Amok-Alarm an Schule: Betroffene berichten

Stormarner Tageblatt  23.06.2022

„Ich bin dankbar, dass ich am Leben bin, denn so schnell kann es gehen oder?“

Patrick Niemeier

Am Tag, nachdem ein Schüler damit gedroht hat, die Beruflichen Schulen in Oldesloe in Brand zu stecken, atmen die meisten Beteiligten auf und durch. Der Tatverdächtige ist noch am 21. Juni in eine Fachklinik eingewiesen worden (s. u.). Sein Vorhaben hatte er nicht umgesetzt, er griff auch niemanden körperlich an und konnte am Bahnhof gestellt werden.
Furchtbare Bilder von Amokläufen im KopfDoch die Erinnerungen an die bedrohlichen Stunden bleiben. „Als der Alarm losging und die Durchsage ertönte, habe ich zuerst an eine Katastrophenübung gedacht“, erzählt uns Frauke Schlüter, Schulbegleiterin in einer DAZ-Klasse. Doch als die Durchsage ein zweites und drittes Mal erklang, sei ihr schnell klar geworden, dass es sich um einen Ernstfall handeln müsse: „Wir sollten die Türen verschließen, uns ruhig verhalten, das Licht ausmachen, die Türen möglichst verbarrikadieren und in Deckung gehen.“
Sie habe sofort die furchtbaren Bilder der jüngsten Amokläufe in Hamm, Bremerhaven und Heidelberg vor Augen gehabt. Schüler hätten betroffen und erschrocken reagiert, doch niemand sei panisch geworden. Auch die Lehrerin habe alle Anforderungen befolgt und danach beruhigend auf die Klasse eingewirkt. Als zusätzliche Schutzmaßnahme seien die automatischen Außenjalousien heruntergefahren worden.
„Das lief alles sehr vorbildlich und diszipliniert ab“, lobt die Schulbegleiterin das besonnene Verhalten aller Beteiligten. „Ich nehme aber an, dass einige Schüler aus Syrien oder Afghanistan aufgrund ihrer Kriegserlebnisse geschockter waren, als sie zugeben wollten. Sie rückten alle nah zusammen, um sich gegenseitig Halt zu geben“, so Schlüter weiter.
Eine Schülerin, die sich zur Erzieherin ausbilden lässt, berichtet ebenfalls, dass sie auch an Austauschschüler und ausländische Mitschüler denken musste: „Es gab keine Durchsagen auf englisch oder in anderen Sprachen. Darüber sollte mal nachgedacht werden.“
„Als wir danach darüber sprachen, wofür wir an dem Tag dankbar sind, habe ich gesagt, dass ich am Leben bin. Denn so schnell kann es doch gehen oder?“, sagt sie. Die Atmosphäre sei „unwirklich“ gewesen: „Das Licht ging aus, aber durch Bewegungsmelder auf dem Flur dann wieder an. Da fragt man sich, ob nun jemand kommt.“
Psychologische
Unterstützung vermisstDass es nicht sofort nach der Klärung ein Angebot gegeben habe, wo man sich psychologische Hilfe holen könne, fand sie schade. „Ja, es gibt eine Schulpsychologin. Aber ansonsten?“, fragte sie. Dass der Unterricht am Mittwoch wieder normal lief, findet sie problematisch, aber auch verständlich: „Man darf natürlich der Angst nun auch keinen zu großen Raum geben. Man kann immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein.“

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