien vor und hoffen auf den Herbst. Aber klar: Motivierend sieht anders aus“, sagt sie.
Sie werde detaillierte Erklärungen dazu einfordern, wie es zu den Entscheidungen kam und woran es bei der eigenen Bewerbung gemangelt haben soll. „Nicht weil ich wütend bin, sondern weil ich neugierig bin und das wissen möchte“, sagt sie.

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