Innenstadt-Potenzial besser nutzen?

Stormarner Tageblatt  17.05.2021

Oldesloer Stadtverwaltung diskutiert mit Bürgern über Probleme im Zentrum / Rund 100 Teilnehmer stimmen online ab

Beispiele für architektonische „Sünden“, die das Gesamtbild der Fußgängerzone stören.  Patrick Niemeier
Beispiele für architektonische „Sünden“, die das Gesamtbild der Fußgängerzone stören. Patrick Niemeier

Patrick Niemeier
Ist Bad Oldesloes Innenstadt so schlecht wie ihr Ruf oder ist dieser überhaupt so schlecht? Welche Stärken hat sie? Und wie können Potenziale besser genutzt werden?
„Bad Oldesloe 2.0 – gemeinsam gestalten“ lautet das Motto, mit dem die Stadtverwaltung der Kreisstadt den Weg in die Zukunft finden möchte. Dieser soll vor allem auch unter Beteiligung der Bürger gestaltet werden.
Nachdem gleich mehrere Konzepterstellungen von Einzelhandel bis Verkehr auf den Weg gebracht wurden, konnten erste Ergebnisse mittlerweile online präsentiert werden. Und das inklusive einer virtueller Live-Abstimmungsmöglichkeit für rund 100 Online-Teilnehmer.
Der tatsächliche Erkenntnisgewinn blieb ernüchternd überschaubar. Kurzum: schon oft benannte und diskutierte Probleme wurden bestätigt, oft herausgestellte Qualitäten und Potenziale erneut betont. Spannend und lobenswert war an der Präsentation allerdings die Möglichkeit, direkt als Teilnehmer abstimmen zu können. Allerdings stellte sich dabei heraus, dass nur eine Person unter 19 Jahren an der virtuellen Veranstaltung teilnahm – eher enttäuschend mit Blick auf die Zukunftsgestaltung einer Stadt. Der Blick auf die Jugend und ihre angeblichen Bedürfnisse erfolgte so zwangsläufig wieder nur aus der Perspektive älterer Generationen.
Doch was wurde überhaupt konkret berichtet? Das Kultur- und Bildungszentrum (Kub) und der Marktplatz wurden als zwei positive Highlights herausgearbeitet. „Es ist für uns Stadtplaner immer eine Freude, einen Platz zu sehen, der so gut dimensioniert ist“, sagt Frank Schlegelmlich (BPW Stadtplanung). Die Barrierefreiheit müsse jedoch verbessert werden.
„Das Kub ist ein ganz tolles Erfolgsprojekt, das den Weg in die Zukunft zeigt. Es steht an der richtigen Stelle, hat einen wunderbaren Vorplatz und ein umfangreiches Angebot“, betonte Schlegelmilch.
Charmant seien außerdem Orte wie das Heiligengeistviertel und historische Plätze allgemein. Diese könnten besser erschlossen werden. Die Wasserlage an Trave und Beste sei ein überregionales Alleinstellungsmerkmal. Dieses solle erlebbarer gestaltet werden, die Verweildauer in der Stadt somit erhöht.
Dass das Erscheinungsbild der Fußgängerzone nicht mehr zeitgemäß, die Aufenthaltsqualität gering sei, ist seit über zehn Jahren immer wieder Thema in Arbeitskreisen, Wirtschaftsvereinigungen und politischen Ausschüssen. Verändert haben diese Erkenntnisse in der Vergangenheit langfristig wenig.
Schlegelmilch gab Gründe für das nicht vollends überzeugende Bild der Fußgängerzone an. Es liege aus Sicht der Experten an der Bebauung und teilweise lieblosen Gebäudegestaltung vergangener Jahrzehnte. Kürzlich sanierte Altbauten wie am Mühlenplatz seien hingegen positive Beispiele.
Niklas Fluß (BPW Stadtplanung) stellte anschließend die Ergebnisse der Bürgerbefragungen durch BPW und die Agentur Cimer vor. 369 Umfragen wurden online komplett abgeschlossen. Cimer habe zusätzlich noch 500 weitere Bürger telefonisch befragen können. Die Meinung von etwas über drei Prozent der Oldesloer konnte also für die Auswertung berücksichtigt werden. Mit rund 100 Online-Zuschauern nahm nichtmal ein Prozent der Stadtbevölkerung die Möglichkeit wahr, an der virtuellen Präsentation teilzunehmen.
Es konnte herausgearbeitet werden, dass weiterhin 42 Prozent der Befragten mit dem Auto in die Stadt fahren. Nur zwei Prozent kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, was die oft sehr hoch gehaltene Bedeutung des ZOB in der Hagenstraße fraglich erscheinen lässt. 56 Prozent der Innenstadtbesucher kommen nach eigener Aussage mit dem Rad (26) oder zu Fuß (30) in die Einkaufsstraßen der Kreisstadt.
Die stetig wachsende Bedeutung des Eventsektors von Gastronomie über Freizeit- bis Kulturangebote in der Innenstadt als Frequenzbringer wurde von immerhin 21,1 Prozent der Befragten als Besuchsgrund angegeben. Shopping ist für rund 40 Prozent die Intention, wenn sie ihren Weg in die Stadt antreten. Der Einzelhandel bleibt also ein starker Grund, aber eben nicht einmal bei der Hälfte der Innenstadtgäste die entscheidende Motivation.
Kritisch wurde bei der Befragung vor allem die mangelhafte Aufenthaltsqualität gesehen. Besonders schlecht kommen der Stadteingang Bestorstraße und der Parkplatz in der Lübecker Straße sowie der ZOB weg. Wie erwartet, sorgten neben den bekannten „Schandflecken“, wie dem ehemalige Nickelgebäude, vor allem die Verkehrsthemen rund um die Hagenstraße für Kontroversen.
Relativ vage blieben die abgeleiteten Entwicklungsziele. Diese lauten „Treffpunkt Innenstadt“ mit einer atmosphärischen Fußgängerzone und Plätzen. Außerdem solle die Lage am Wasser besser betont werden und auch das Thema „historische Innenstadt“ weiter in den Vordergrund rücken. Wichtig seien außerdem die Themen: „vielfältige“, „erreichbare“ sowie, „klimagerechte Innenstadt“.
Bei den Möglichkeiten zur Teilnahme durch Bürger auf virtuellem Weg zeigte sich, dass manche Dinge auch einfach eine Imagefrage sind. So wurden mehr Angebote für Kinder und junge Familien eingefordert. Allerdings ist der Bereich für Kinder und Familien in der Stadt von Sportvereinen bis Kulturangebote und Spielplätze reichhaltig und vielfältig. Nur bekannt scheinen viele dieser Angebote nicht zu sein.
Dass es nicht viele neue Erkenntnisse gab, fand Agnes Heesch, Sprecherin der Stadt, gar nicht schlimm. „Es zeigt doch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich habe heraushören können, dass manche Probleme gar nicht so groß sind, wie eine laute Minderheit sie manchmal klingen lässt“, sagte Heesch. Denn insgesamt habe sie sehr viel positive Dinge über die oft öffentlich eher negativ konnotierte Innenstadt gehört. „So ist der Marktplatz zum Beispiel gar nicht so unglaublich unbeliebt, wie man zu hören bekommt“, sagt Heesch.
„Wir sind froh darüber, dass es uns gelingt, die Bürger mit einzubinden“, zeigte sich Bürgermeister Jörg Lembke mit der ersten Resonanz zufrieden. Es werde noch Möglichkeiten geben, sich weiter einzubringen.
Am 12. Juni wird es mit einer Bürgerwerkstatt weitergehen. Ob virtuell oder als Präsenzveranstaltung stehe noch nicht fest. Er hoffe, dass die Chance sich einzubringen, generell noch breiter gestreut werde. „Reden Sie darüber mit Nachbarn und Freunden“, bat der Verwaltungschef. Vielfältige Meinungen seien wichtig.

Dieser Beitrag wurde unter Presseartikel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.