Stormarner Tageblatt 29.01.2022
Aus dem Geschehenen lernen können
Patrick Niemeier, Volker Stolten
Als das Virus mit zur Party kam
Dass es nicht sehr schlau war, Weihnachten größere Partys zu besuchen, hatten Virologen wochenlang gepredigt. Dass auch 2 G-plus nicht immer kompletten Schutz gegen Omikron bieten könne, ahnte man. Es war hunderten Menschen in Stormarn egal. Dass das Party-Business leidet, weil die Gäste ausbleiben, ist richtig. Aber die hundertfach erzählte Geschichte wie sehr Menschen leiden, weil sie nicht zur Ballermann-Sause können, führte dazu, dass aus einem Luxusproblem eine gefühlte Katastrophe wurde. Daraus resultierte ein: man wird ja wohl noch feiern gehen dürfen. So als seien es ausschließlich die staatlichen Beschränkungen und nicht das Virus an sich, dass die Situation erzeugte. Auch der Ministerpräsident ließ sich von niedrigen Inzidenzen und dem Gefühl, dass man ja den Menschen den Spaß nicht nehmen wolle, leiten. Und so waren nur in Schleswig-Holstein die Discos über Weihnachten offen und auch allgemein größere Feiern möglich. Das Ergebnis sieht man jetzt. Die Omikron-Welle trifft auf eine zu langsam geimpfte Bevölkerung und die Inzidenzen schießen durch die Decke. Hätte man verhindern können – mit mehr Vernunft und weniger Hedonismus. Etwas mehr Geduld hätte sich vermutlich für alle ausgezahlt.
Aus Fehlern wird man klug
Lange Zeit wurde von städtischer Seite um den heißen Brei geredet. Bargteheides Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht gab zwar Fehlentscheidungen zu, mehr aber auch nicht. Doch nun ist die Katze aus dem Sack – auf Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Lübeck, die wegen des unerlaubten Kahlschlags am Bornberg Ende 2020 auf Anzeige der Unteren Forstbehörde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte. Das richtete sich gegen eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, die seinerzeit für die Baumpflegemaßnahme auf dem 4000 Quadratmeter großen Areal am Bornberg zuständig war. Doch ganz offensichtlich hat sie bei dem von einer Firma vorgelegten und modifizierten Angebot nicht genau hingesehen und es wurde mehr abgeholzt als geplant, was ja bekanntlich einen Sturm der Entrüstung zur Folge hatte.
Die Stadtangestellte kann einem leidtun. Sie hat diesen Fauxpas mit Sicherheit nicht mit Absicht gemacht. Dennoch: Fehler sind Fehler, auch wenn sie menschlich sind, wer ist schon vollkommen? Man muss für sie geradestehen. Was in diesem Fall selbstredend ist. Denn die Angestellte zahlt ein gewaltiges Lehrgeld: 250 Euro pro Monat, bis die Summe von insgesamt 1500 Euro getilgt ist. Gegen die Zahlung von 1500 Euro wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Lübeck im August 2021 eingestellt.
Spätestens da hätte Verwaltungschefin Birte Kruse-Gobrecht zumindest der Kommunalpolitik reinen Wein einschenken müssen. Dann wäre der Stadt wohl viel Ärger erspart geblieben. Einen Fehler einer Angestellten hätten vermutlich alle eher akzeptieren können als die geworfenen Nebelkerzen, die die Verschleierung befeuerten und das Miteinander auf eine harte Probe gestellt haben. Wie heißt es: „Hinterher ist man immer schlauer.“ Es heißt aber auch: „Aus Fehlern wird man klug!“
Über die Leichtigkeit in der Schwere
Viele Reaktionen erreichten uns zu dem Nachruf auf Ann-Sophie Bäth. Und die meisten sprechen nicht darüber, wie schlimm es ist, dass eine 23-Jährige sterben musste, sondern darüber, wie sehr sie das Leben genossen hat. Und noch ein anderer Faktor ist wichtig und war es Ann-Sophie immer. Es ist kein Opfer Zeit mit Menschen mit Behinderung, tödlicher Krankheit oder mentalen Problemen zu verbringen. Es geht nicht um Mitleid. Inklusion bedeutet echte Teilhabe und kein „durfte auch irgendwie dabei sein“. Ann-Sophie ist nie einfach nur irgendwo dabei gewesen. Wenn sie das merkte, hatte sie kein Interesse daran. Es geht im Endeffekt darum, zu sehen, dass jeder Mensch viel mehr ist, als sein vermeintliches Schicksal.