Stormarner Tageblatt 09.09.2021
Bilanz des Amazon-Einsatzes in Oldesloe: Neun illegal Beschäftigte und sechs mit gefälschten Unterlagen
Patrick Niemeier
Sie sind nicht bei Amazon angestellt, aber sie fahren täglich für den Internet-Händler durch den Norden. 310 Fahrer von Subunternehmen standen im Fokus der zweiten Kontrolle innerhalb eines Monats von Zoll, Ausländerbehörde und Bundespolizei am Verteilzentrum in Bad Oldesloe. Und auch nach dieser Kontrolle besteht weiterhin der Anfangsverdacht, dass alle Fahrer nicht den Mindestlohn erhalten, wie Gabriele Order, Sprecherin des Hauptzollamts in Kiel, bestätigt.
Hohe Ansprüche an Lieferservice-Partner
Kontrolliert wurde laut der Behörden neben der Einhaltung des Mindestlohns von aktuell 9,60 Euro die Stunde auch die Einhaltung zwingender gesetzlich geregelter Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, die Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten sowie der mögliche unrechtmäßige Bezug von Sozialleistungen. Ein Sprecher von Amazon sagte hierzu am Mittwoch dem Stormarner Tageblatt, dass es dem Unternehmen wichtig sei festzuhalten, dass es sich zunächst nur um einen Anfangsverdacht des Verstoßes gegen den Mindestlohn bei einigen Subunternehmern handele. Amazon selbst prüfe regelmäßig, ob sich die Partner an die geltenden Gesetze und den Verhaltenskodex für Amazon-Lieferanten halten. Das Unternehmen bat um Verständnis, dass man sich noch nicht genauer äußern könne, weil man nicht wisse, um welche Subunternehmer es sich handle, die zu wenig Mindestlohn gezahlt haben sollen oder wie weitere Vorwürfe seitens der Behörden aussehen. „Wir sind vom Zoll noch nicht vollumfänglich informiert worden“, so der Sprecher. „Unsere Lieferservicepartner verpflichten sich vertraglich, die geltenden Gesetze insbesondere im Hinblick auf Löhne, Sozialabgaben und Arbeitszeiten einzuhalten. Wir werden diese Vorwürfe prüfen und werden durchgreifen, sollten wir feststellen, dass ein Partner diese Erwartungen nicht erfüllt“, stellt Amazon in einem ersten Statement klar.
„Die rund 150 eingesetzten Mitarbeiter des Zolls – unterstützt von 32 Einsatzkräften der Landespolizei, Bundespolizei, Mitarbeitern der Ausländerbehörde sowie des Technischen Hilfswerk – kontrollierten dieses Mal die bei Subunternehmen beschäftigte Kurierfahrer und befragten sie nach ihren Arbeitsverhältnissen“, erklärt derweil Gabriele Oder.
Dabei habe man bereits vor Ort feststellen können, dass neun Kontrollierte sich illegal in Deutschland aufhielten. Gegen sie wurden Strafverfahren eingeleitet. Sie erhielten außerdem eine Meldeauflage bei der Ausländerbehörde. Bei der ersten Kontrolle von Lagerarbeitern am Verteilzentrum in Bad Oldesloe, hatte der Zoll bereits 19 illegal Beschäftigte festgestellt. „Dazu können wir gar nichts sagen. Wir hatten davon natürlich keine Kenntnis und wissen nicht bei welchem Subunternehmen sie angestellt waren und wie es dazu kommen konnte“, antwortet Amazon auf Nachfrage dazu.
Amazon möchte genaue Ergebnisse
Ebenso sei es nicht bekannt, zu welchen Subunternehmen die sechs Personen gehören, die sich nach der Kontrolle wegen Urkundenfälschung verantworten müssen. Sie hatten versucht sich mit gefälschten Dokumenten auszuweisen und flogen dabei auf, wie die Sprecherin des Hauptzollamts bestätigte. Zwei Personen versuchten sich außerdem der Kontrolle zu entziehen. Eine wollte mit ihrem Fahrzeug schnell vom Gelände fahren und kam nicht weit. Eine zweite Person konnte tatsächlich über einen Zaun entkommen.
Schlechte Arbeitsverhältnisse und Bezahlung unterm Mindestlohn seien bei Amazonpartnern nicht an der Tagesordnung, betont das Unternehmen auf Tageblatt-Nachfrage weiter.
„Das stellt nicht die Wirklichkeit für tausende Menschen dar, die bei kleinen und mittelständischen Lieferunternehmen in ganz Deutschland beschäftigt sind und jeden Tag Pakete zu Amazon-Kunden bringen“, betont ein Konzernsprecher nachdrücklich. Und er geht noch einen Schritt weiter: „Wir erwarten von unseren Partnern, dass sie ein erstklassiges Arbeitserlebnis für ihre Fahrer bieten und wir überprüfen sie aktiv, um die Einhaltung sicherzustellen“.
Sollte sich der Anfangsverdacht indes bestätigen, müssten Konsequenzen folgen. Dabei gebe es auch keinen Spielraum, betont Amazon. Dazu Gabriele Oder vom Hauptzollamt: „Ob tatsächlich weitere Verstöße gegen das Mindestlohngesetz vorliegen, wird die sich nun anschließende Geschäftsunterlagenprüfung ergeben.“