Keiner nutzt die neuen Instrumente

Stormarner Tageblatt  19.01.2023

Schneller Wohnungsbau im Kreis Stormarn: Kurzfristig ist die Verordnung des Landes keine Hilfe

Joshua Hirschfeld

Das Ziel ist klar: Es braucht mehr Wohnraum. Und das schnell. In Stormarn gibt es einen Bedarf von rund 1000 neuen Wohnungen pro Jahr. Tatsächlich gebaut werden allerdings nur 700 bis 900. Der entstehende Wohnraum ist zudem häufig nicht der, der wirklich gebraucht wird: Bezahlbarer Wohnraum für mittlere und untere Einkommensschichten.

Vorkaufsrecht, Bau- gebote, Bebauungspläne
Die Kieler Landesregierung gibt Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt nun neue Instrumente in die Hand, um „ihrer Daseinsvorsorge gerecht zu werden und Wohnraum zu schaffen, den ihre Einwohnerinnen und Einwohner dringend benötigen“, wie es Innenministerin Sütterlin-Waack (CDU) formuliert.
Konkret beinhaltet die Landesverordnung, dass ausgewählte Kommunen ab Februar die Möglichkeit bekommen, ihr gemeindliches Vorkaufsrecht auf brachliegende Grundstücke auszuweiten, bei dringendem Bedarf der Bevölkerung Baugebote zur Wohnbebauung auszusprechen und Bebauungspläne zugunsten des Wohnungsbaus von Beschränkungen zu befreien.
Landesweit 67 Kommunen werden die neuen Möglichkeiten nutzen können, ihnen wird vom Land ein angespannter Wohnungsmarkt diagnostiziert. Die betroffenen Kommunen ballen sich besonders um die Insel Sylt und die Städte Kiel, Lübeck und Hamburg.
Und damit ist auch Stormarn prominent vertreten – mit 14 Kommunen: Ahrensburg, Ammersbek, Bargfeld-Stegen, Bargteheide, Barsbüttel, Glinde, Großhansdorf, Lütjensee, Oststseinbek, Reinbek, Reinfeld, Siek, Tangstedt, Trittau.

Wohnraum fehlt in allen Orten
Die Einstufung des eigenen Wohnungsmarktes als angespannt? Für die betroffenen Stormarner Kommunen nachvollziehbar. „Die Lage am kommunalen Wohnungsmarkt in Trittau ist sehr angespannt.
Wohnraum ist rar und teuer, Baugrundstücke gibt es kaum“, heißt es etwa vom Trittauer Bürgermeister Oliver Mesch. „Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist sehr groß“, beobachtet Bürgermeisterin Gabriele Hettwer (Foto) für Bargteheide. Zugleich gebe es in der Stadt Defizite im mehrgeschossigen und sozial geförderten Wohnungsbau.

Flüchtlinge benötigen auch Wohnungen
Bürgermeister Janhinnerk Voß (Foto) sagt über Großhansdorf: „Im unteren Preissegment steht so gut wie keine Wohnung zur Verfügung.“ Ganz ähnlich klingt das aus Ahrensburg: „Der Wohnungsmarkt in Ahrensburg stellt sich mit seinem äußerst knappen Angebot für Haushalte mit niedrigem bis mittleren Einkommen als sehr angespannt dar.“
Für den Bereich der Sozialwohnungen liegen der Stadt momentan 222 Bewerbungen vor. Es würden in absehbarer Zeit allerdings „nicht ansatzweise ausreichend Bauprojekte realisiert, die zu einem spürbaren Zuwachs an geförderten Wohnraum führen können.“
Einen zusätzlichen Druck auf dem Wohnungsmarkt verursachen vielerorts die Flüchtlinge aus der Ukraine: „Im Zuge der Unterbringung der geflüchteten Menschen merkt die Stadt, dass der Wohnungsmarkt in Reinfeld erschöpft ist“, sagt etwa Bürgermeister Roald Wramp (Foto).
Sind die neu geschaffenen Instrumente (erweitertes gemeindliches Vorkaufsrecht, Baugebote zur Wohnbebauung, Befreiungen in Bebauungsplänen) nun also der Heilsbringer, um die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt schnell und zielsicher zu entschärfen? Leider nicht. Zumindest nicht kurzfristig. Da sind sich die Stormarner Kommunen einig.
„Ich habe meine Zweifel, dass durch diese Maßnahmen schnell mehr Wohnraum geschaffen wird“, sagt Horst Ansen, Bürgermeister von Ammersbek. „Das Instrument ist mittelfristig sicher zielführend, trägt aber nicht zur Verbesserung der aktuellen Baukostensituation und der damit verbundenen Zurückhaltung der Bauträger bei Neubauvorhaben bei“, meint sein Großhansdorfer Amtskollege Janhinnerk Voß.
Und Oliver Mesch (Foto) aus Trittau zweifelt ganz grundsätzlich: „Es ist fraglich, ob sich in Trittau überhaupt Möglichkeiten bieten, die Instrumente anzuwenden.“ Das Innenentwicklungspotenzial der Gemeinde sei weitestgehend ausgeschöpft.
Auch in Oststeinbek gibt es laut Bürgermeister Jürgen Hettwer „keine größeren brachliegenden Grundstücke, bei denen sich ein Baugebot oder die Ausübung des Vorkaufsrechts rechEtwas optimistischer blickt zwar Roald Wramp auf die neuen Möglichkeiten. Die Verordnung sei „ein richtiger Schritt“, findet der Bürgermeister aus Reinfeld.
Aber: „Leider wird immer wieder vergessen, die Kommunen auch in tatsächlicher Hinsicht in die Lage zu versetzen zu handeln, sie folglich entsprechend auch finanziell auszustatten.“ Die Nutzung der Instrumente, konkret also etwa das Aufkaufen größerer Flächen, sei für die Stadt wirtschaftlich kaum darstellbar.
Grundsätzlich positiv sieht man die neuen Werkzeuge in Ahrensburg und Bargteheide. Ob und wie sie konkret eingesetzt werden könnten, kann man hier jedoch noch nicht sagen. Andreas Gerckens (Foto) Bürgermeister von Bargfeld-Stegen hat da schon eine Idee. Grundsätzlich sei es die Strategie seiner Gemeinde, mit Grundstückseigentümern Lösungen auf dem Verhandlungsweg zu finden. Die neuen Instrumente könnten „den Verhandlungsprozess beschleunigen helfen, wenn die Möglichkeiten der Gemeinde gestärkt werden.

Teilweise andere Instrumente gewünscht
Mitunter hätten sich die Stormarner Kommunen auch andere Werkzeuge gewünscht. „Für unsere Gemeinde wäre es hilfreicher, wenn wir im künftigen Regionalplan Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, die wir mit unserer Planungshoheit vor Ort umsetzen können“, sagt etwa Horst Ansen, Bürgermeister aus Ammersbek.
Oliver Mesch aus Trittau wünscht sich eine schnellere Arbeit der Verwaltungsgerichte. Ein Bebauungsplan, der die Schaffung von 350 Wohneinheiten vorsehe, werde seit zweieinhalb Jahren beklagt, ohne dass es bisher zu einer Verhandlung gekommen sei. „Solange er beklagt wird, kann nicht gebaut werden“, sagt Trittaus Bürgermeisters.
Dauern wird es wohl auch noch, bis die neu geschaffenen Möglichkeiten von den Stormarner Kommunen genutzt werden. Konkrete Pläne, die neuen Instrumente zeitnah einzusetzen, liegen in keiner der Stormarner Kommunen vor.

Dieser Beitrag wurde unter Presseartikel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.