Innenstadt zwischen Warten und Unsicherheit

Stormarner Tageblatt  18.03.2020

In Bad Oldesloe wartete der Einzelhandel auf weitere Informationen / Spiel- und Bolzplätze weiter belebt

Wenige Kunden, aber noch geöffnet: Textilienhändler in der Oldesloer Hindenburgstraße am Dienstag.Niemeier
Wenige Kunden, aber noch geöffnet: Textilienhändler in der Oldesloer Hindenburgstraße am Dienstag.Niemeier
 
Die Kirche ist geschlossen.
Die Kirche ist geschlossen.

Patrick Niemeier Bad Oldesloe Irritiert, fassungslos, hilfsbereit und zum Teil fahrlässig – die Reaktionen auf die neuesten Regeln der Bundesregierung zum Umgang mit dem Corona-Virus sind in der Oldesloer Innenstadt sehr unterschiedlich.

Am Montag gab die Bundesregierung bekannt, das gewisse Sortimente im Einzelhandel zeitnah ihre Türen schließen sollen. Wie lange genau und ab wann, ging daraus nicht hervor, und bis zum Nachmittag fehlte es an einem entsprechenden Erlass der Landesregierung, der diese Marschroute umsetzt. Und so öffneten am Dienstag erstmal alle Läden. Manche Mitarbeiter hatten allerdings ein mulmiges Gefühl, und allgemein ist es auch für die Betreiber nicht einfach zu planen. Was ist mit laufenden Bestellungen und Lieferungen? Und wer kommt auf, wenn die Kosten weiterlaufen? Die Devise in den meisten Geschäften: Wir machen weiter, bis der konkrete Erlass des Landes da ist.

Ein Oldesloer Restaurant überlegt bereits, ob es auf Lieferservice umstellen kann, um zu überleben und ein Café & Bistro wünscht sich, dass es bitte einfach durch einen Erlass geschlossen wird. Am Dienstagnachmittag dann wurden die Maßnahmen durch die Landesregierung konkretisiert: Alle Restaurants schließen und dürfen nur noch außer Haus verkaufen oder liefern. Alle Geschäfte die nicht für die Deckung des täglichen Bedarfs nötig sind – wie Mode- oder Möbelgeschäfte – schließen ab Donnerstag. Davon ausgenommen sind ausdrücklich Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Banken, Post, Drogerien oder Zeitungsverkauf.

Bei einer Schließung durch Erlass hofft man nun auf staatliche Hilfen und dass dann Versicherungen greifen, die nicht zahlen würden, wenn man zuvor präventiv aus Fürsorge sozusagen freiwillig schließt.

In der Bäckerei Junge müssen sich alle Menschen mit Namen und Anschrift registrieren, wenn sie mit Bargeld bezahlen. Auch Handschuhe und Desinfektion sind jetzt Pflicht. Das Café war kurzzeitig komplett geschlossen, mittlerweile ist jeder zweite Tisch wieder nutzbar. Seit gestern Nachmittag ist klar, auch die Cafés schließen.

Besonders hart hat es die kleine, beliebte Eisbar in der Hamburger Straße erwischt. Die von zwei jungen Amateurfußballern betrieben Bar hatte erst am Sonntag eine sehr erfolgreiche Saisoneröffnung gefeiert. Montag wurde dann klar, dass man in dem kleinen Ladengeschäft die extrem gesteigerten Hygienevorschriften nicht umsetzen kann.

„Wir bekommen enorm viele Nachfragen und versuchen, vor allem mit Tipps und Infos zur Verfügung zu stehen“, so Nicole Brandstetter von der Oldesloer Wirtschaftsvereinigung. Dafür sei auch die Regel aufgeweicht worden, dass nur Mitglieder informiert werden. „Wir haben jetzt keine Zeit für irgendwelche Grabenkriege oder Meinungsverschiedenheiten unter Einzelhändlern“, so Brandstetter. „Es gibt Gesetzeslagen und Erlasse, und die Diskussion, warum mein Nachbar noch öffnen darf und ich nicht, bringt uns nicht weiter“, sagt die Wirtschaftsexpertin. „Auch wenn man manche harsche Reaktion verstehen kann, wenn manche Existenzen bedroht sind“, sagt sie.

„Wir müssen überlegen, wie wir gemeinsam durch diese Zeit kommen und vor allem aber auch, wie es danach weitergehen soll“, so Brandstetter weiter, die vor allem vor Panik und Kurzschlussreaktionen warnen möchte. „Wir überlegen, wie wir nach dieser Zeit die Innenstadt mit Ideen und Veranstaltungen unterstützen können “, so Brandstetter.

Die Stadt Bad Oldesloe hat derweil schon Erlasse umgesetzt und Spielplätze oder auch den Kunstrasenplatz und das Skateland gesperrt. Zum Leidwesen von Jugendlichen und Kindern. Allerdings waren zahlreiche von ihnen dann trotzdem am Dienstagnachmittag auf dem Exer, Bälle, Musik und Getränke inklusive. Von der Polizei und dem Ordnungsamt keine Spur. „Wir setzen auf Vernunft, auch dass die Eltern ihren Kindern das mitteilen. Wir werden das im Rahmen unserer Kapazitäten kontrollieren“, sagt Stadtsprecherin Agnes Heesch. „Das ist kein Spaß. Im Zweifel wird es Strafen geben“, ergänzt sie.

Doch auch manche Eltern reagieren ignorant und verständnislos. Während die Mehrheit kehrt macht, wenn sie die aufgehängten Schilder erblickt, gibt es einige, die sie bewusst ignorieren. Hinweise darauf werden mit einem „Wer sind Sie, dass Sie mir das erzählen können? Dann soll die Polizei kommen!“, abgetan. Im Gespräch mit anwesenden Eltern stellte sich heraus, dass der Schulausfall fälschlicherweise zu oft als „Ferien“ gedeutet wird. „Diese Verbote sind übertrieben, daher halte ich mich nicht daran“, so ein Elternteil. Teilweise patrouillieren Polizei und Ordnungsamt durchaus, kommen aber auch nicht hinterher. Schließlich können die Ordnungshüter nicht überall sein. Die Stadtverwaltung traf sich erneut zu einer Krisensitzung.

Der Kreis Stormarn hat derweil ein Bürgertelefon eingerichtet. Unter der Nummer 04531/160 1160 werden montags bis donnerstags jeweils von 9 – 15 Uhr Fragen zu Corona beantwortet.

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