Stormarn ist Schlusslicht

Stormarner Tageblatt   12.02.2019

Aus Datenschutzgründen verzögerte sich die Einführung im Kreis – nun soll Teilhabekarte kommen

Erhoffen sich Erleichterung bei der Abrechnung und hoffen auf funktionierende Lösungen: Timo Skudlars und Janine Irentschiuk. Sie betreiben die Mensa im Schulzentrum.Nie
Erhoffen sich Erleichterung bei der Abrechnung und hoffen auf funktionierende Lösungen: Timo Skudlars und Janine Irentschiuk. Sie betreiben die Mensa im Schulzentrum.Nie

Patrick Niemeier Bad Oldesloe Kinder und Jugendliche aus finanzschwachen Familien haben Anrecht auf Gelder aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Landes. Diese Zuschüsse dienen zum Beispiel dazu, Essen in der Schulmensa oder Teilnahme an Freizeitangeboten zu finanzieren.

Doch die Antragstellung, um in den Genuss der Zuschüsse zu kommen, ist kompliziert, und häufig geht auch die Angst der Stigmatisierung mit der Beantragung einher. Besonders schlecht steht, was die Nutzung der Angebote angeht, aktuell die Kreisstadt dar. Das liegt allerdings nicht primär an den Lokalpolitikern und der Stadtverwaltung vor Ort, sondern daran, dass der Kreis Stormarn die Einführung einer Bildungs- und Teilhabekarte vor mittlerweile über zwei Jahren beschlossen hat, die die Abrechnung und Nutzung erleichtern soll, doch diesen Beschluss bis heute nicht umgesetzt hat. Nach eigener Aussage aus Datenschutzgründen.

„Nicht hinnehmbar“ „Ich habe dafür absolut kein Verständnis. Wie kann so etwas sein? Wieso ist es offenbar nicht wichtig?“, zeigte sich Cornelia Steinert (Die Linke) entsetzt. Sie hatte daher schon in der vergangenen Sitzung des Bildungs- Sozial- und Kulturausschuss die Forderung gestellt, dass beschlossen wird, die entsprechende Karte in Bad Oldesloe einzuführen. Damals wies man sie noch darauf hin, dass das ja Kreisangelegenheit sei.

Doch gemeinsam waren sich die Oldesloer Politiker einig, dass etwas passieren muss. Denn landesweit liegt Stormarn auf dem letzten Platz, was die Nutzung des Angebots angeht. Von 1950 berechtigten Kindern wurde zuletzt laut Paritätischem Wohlfahrtsverband nur für 274 ein entsprechender Antrag gestellt. Das entspricht nur 14 Prozent. „Das ist nicht hinnehmbar“, reagierte auch Jörn Lucas (CDU) betroffen auf diese Zahlen.

Der sich entfaltende politische Druck aus der Kreisstadt und die daraus entstehende mediale Berichterstattung hat jetzt Wirkung gezeigt. Die Kreisverwaltung teilte mit, dass sie in diesem Jahr nun eine Karte einführen will, die den Zugang zu den Geldern für Berechtigte erleichtert und zugleich die Abrechnung auf Seiten derer, die diese Gelder erhalten – wie etwa Mensenbetreiber.

Janina Irentschiuk, die mit ihrem Lebenspartner die Mensa in der Olivetallee übernommen hat, berichtete darüber, wie kompliziert und zeitraubend aktuell noch das Verfahren sei. „Ich sitze viele Stunden an den Anträgen, das ist alles nicht gut gelöst. Was passiert zum Beispiel mit Kindern, die im Bewilligungszeitraum die Schule wechseln?“, sagt Irentschiuk.

„Ein Teil der Eltern der berechtigten Kinder spricht nicht gut oder gar nicht deutsch, aber auch andere verstehen den bürokratischen Aufwand nicht“, so Irentschiuk. „Ich habe mal mit acht Kindern in der Mensa begonnen, die das Angebot nutzen, jetzt sind es ungefähr 30. Das kostet Zeit und es läuft nicht immer rund“, erklärt sie. Daher habe sie Verständnis, dass im aktuellen Zustand viele Eltern die Gelder gar nicht beantragen. Andererseits gibt sie auch zu bedenken, dass unbedingt klar geregelt werde müsse, wie es laufen solle, wenn die Karte – die vermutlich über die Firma Sodexo angeboten wird – schon zum nächsten Schuljahr eingeführt wird. Schließlich bräuchte man dann ja auch Geräte, mit denen man diese scannen könnte. Und wie ist es mit anderen Schülern? Wird allgemein auf ein Kartensystem umgestellt?

„Alles zu unbekannt“ „Ich finde es sehr wichtig, dass es Infoveranstaltungen zum Thema gibt. Das gilt vor allem auch für die Anbieter, die in Zukunft über solche Karten abrechnen – wie Vereine oder eben die Mensa“, so Anita Klahn (FDP). Dem stimmten die übrigen Parteien zu. „Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass Berechtigte erfahren, dass sie berechtigt sind. Das ist alles viel zu unbekannt“, so Steinert. „Es reicht nicht, die Karte nur einzuführen. Das muss auch funktionieren. Der Kreis hat sich da in letzter Zeit nicht gut präsentiert. Es darf nicht so laufen wie bei Pflegeheimen, die ewig auf Gelder warten mussten, die ihnen für die Unterbringung von Menschen zustanden“, so Lucas.

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