Betrachtungen zum Wochenausklang: Gute und schlechte Vorkommnisse

Stormarner Tageblatt  30.05.2020

Stormarner Wochenschau

Gute und schlechte Vorkommnisse

Uneinheitlich: Sitzung mit und auch ohne Mundschutz.Megi Balzer
Uneinheitlich: Sitzung mit und auch ohne Mundschutz.Megi Balzer

Patrick Niemeier und Volker Stolten

Vorbildfunktion Der Bad Oldesloer Bürgermeister Jörg Lembke sei besser als sein Ruf, heißt es aus der Stadtverwaltung. Eigentlich sei er zum Beispiel, was die Corona-Schutzmaßnahmen angehe, „sehr vernünftig“ und mache sich viele Gedanken. Doch – so sagt man hinter vorgehaltener Hand – sei sein öffentliches Auftreten nicht immer geschickt und lasse ein falsches Bild entstehen, das seine Bemühungen sogar konterkariere. Manche Lokalpolitiker vergleichen Jörg Lembke mit Donald Trump. Auch Lembke lebe das Image eines Anpackers, der die Richtung vorgeben möchte und selbst die Regeln so auslegt, wie sie ihm passen. Das sei nicht fair geurteilt, betonen Verwaltungsmitarbeiter. Doch wie soll man es deuten, dass der Bürgermeister – den seine Mitarbeiter als vorsichtig beschreiben – einer der Ersten ist, der in der Stadtverordnetenversammlung den Mundschutz ablegt. Ist es ein Signal für mehr oder zu viel Lockerheit im Umgang mit dem Virus? Nachdem der Bürgermeister erklärte, man solle etwas nachsichtig mit Jugendlichen seien, die sich auf dem Bolzplatz nicht an Abstandsregeln halten, hatte er sich schon mal den Vorwurf gefallen lassen müssen, er nehme das Virus nicht ernst.

Geschenktes Leben „Lebe jeden Tag, morgen könnte dein letzter sein.“ Diesen Satz hat sicherlich der eine oder die andere schon mal gehört, zur Kenntnis genommen, aber nicht verinnerlicht. Warum auch? Schließlich fällt einem ja nicht urplötzlich die Decke auf den Kopf und man fällt tot um. Man geht im Normalfall davon aus, dass das Ende auf Erden weit, weit weg ist. Weit gefehlt. Von einer Sekunde zur nächsten kann das Dasein vorbei sein. Ein Wimpernschlag und der Ofen ist aus, das Leben, das vielleicht noch im Sauseschritt vor dem geistigen Auge vorbeizieht, erloschen. So ähnlich muss es Jörg Tessmann aus Hamburg vorgekommen sein, als er mit seinem Mazda auf dem Weg zum Kaffeetrinken war und mit dem Heißgetränk auf das Ende des Augenarzt-Termins seiner Frau warten wollte. Doch soweit kam er nicht. Denn während der Fahrt krachte eine große Hainbuche – wie von einem Riesen gefällt – auf die Straße und erwischte genau in dem Moment den Wagen des 67-Jährigen. Ein armdicker Ast bohrte sich auf der Beifahrerseite in die Windschutzscheibe, da, wo kurz zuvor Ehefrau Sieglinde gesessen hat. Der Fahrer blieb auf wundersame Weise unverletzt. Im Schockzustand wurde der Glückspilz von Rettungskräften, der Polizei und einer jungen Autofahrerin versorgt.

Niemand geht morgens davon aus, dass es am Tag zu solch einer Situation kommt und der Hamburger dachte garantiert nicht, diese Situation erleben zu müssen. Man kann mit Fug und Recht behaupten, Jörg Tessmann ist dem Tod von der Schippe gesprungen und hat ein zweites Leben geschenkt bekommen. Er hat den Hauch des Todes gespürt, atmet aber weiterhin die Luft des Lebens ein und weiß nicht nur das, sondern auch die ruhige, besonnene und fürsorgliche Hilfe aller Beteiligten am Unfallort zu schätzen. Dafür hat er sich bereits am Unglücksort und mit einem Schreiben tags darauf von Herzen bedankt. Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten des ausufernden Egoismus’. Ein feiner Zug!

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