Stormarner Tageblatt 05.01.2023
Warum die Oldesloer Beziehungen zu Beer Yaacov und Jifna so besonders sind
Joshua Hirschfeld
Viele Jahre ist es nun her, dass Hartmut Jokisch erstmals das Heilige Land bereiste. Als Physiker an der Kieler Universität beschäftigt, arbeitete er an einem deutsch-israelischen Projekt, reiste nach Tel Aviv. „Seitdem bin ich Israel-Fan“, sagt Jokisch. In den 1970er Jahren sei er sehr oft dort gewesen, erinnert er sich.
Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Jokisch Jahrzehnte später, 2007, die Hand hob, als Bad Oldesloe einen Beauftragten für die Städtepartnerschaft mit Beer Yaacov suchte. Seit 1987 besteht der Austausch mit der israelischen Gemeinde, Hartmut Jokisch führt ihn nun seit mehr als 15 Jahren.
Partnerstädte in Israel und in Palästina
Einen ganz neuen Akzent setzte Jokisch 2015. Da nämlich schob er eine neue Städtepartnerschaft an, mit der nahöstlichen Kleinstadt Jifna. Das Besondere: Jifna liegt im palästinensischen Autonomiegebiet. Bad Oldesloe ist heute eine von nur vier Städten in ganz Deutschland, die eine Partnerschaft sowohl mit einer israelischen als auch palästinensischen Gemeinde pflegt.
„Ich habe mir gesagt, wenn wir eine Städtepartnerschaft mit Israel haben, müssen wir auch eine mit Palästina haben“, sagt Hartmut Jokisch rückblickend. Denn: „Für mich sind die Palästinenser Mitleidende der Geschichte.“ Deutschland trage – wie für Israel – auch für Palästina eine Mitverantwortung, findet Jokisch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war im Angesicht der furchtbaren Gräuel des Holocausts auf dem Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer ein unabhängiger jüdischer Staat gegründet worden – Israel. Die dort mehrheitlich lebende arabische Bevölkerung fühlte sich aus ihrer Heimat vertrieben. Seit Jahrzehnten tobt in der Region ein blutiger Konflikt um die territorialen Ansprüche beider Seiten.
In Oldesloes israelischer Partnerstadt kam die neue Beziehung entsprechend zunächst nicht besonders gut an. „Das ist natürlich ein heikles Thema. In Beer Yaacov war nicht jeder davon begeistert“, erzählt Jokisch. Als eine erste Oldesloer Besuchergruppe hintereinander beide Partnerstädte besuchte, sei es durchaus zu Diskussionen mit den Gastgebern gekommen. Die gegenseitige Abneigung sitze bei vielen Israelis und Palästinensern tief. Ein Kontakt zwischen beiden Partnerstädten scheint im Moment undenkbar.
Die Idee von Städtepartnerschaften ist es, dem Gedanken der Völkerverständigung Gestalt zu geben, Kulturen und Menschen zusammenzubringen. Mitunter werden sie gar als größte Friedensbewegung der Welt bezeichnet. Und so hofft Jokisch, dass über kurz oder lang auch ein Austausch zwischen Beer Yaacov und Jifna zustande kommt. „Natürlich ist das so ein Traum von mir“, sagt er.
Es ist nicht nur der Nahostkonflikt, der die ehrenamtliche Arbeit von Hartmut Jokisch schwierig macht. Eine 2017/18 geplante Austauschreise für Oldesloer Erwachsene etwa kam nicht zustande. „Ich habe hier nicht genug Interessierte gefunden“, gibt Jokisch zu. Generell sei es sehr schwierig, mehr Menschen für den von ihm geleiteten Freundeskreis Beer Yaacov/Jifna zu gewinnen.
Kontakte zwischen zwei Schulen
Vor allem der Nachwuchs bleibe aus. „Unser Altersschnitt liegt über dem Rentenalter“, erzählt er. Und natürlich sei der Oldesloer Freundeskreis auch auf ein entsprechendes Engagement auf der Gegenseite angewiesen. Die Einladung zum Musikfest „Choralle“ etwa hatten die Partnerstädte zu Jokischs Enttäuschung ausgeschlagen.
Und doch blickt Hartmut Jokisch positiv in die Zukunft. Seit Kurzem stehe etwa die Ida-Ehre-Schule mit der Nawe Nachum Schule aus Beer Yaacov in Kontakt. 2020 fand coronabedingt ein Austausch deutscher und israelischer Schüler in virtueller Form statt, im letzten Jahr besuchten dann erstmals Jugendliche der Nawe Nachum Schule Bad Oldesloe. Der Gegenbesuch ist für dieses Jahr geplant.
Im Mai wird der Bürgermeister von Beer Yaacov in Bad Oldesloe erwartet und auch Hartmut Jokisch wird sich in diesem Jahr wieder auf die Reise machen. Im Frühjahr möchte er sich in den Nahen Osten begeben und beide Oldesloer Partnerstädte besuchen – Beer Yaacov in Israel und Jifna in Palästina.