Stormarner Wochenschau: Regelchaos und die Kunst der Rücksicht

Stormarner Tageblatt  27.11.2021

Regelchaos und die Kunst der Rücksicht

Budenzauber mit G-Faktor.Karikatur: Megi Balzer
Budenzauber mit G-Faktor.Karikatur: Megi Balzer

Patrick Niemeier und Volker Stolten

Absagewelle
Ein Basar nach dem nächsten verschwindet aus dem Terminkalender, Konzerte fallen aus, Aufführungen werden abgesagt. Und wenn man ein wenig darüber nachdenkt, ist es angesichts der vierten Corona-Welle komplett richtig. „Aber wir wollen uns den Spaß nicht nehmen lassen“ oder „Wir wollen zeigen, dass es trotzdem geht“, hört man. „Wir können ja nicht in Angst leben.“
Diese trotzige Einstellung ist falsch. Es handelt sich nicht um einen menschlichen Gegner, den man beeindrucken kann, keinen sportlichen Wettkampf, in dem man sich über die Ziellinie retten muss. Dem Virus ist es komplett egal, wie sehr wir es ignorieren oder versuchen, es zu beeindrucken. Es gelten keine psychologischen oder soziologischen Faktoren, sondern ganz allein naturwissenschaftliche.
Und ganz klar ist es: Jede Kontaktbeschränkung hilft gegen mögliche Ansteckungen. Größere, vermeidbare Zusammenkünfte sind – wie das Wort schon sagt – zu vermeiden. Weihnachtsmärchen und -märkte sind solche vermeidbaren Zusammenkünfte. Selbst 2 G oder 2 G plus ist am Ende nicht so sicher, wie sich nicht treffen in den nächsten Wochen. Schwere Verläufe sind keine Einzelfälle. Was uns nicht weiterbringt ist die Diskussion, ob ein Impfstoff nun zu 60 oder 80 Prozent schützt, es bringt nichts zu sagen, dass ein Mundschutz ja auch nur zu so und so viel Prozent schützt. Alles, was die Ansteckungsgefahr senkt, ist sinnvoll. Es geht nicht nur darum, tödliche Verläufe zu verhindern. Und nein, mit Angst hat das alles nichts zu tun, sondern mit Vernunft und Rücksicht.
Natürlich kann man auf Punschstände und Weihnachtsmärchen verzichten. Es ist traurig und es schmerzt. Aber wenn wir damit schwere Verläufe verhindern und sogar mögliche Todesfälle, dann ist es alternativlos. Wer nicht auf diese Dinge verzichten kann und nur seinem Hedonismus nachgehen will, ist nicht „mutig“, sondern einfach nur der beste Unterstützer des Virus.

Regelwelle
Wenn wir uns die Veranstaltungen anschauen, die dann doch stattfinden können, sollen, dürfen, muss man sagen, dass ein Freizeitspaß sowieso anders aussieht. Es ist Krampf und es ist Regel-Chaos. Hier ein Markt mit 2 G, dort einer mit 2 G plus, hier mit Maskenpflicht, dort mit 3 G, aber ohne Maske. Einlassbeschränkungen, Testpflichten, abgesperrte Bereiche. Es weht ein Hauch von Verzweiflung und kindischem Trotz durch die Events, die dann doch über die Bühne gehen werden und der Irrtum, dass man die Pandemie mit ausreichend Regeln wohl irgendwie regeln kann.
Und ja, wir brauchen sie ja leider auch. Denn, wie die vergangenen 18 Monate zeigten, reichen Vernunft und Rücksicht ja nicht. Doch wann setzt das Umdenken ein? Ab wie vielen Intensivpatienten auch hier in Stormarn? Ab wie vielen neuen Todesfällen?

Vierte Welle
Wie bereits gesagt: Ein kleiner Piks für den Menschen – ein großer Piks für die Menschheit. In diesem unserem Lande scheint das aber noch nicht überall angekommen zu sein. Denn im Vergleich mit anderen Ländern steht Deutschland bei der Corona-Impfquote mit 68 Prozent nicht besonders gut da. In Portugal beträgt die Quote der Durchgeimpften satte 87 Prozent, in Spanien gute 80 Prozent und in Frankreich immerhin über 75 Prozent. Und wir? Landauf, landab in die Höhe schießende Inzidenzen. Auch der Kreis Stormarn macht da leider keine Ausnahme und steht mitten in der vierten Welle mit einem Wert von fast 200 wieder im oberen Drittel der Landesliste. Auch in Stormarn gibt es eine große Zahl an Unbelehrbaren, an Ungeimpften, die lieber Stammtisch-Parolen Glauben schenken als wissenschaftlich untermauerten Argumenten von Experten. Und die Intensiv-Patienten, die um ihr Leben kämpfen, sowie die Ärzte und Schwestern, die schon lange am Anschlag arbeiten, wohl allesamt für Laiendarsteller halten. Echt irre!
Und als wenn die aktuelle Delta-Variante – super-aggressiv und ansteckend – nicht ausreichen würde, drohen, begünstigt durch die vielen Übergriffe und der damit hohen Viruslast, weitere Mutationen. Darunter vielleicht eine Mutation, gegen die der Impfstoff gar nicht mehr wirkt. Das wäre nicht auszudenken. Ein Horror-Szenario! Also Stormarner, krempelt die Arme hoch: Impfen, impfen, impfen – das ist der Weg. Und der ist alternativlos.

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