Ein Wahlkampf voller Fairness und Respekt

Stormarner Tageblatt  10.05.2022

Bürgermeisterkandidaten in Bad Oldesloe stoßen am Wahlabend an

Bürgermeister Jörg Lembke bei seiner Siegesrede im Rathaus. Im Hintergrund Tom Winter.  Patrick Niemeier
Bürgermeister Jörg Lembke bei seiner Siegesrede im Rathaus. Im Hintergrund Tom Winter. Patrick Niemeier

Bad Oldesloe Es ist kurz nach 22 Uhr am Wahlsonntag, 8. Mai. Die Türen des historischen Rathaus in Bad Oldesloe am Marktplatz sind weit geöffnet. Das Licht scheint auf eine kleine Partygruppe vor den Türen. Es wird gelacht und geklatscht und gescherzt. Sekt wird ausgeschenkt, Bierflaschen kreisen.
Lokalpolitiker der verschiedensten Fraktionen haben sich im Saal versammelt. Sie diskutieren das Landtagswahlergebnis, aber vor allem auch den Ausgang der Bürgermeisterwahl. Es steht mittlerweile fest, dass Jörg Lembke die Wahl nicht mehr verlieren kann. Der neue und alte Verwaltungschef nimmt Gratulationen entgegen und hält auch eine Rede. Dann stößt er mit einem der Gratulanten an. Es ist Herausforderer Tom Winter, der seine Glückwünsche überbringt und sich anschließend mit dem Gewinner minutenlang über die Wahl austauscht. Die Szenerie wirkt fast schon freundschaftlich – wie das Aufeinandertreffen zweier Fußballspieler aus gegnerischen Mannschaft nach einem fairen Kick. „Ich glaube wir sind gar nicht so weit auseinander in vielen Positionen“, sagt Lembke dann auch zu einer Grünen-Stadtverordneten, die lächelt und sagt: „Na, wollen wir mal sehen“. Die Grünen hatten im Wahlkampf Lembke-Herausforderer Winter unterstützt.
Es ist viel gesagt und geschrieben worden über den Umgang in der Oldesloer Lokalpolitik untereinander oder das gespaltene Verhältnis zwischen Verwaltung und Politik. Doch das hier ist eine Art Familientreffen. Klar, da ist dann auch mal der eine oder andere Onkel dabei, den man nicht jede Woche sehen muss. Es mag kitschig klingen: Aber nach einem bereits respektvoll geführten Wahlkampf liegt irgendwie eine unerwartet friedliche Stimmung über dem Raum. Gewinner und Verlierer der Wahl feiern gemeinsam in einem Saal. Keine Vorwürfe, keine Wut und tatsächlich fließen maximal Tränen der Freude im Team des Siegers.

Lembke beweist Nehmerqualitäten
Für Jörg Lembke ist es tatsächlich ein großer Sieg. Vor zwei Jahren hieß es immer häufiger: „Der schafft keine zweite Amtszeit“. Seine Art sei zu direkt, zu viele Wähler seien enttäuscht und überhaupt gehe es in Bad Oldesloe nicht wirklich vorwärts. Doch Lembke hat Nehmerqualitäten. Er steckt Kritik ein, nimmt sie nicht persönlich. Und vor allem in den letzten beiden Jahren seiner ersten Amtszeit hat er gezeigt, dass er aus Fehlern gelernt hat.
Dass nun schon mehrfach alle Auszubildenden in der Verwaltung übernommen wurden, aber auch freiwillig blieben, konnte er sich auf seine Fahnen schreiben. Von einer familiären Atmosphäre sprechen manche Mitarbeiter diesbezüglich. Und wenn man es genau betrachtet, ist die Leitung der Verwaltung ja auch Lembkes Kernaufgabe. Herausforderer Winter ist dafür bekannt, in Ausschüssen und in der Stadtverordnetenversammlung gut informiert zu sein und Themen offensiv anzugehen. Im Wahlkampf wirkte er zeitweise etwas ruhiger als in politischen Ausschusssitzungen.
Im Endeffekt scheiterte er allerdings nicht daran, dass er keine Ideen hatte, sondern daran, dass Lembke dann doch einige Erfolge vorzuweisen hat und die Bevölkerung daran glaubt, dass er auch weitere Projekte zuende bringen wird. Im Wahlkampf sah es noch so aus, als fehle es Bad Oldesloe an einer Art Aufbruchsstimmung. Aber vielleicht stimmt das gar nicht. Vielleicht ist dieses friedliche, freundschaftlich-respektvolle Aufeinandertreffen der politischen Protagonisten am Wahlabend tatsächlich ein solcher Aufbruch. Und wenn es wirklich gelingen sollte, einige bestehende oder nur vermutete Gräben zu überschreiten, dann hat diese Bürgermeisterwahl womöglich gar keine Verlierer. Das wäre dann auch ein Verdienst von Herausforderer Tom Winter.
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