Stormarner Wochenschau: Einige Fragen der Ehre und Fairness

Stormarner Tageblatt  21.08.2021

Einige Fragen der Ehre und Fairness

Doch nicht vor der eigenen Haustür...!                              Karikatur: Megi Balzer
Doch nicht vor der eigenen Haustür…! Karikatur: Megi Balzer

Guido Behsen, Patrick Niemeier und Volker Stolten

Konfliktpotenzial
Stormarn ist beliebt bei jungen Familien und auch bei Arbeitnehmern allgemein. Das liegt daran, dass man von hier gut pendeln kann, aber auch daran, dass es attraktive Arbeitgeber und eine gute Infrastruktur gibt. Wohnen und arbeiten im ländlichen Raum ist in Mode. Das zeigte sich unlängst bei Präsentationen von Auszubildenden, die sich gegen Hamburg und für Bad Oldesloe entschieden. Aber lange Rede, kurzer Sinn. Wer hier arbeiten und leben möchte, der braucht Wohnraum. Nachweislich wird dieser in Bad Oldesloe benötigt. Viele Kreisstädter bestreiten das auch nicht, aber neue Nachbarn – das muss nun wirklich nicht sein. Manche Sorgen scheinen berechtigt, andere wirken panisch. Fast jeder Bebauungsplan im ländlichen Raum lässt Proteste entstehen, dass der dörfliche Charakter der Ortsteile nicht zerstört werden soll. Neuer Wohnraum solle als Verdichtung in der Stadt entstehen. Dort zeigt man sich hingegen ebenfalls wenig begeistert. Neuer Wohnraum solle nicht die letzten grünen Flecken in der Kreisstadt belegen, während in den ländlichen Ortsteilen genug Platz sei. Oft scheint es die Angst vor Veränderungen zu sein und da kann man nur sagen: Nichts ist so beständig, wie der Wandel. Vielleicht müssten sich einige Protestierende in die Situation versetzen, dass sie selbst gerade eine Wohnung suchen. Wer selbst an einem Ort lebt, hat nicht die Nachbarschaft mit gemietet und gekauft. Es müssen Kompromisse gefunden werden. Nur so funktioniert gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Drehschluss
Heißt es nicht: „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.“ Aber das hat der NDR bei seiner Kult-Serie „Neues aus Büttenwarder“, die erstmals 1997 ausgestrahlt wurde, nicht getan. Schade, muss ich als eingefleischter Büttenwarder-Fan zugeben. Denn, wenn ich ehrlich bin, war der Zenit für mich schon überschritten, als Jan Fedder noch lebte.
Die letzten gemeinsamen Folgen von Kurt Brakelmann und Adsche Tönnsen (Peter Heinrich Brix) ließen zu wünschen übrig, hingen dem Anspruch hinterher und reichten bei weitem nicht an die Qualität heran, die Büttenwarder ursprünglich ausmachte. Witze waren nur noch selten echt witzig, wirkten bemüht. Nach rund 20 Jahren wohl auch kein Wunder! Spätestens nach dem Tod von Jan Fedder im Dezember 2019 hätte der NDR die Reißleine ziehen müssen. Denn gerade das ausgewogene Zusammenspiel der beiden skurrilen Kultfiguren in Verbindung mit Kuno („Killerkralle“), Gastwirt „Shorty“ und Co. in apartem Ambiente hatte der Serie den großen und lang anhaltenden Erfolg beschert. Verdientermaßen: Das Gros der Folgen war brillant. Welcher Büttenwarder-Fan erinnert sich nicht gerne an die Folge „Mambo“, in der Adsche in freier Wildbahn auf der Holzbank sitzt und seiner weiblichen Begleitung verlegen darlegt: „Nachts wird es hier dunkel.“ Oder an „Der Bär steppt“, wo Brakelmann vollmundig erklärt: „Bis gestern war ich Bauer. Heute bin ich Landwirt.“ Oder an „Der Ball rollt“, mit der Sequenz Fußball im Winter („Du musst zum Ball stehen“) und Adsches Besuch in Onkel Krischans Pension „Alte Eichen“, von dem er draußen vor der Tür zu hören bekommt: „Ich sitz hier schon seit Juli.“
Egal ob „Fette Beute“ oder „Glücksspiel-Hölle“, „Liebesnacht“ oder „Schatzsuche“, „Goldene Erinnerung“ oder „Bildungsschock“, „Schmerzensgeld“ oder „Wahlkampf“. Alles Klassiker, die im Kopf bleiben, mit denen der NDR ein Stück TV-Geschichte geschrieben hat. Wie sagt es Peter Heinrich Brix so treffend: „Ich denke, es gibt eine Zeit für alles und irgendwann ist die Zeit um.“ Jetzt ist sie um. Nur noch einmal zu Weihnachten gibt es vier Mal „Neues aus Büttenwarder“. Danach nur noch Altes, aber hintersinnig Gutes!

Grauzone
Vergangene Woche hatte Amazon angekündigt, das Lichtkonzept am Logistikzentrum an der Teichkoppel zu überarbeiten. Vorausgegangen waren Beschwerden von Anwohnern und Autofahrern, die sich vom Bad Oldesloer „UFO“ gestört bzw. irritiert fühlten. Nur Tage später geriet der Versandriese, oder genauer gesagt: diverse Subunternehmen, auf andere Weise ins Zwielicht: Zoll, Bundespolizei und Ausländerbehörde rückten zur Großkontrolle an. Der Verdacht: Schwarzarbeit, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Vorläufige Bilanz: Strafverfahren nach dem Aufenthaltsgesetz gegen 19 afrikanische Staatsangehörige, denen, so der Anfangsverdacht, nicht der Mindestlohn gezahlt wurde. Für sie könnte die Razzia schlimmstenfalls die Abschiebung bedeuten. Und Amazon? Kündigte an, „unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen“ gegen Partner, die gesetzliche Vorgaben „nicht erfüllen“. Die Konsequenzen, so scheint es, sind wieder einmal für diejenigen am dramatischsten, die am wenigsten Einfluss auf das System einer Branche haben, die sich bisweilen in Grauzonen bewegt.

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