Es dauerte nur 18 Minuten

Stormarner Tageblatt   25.04.2019

Bad Oldesloe gedachte gestern der mehr als 700 Opfer des Bombenangriff vor 74 Jahren

Schüler der Ida-Ehre-Schule stellten Schilder mit der Aufschrift „Frieden“ in mehreren Sprachen in der Auferstehungskapelle auf.
Schüler der Ida-Ehre-Schule stellten Schilder mit der Aufschrift „Frieden“ in mehreren Sprachen in der Auferstehungskapelle auf.

Susanne Rohde Bad Oldesloe Auch nach 74 Jahren ist das kollektive Kriegstrauma in der Kreisstadt noch präsent: Am 24. April 1945 wurden große Teile der Stadt durch rund 1200 Brandbomben, die britische Flugzeuge am Vormittag abwarfen, zerstört. Mehr als 700 Menschen wurden getötet und hunderte wurden verletzt. Immer noch gibt es Zeitzeugen, die das Inferno als junge Menschen miterlebt haben. Entsprechend voll war es gestern in der Auferstehungskapelle bei einer Feierstunde anlässlich des Jahrestages der Bombardierung. Zwischen Reden und Tränen, Musikstücken und stillen Gesten wurde der vielen Toten gedacht.

Rund 50 Schüler der Ida-Ehre-Gemeinschaftsschule spielten bewegende Musikstücke und lasen kurze Gedichtzeilen prominenter Pazifisten wie Albert Einstein, Mahatma Gandhi und Carl Jaspers vor. Das Gedenken vereinte damit Jung und Alt auf ganz besondere und berührende Weise. „18 Minuten, länger hat es nicht gedauert, als sich in Bad Oldesloe alles veränderte. Was hat dieser Angriff in den Herzen und Seelen der Menschen angerichtet? Diese Menschen sind auch ein Stück unserer eigenen Geschichte. Ich bitte euch, dass ihr euch mit dieser schrecklichen Zeit beschäftigt“, appellierte Pastor Karsten Baden-Rühlmann in seiner Rede an die Jungen und Mädchen, die das Wort „Frieden“ in vielen verschiedenen Sprachen auf Schilder geschrieben hatten. Sieben dieser Schilder wurden zusammen mit je einer Kerze vor dem Altar aufgestellt – für je 100 Tote des Bombenangriffs ein Teelicht.

Walter Busch war zwar zur Zeit des Bombenangriffs nicht in seiner Heimatstadt Oldesloe, sondern als Flakhelfer in Esbjerg, aber er erfuhr davon kurze Zeit später. „Einen Tag nach dem Angriff wurde ich 18 Jahre alt. Das Schlimmste war die quälende Ungewissheit, ob meine Eltern und meine Schwester überlebt hatten, bis endlich die erlösende Postkarte kam mit der Aufschrift ’Wir leben!’. Da fiel die furchtbare Angst von mir ab“, so der Ehrenbürger der Stadt Bad Oldesloe. In seiner Rede gab er der Angst und Zerrissenheit der Kriegsgeneration ein konkretes Gesicht. Die Oberschule war damals vom Dach bis zum Keller mit Verwundeten gefüllt, die alle wie durch ein Wunder überlebt hatten. „Was für ein riesengroßes Glück, dass ihr hier in Frieden leben könnt“, so Walter Busch, der heute seinen 92. Geburtstag feiert. In einer kurzen Bilddokumentation, die Dr. Sylvina Zander zusammengestellt hatte, wurden die großen Zerstörungen der Stadt sichtbar.

Am Gedenkstein auf dem Friedhof legten Bürgermeister Jörg Lembke und Bürgerworthalterin Hildegard Pontow anschließend einen Kranz nieder. „Mein besonderer Dank gilt den Schülern der Ida-Ehre-Schule. Nur wenn auch die jungen Leute miteinbezogen werden, kann das Andenken an die Toten des Krieges lebendig gehalten werden“, so der Bürgermeister.

Im kommenden Jahr, wenn sich der Bombenangriff zum 75. Mal jährt, soll ein weiterer Gedenkstein aufgestellt werden, der kürzlich auf dem Gelände des Neubaugebiets Claudiussee bei Baggerarbeiten gefunden wurde. Er zeigt das eingravierte Datum 24.4.1945 und lag viele Jahrzehnte lang in einem Hochbeet neben der alten Farbenfabrik, die damals auf dem Gelände stand. Der damalige Besitzer der Fabrik, Karl Folkens, starb ebenfalls bei dem Bombenangriff.

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