Zurück in die Zukunft oder was?

Stormarner Tageblatt   23.06.2018

Stormarner Wochenschau

Zurück in die Zukunft oder was?

Megi Balzer
Megi Balzer

Bedenklich Wie die eigene Betroffenheit immer wieder die Realität verschiebt, ist schon beachtlich. Da interessiert es jahrelang niemanden, ob Busse Sicherheitsgurte haben. Aber kommt ein anderer Kontext hinzu, wird es plötzlich gefährlich. Bei Busfahrten auf der Autobahn sieht die CDU Barsbüttel „eine besondere Gefährdung“ für Schüler, selbst wenn das Tempo auf 60 km/h reduziert wird. So heißt es in einem offenen Brief, den die Fraktion wegen der geplanten Baustelle in der Barsbüttler Straße an Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher schrieb. Kaum anzunehmen dass der sich das zu Herzen nimmt. Andernorts führen normale Linien über innerstädtische Autobahnen, auf denen man auch mal schneller als 60 fahren darf. Und auch wenn man Statistiken immer misstrauen begegnen sollte, dass die Unfallhäufigkeit auf Autobahnen geringer als auf allen anderen Straßen ist, sollte zu den belegten Erkenntis gehören. Wie man dann bei nur zehn km/h mehr als im Stadtverkehr, auf eine bedenkliche Gefährdung kommen kann, bleibt wohl Fraktionsgeheimnis.

Vornehmst Viele Jahre saß Heiko Winckel-Rienhoff für die SPD im Kreistag, deren Kreisvorsitzender er ebenfalls war. Über die WASG kam er zu den Linken, war wieder im Kreistag, und wechselte dann wieder zur SPD. Mittlerweile ist er Kreisvorsitzender des DGB, und auch da holt ihn seine Vergangenheit ein. 64 Abgeordnete sind es jetzt im Kreistag, 15 mehr als es sein sollten. Die Linken sind mit drei Leuten dabei, und es gibt zwei Einzelvertreter. Man sollte also meinen, dass es vielstimming genug wird. Nicht für Winckel-Rienhoff. Als ehemaliger Lehrer hebt er den Zeigefinger und mahnt, die demokratische Grundwerte und die Würde des Menschen zu verteidigen. Warum? Weil es nicht sein könne, „dass demokratie- und fremdenfeindliche Äußerungen von Abgeordneten der AfD unwidersprochen bleiben.“ Bislang gab es diese Äußerungen nicht. Und wenn es irgendwelche „feindlichen“ Äußerungen gibt, soll denen dann nur widersprochen werden, wenn sie von der AfD kommen? Ist Demokratie nicht der Widerstreit unterschiedlicher Meinungen, also genau das Gegenteil von Denk- und Sprechverboten?

Laut Stormarner DGB sollen „Gute Arbeit“ und „umfassende soziale Sicherungssysteme“ die „vornehmsten Aufgaben des neuen Kreistags“ sein. Der müsse Minijobs und Fristverträge zurückdrängen, Kinderarmut abbauen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dabei weiß Winckel-Rienhoff als ehemaliger Abgeordneter genau, dass für diese Fragen vor allem der Gesetzgeber verantwortlich ist und der Kreis allenfalls Auswirkungen abmildern kann.

Alles gut? Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam und auch der Amtsschimmel hat nicht selten den Rückwärtsgang drin. Bestes Beispiel dafür ist das Oldesloer Projekt „Skateland“ auf dem Exer für die Jugend. Die bringt sich schon mal ein und dann das: Bereits im November 2014 servierten die jungen Leute der Stormarner Kreisstadt eine Wünscheliste. Die kam auch asap auf die Agenda und sollte zügig abgearbeitet werden. Doch immer wieder kam der Mission Skateland irgendwas in die Quere.

Mal waren es mögliche Fördergelder, die man gar nicht auf dem Zettel hatte und erst einmal ganz in Ruhe beantragt werden mussten. Mal waren es die schlechten Auftragsergebnisse, mal die unaufhörlich steigenden Kosten. So zog sich das Projekt über Jahre hin, was der Jugend, nachvollziehbar, gar nicht schmeckte. Aber was sollte sie tun? Sie musste die Kröte bislang schlucken. Bislang! Denn jetzt, oh Wunder, wird das bereits als „Luxusprojekt“ titulierte und mittlerweile 300 000 Euro kostende Unterfangen tatsächlich umgesetzt. Die Bagger sind vor Ort, die Arbeiter im Einsatz und im August – angeblich – fertig! Beide Plätze für Skateland samt Outdoor-Fitness-Parcours sollen dann flugs freigegeben werden. Außer: Der Exer entpuppt sich doch noch als Einflugschneise für die liebgewonnene Fledermaus oder als behagliche Kolonie der putzigen Haselmaus, die schon ganz andere Projekte verhindert hat. Dann könnte es heißen: Ein Wort mit x, das war wohl nix. Schaun mer mal!

Probezeit Das Prinzip ist von Straßenbahnen und Oberleitungsbussen bekannt. Die Technik vorhanden. Insbesondere in Osteuropa, aber auch in deutschen Städten verkehren täglich O-Busse. Zwischen Bad Oldesloe und Lübeck wird die Technik nun verfeinert, Erfahrungen gesammelt; auf fünf Kilometern. Damit tonnenschwere Lkw zumindest Teile einer Fahrtstrecke mit dem Elektromotor bewältigen können. Innovativ, mag der geneigte Leser denken, da haben ja die Ingenieure ganze Arbeit geleistet. Innovativ, ja, aber Spock und Scotty (siehe Karikatur) waren es nicht. Es waren die Ingenieure vor rund 120 Jahren, die Lastwagen mit Elektrizität betrieben. Denn neu ist ein Oberleitungssystem für Lkw nun wirklich nicht. So fuhren von 1911 bis 1949 Fahrzeuge etwa zwischen dem Bahnhof Altona und dem Hamburger Hafen. Mit Oberleitung und nicht an eine Schiene gebunden. Bis auf wenige Spezialanwendungen im Bergbau zum Beispiel wurden die System kaum weiterentwickelt. Öl war verfügbar und billig, Umweltschutz kein Thema in der Wirtschaftswunderzeit. Geht es jetzt „Zurück in die Zukunft“?

Rolf Blase Stephan Poost Volker Stolten

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