Stormarner Wochenschau: Aus oder eingeschlafen?

Stormarner Tageblatt  30.10.2021

Ausoder eingeschlafen?

Karikatur: Megi Balzer
Karikatur: Megi Balzer

Guido Behsen, Patrick Niemeier und Susanne Link

Zwischenzeit
Die Corona-Pandemie bestimmt weiter unseren Alltag. Und das auf verschiedenen Ebenen. Schwer ist es zu verstehen, dass Lockerungen parallel zu steigenden Infektions- und Inzidenzwerten weiter vorangetrieben werden. Vor allem mit Blick darauf, dass gerade in Stormarn rund ein Drittel der Neuinfizierten voll Geimpfte sind. Doch was will man auch tun? Abstand und Masken für immer? Regeln wieder verschärfen? Bis wann und ab wann? Der Lockerungs-Geist kann nicht wieder in die Flasche. Niemand macht sich jetzt unbeliebt, erstrecht nicht die Landesregierung rund um den CDU-Ministerpräsidenten, die gerade bei der Bundestagswahl gesunken ist – Nächstes Jahr sind Landtagswahlen. Vorsichtsmaßnahmen sind unpopulär. Doch in der Realität fällt so oder so immer noch viel aus. Aus Sorge, aus Vernunft und aus Angst. Denn was wird in zwei Monaten sein? Das Vertrauen in ein Ende der Pandemie stellt sich nach über 18 Monaten Corona-Modus nicht ein. Veranstalter sind müde von Planungen ins Nichts. Und so fällt auch das Weihnachtsmannwecken in Bad Oldesloe wieder aus und Knecht Ruprecht muss weiterschlafen. Zu vorsichtig? Oder konsequent vorsichtig? Die neu eroberte „Normalität“ ist keine, gemessen an alten Maßstäben. Der große Run auf viele Dinge setzt nicht ein. Selbst bei 2G/3G bleibt ein Gefühl von Handbremse, ein Unbehagen, das sich anpirscht, wenn jemand hustet, wenn sich Leute zu nahe kommen. Die Pandemie hat Vieles verändert. Temporär oder grundlegend? Nicht nur aus Vorsicht bleiben einige Events, Clubs oder Stadien leerer als gedacht. Viele Mitmenschen haben gelernt, dass es anders geht und sich neue Freizeitgestaltungen gesucht. Der Shutdown hat auch zu einem Rückzug ins Private geführt. Ist das noch eine Zwischenzeit am Übergang zum „alten Normal“ oder ist das einfach das „neue Normal“?

Dilemma
Als „kriminell“ hat Thomas Rackow vom Unternehmensverband Logistik Schleswig-Holstein Zustände im Transportwesen bezeichnet, die womöglich in Zusammenhang mit den schweren Lkw-Unfällen auf norddeutschen Autobahnen Anfang der Woche stehen. 60 Stunden soll der Trucker, der auf der A 7 in den Graben krachte, ohne nennenswerte Pausen am Steuer gesessen haben. Der Fahrer des Gefahrguttransports, der auf der A 1 in Höhe Bad Oldesloe gegen einen Brückenpfeiler prallte, gab an, er sei während der Fahrt eingeschlafen. Zumindest im ersten Fall soll der Trucker versucht haben, den digitalen Tachographen, der die Fahrtzeiten misst, auszutricksen. Ein Indiz dafür, dass der Fahrer-Mangel im Speditionsgewerbe potenziell lebensgefährliche Ausmaße annimmt. Und leider auch ein Fall, der das ohnehin schlechte Image der Brummifahrer weiter beschädigt. Heiß begehrt (allein in Deutschland fehlen rund 80.000 Kraftfahrer) und gleichzeitig in Verruf – das ist das Dilemma, in dem sich der Berufsstand befindet. Doch wer in den Sattelschleppern auf den Autobahnen nur Verkehrshindernisse oder gar rollende Zeitbomben sieht, sollte sich vor Augen führen: Die Trucker tragen wesentlich dazu bei, unser öffentliches Leben am Laufen zu halten. Und die allermeisten verrichten ihren knüppelharten Job zuverlässig und gewissenhaft.

Bahnhofsgastro 2.0
Schweinske: 0 – Sushi: 5. Die Hamburger Restaurantkette hat ihren Abschied aus der Schlossstadt verkündet. Nicht ganz freiwillig, wenn man der Unternehmenssprecherin glaubt. Nach ihrer Darstellung sei die Deutsche Bahn nämlich auf ihren Franchisenehmer aktiv zugegangen, um über Modernisierungsmaßnahmen und zukünftige Konzepte zu sprechen. Daraufhin habe sich dieser für Sushi entschieden. Sieht so also der Wandel der Bahnhofsgastronomie aus? Roher Fisch statt gebratenem Fleisch? Nach der Darstellung der Deutschen Bahn sei der Franchisenehmer auf sie als Vermieter mit dem Wunsch nach Modernisierung zugekommen. So oder so: Muss es immer hip sein? Und wenn alle hip sein wollen, was ist dann mit der Vielfalt? Die ist nämlich in Ahrensburg – gastronomisches gesehen – durch den Weggang von Schweinske jetzt ein bisschen geringer geworden. Nach 15 Jahren kein Schweinske mehr, aber mindestens vier – eventuell fünf Sushi-Restaurants. Geschmäcker sind dann wohl doch nicht verschieden.

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